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KOMBINATION VON GEWALT- UND VERLUST-TRAUMA FOLGERUNGEN FÜR EINEN RASCHEN UND WIRKSAMEN LÖSUNGSPROZESS aktualisiert 14.2.2025
I. Vorbemerkungen Seit Beginn der Corona-Pandemie, seit 4 Jahren, arbeiten wir nur noch mit Online-Aufstellungen. Statt Stellvertreter verwenden wir Symbole für Personen, ihre Selbstanteile und .für eigene und fremde Traumata. Die Aufstellungsmethode ermöglicht den Klienten, orientiert an ihrem Körpergedächtnis/Körpergefühl, frühe Bindungstraumen zu symbolisieren, und ihre damals unbewusst gespeicherten Überlebensstrategien zu rekonstruieren. Dann können sie erkennen, dass dies Programm, das damals existenziell für ihr Überleben war, als INTROJEKT gespeichert, noch heute ihr Selbstbild, ihr Erleben und Verhalten als Erwachsene bestimmt. Das dies Programm heute nicht mehr „passt“, sondern nur Probleme macht, sind sie bereit, dies Programm „löschen“. Diese Bindungstraumen sind sehr bunt und vielgestaltig, und unterschiedlich ausgeprägt. Das ist auf den ersten Blick verwirrend. Aber mit einem zweiten, mit einem „systemisch geschultem Blick“ lassen sich zwei unterschiedliche Formen unterscheiden, die eine unterschiedliche Dynamik besitzen, und daher unterschiedliche Lösungsstrategien erfordern.
I.1. Bindungstraumen können • seelische und körperliche Gewalterfahrungen, und • Verlust-Traumen beinhalten. Nicht selten finden wir beide Formen kombiniert als komplexes Bindungstrauma. Wie ich in diesem Beitrag begründen werde, hat es sich als sinnvoll erwiesen, zuerst das Verlust-Trauma zu behandeln. In der Absicht, diese beiden Aspekte von Trauma und deren Speicherung als Programm auch sprachlich zu unterscheiden, verwende ich für Gewalttraumen den Begriff INTROJEKT, und für die Verlusttraumen den Begriff INTROJEKTION1.
I.2. Wenn die Lösung eines Gewaltttraumas mühsam wird… Meist sind die Gewalterfahrungen dem Bewusstsein näher und werden daher als erstes bearbeitet. Ein wesentlicher Schritt in diesem Lösungsprozess ist die Befreiung des vital-emotionalen Kindlichen Selbst von den damaligen Belastungen, die ja heute nicht mehr wirksam sein müssten. Wenn das gelingt, dann fühlt sich diese emotional-vitale Kraft des Klienten von heute befreit. Der Klient selber spürt wieder diese fröhliche Kraft beim Abgrenzen gegenüber den toxischen Anteilen des Trauma-Programms. Dann kann der Befreiungsprozess mit Kraft und Fröhlichkeit gelingen. Im letzten Jahr habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass der Lösungsprozess einer Gewalterfahrung unnötig zäh und schwer sein kann, belastend für Klienten UND begleitenden Therapeuten, wenn ein ebenfalls vorhandenes Verlusttrauma noch nicht wahrgenommen und bearbeitet wurde. Oder – in der Symbolsprache der Aufstellung: solange das kindlich-vitale Selbst, durch Introjektion einer verstorbenen geliebten Person, noch an dieser Person „haftet“, wirkt diese unbewusste „Loyalität“ zu einem Verstorbenen wie ein „Verbot“, ins Leben zu kommen und seine vital-emotionale Kraft zu entwickeln. Dieses Verbot kann sich in halb bewussten „Glaubenssätzen“ zeigen, wie: „ich bin falsch“, „ich habe nicht das Recht, da zu sein.“ Oder „Ich habe nicht das Recht, glücklich und erfolgreich zu sein.“ Dabei kann es sich um ein eigenes Verlusttrauma handeln: verlorener Zwilling, früh verstorbenes – oder abgetriebenes – Geschwister, verstorbene Bezugsperson. Bisweilen sind es aber auch Angehörige der Eltern, die durch tragische Umstände gestorben sind und deren Tod in der Familie eine schmerzliche Lücke hinterlassen haben. Daher ist es sinnvoll, gezielt nach einem solchen – eigenem oder übernommenem – Verlusttrauma zu fahnden, um es als erstes zu bearbeiten. Dafür bieten sich im Lösungsprozess zwei Situationen an, wie ich weiter unten erläutern werde. Danach kann der Lösungsprozess der Gewalterfahrung zügig und mit Freude - für Klienten UND Therapeuten! - durchgeführt werden! Bevor ich auf die unterschiedlichen Formen von Verlusttrauma eingehe, skizziere ich den Lösungsprozess bei Gewalterfahrungen.
II. Bindungstraumen durch seelische und körperliche Gewalterfahrung Frühe Erfahrungen von Vernachlässigung, Abwertung, Schuldzuweisungen und körperlicher Gewalt können die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls verhindern. Das „Programm“ der Überlebensstrategien bei Selbstwert-Verletzungen durch Gewalt ist erstaunlich stereotyp. Es folgt dem Schema: Unerwünschtes unterdrücken und das Erwünschte Verhalten zu verstärken um so vielleicht die lebensnotwendige Zuwendung der Eltern zu bekommen:
II.1. Tendenz zur Selbst-Verleugnung Eigene „unerwünschte“ Bedürfnisse und Gefühle werden unterdrückt/abgespalten, um sich zu schützen und andere nicht zu belasten. Dadurch geht die Selbstverbindung verloren, und damit auch das Selbstwertgefühl und der innere Kompass. Die gesunde Kraft wird blockiert und richtet sich destruktiv gegen sich (Selbst-Abwertung bis zum Selbst-Hass) und gegen unschuldige Andere. Dadurch wird auch die absichtslose wahre Liebe blockiert. Als Kompensationsversuch:
II. 2. Magisch-grandiose Tendenzen Die Betroffenen entwickeln eine spezialisierte Wahrnehmung für die Gefühle und Bedürfnisse Anderer, um sich besser auf diese einzustellen, bzw. um für sie wertvoll und nützlich zu sein – Helfer- und Retter-Rolle. Die Folge: statt bedingungsloser Liebe nun Vorleistungen, um „Liebe“ zu erkaufen. Statt primärem, intrinsischem Selbstwertgefühl nun ein durch Leistung erworbenes
II.3. „Extrinsisches“ Selbstwertgefühl. Das ist verbunden mit Selbst-Überforderung (z.B. Perfektionismus) und bedingt daher
• Erschöpfung bis zum Burnout, und ein • Brüchiges Selbstwertgefühl, schwankend zwischen grandiosem Überlegenheitsgefühl (Helfer, Retter) und massiver Selbstabwertung.
Dieses – fast erschreckend stereotype - Programm beobachten wir bei ALLEN Klienten, in unterschiedlicher Ausprägung und in verschiedenen Variationen, entsprechend den persönlichen Aspekten. Wir verstehen es als Ausdruck archaischer Instinkt-gesteuerter Anpassungsreflexe auf seelische und körperliche Gewalterfahrung durch prägende Bezugspersonen.
II.4. Trauma als reversibles INTROJEKT Durch die Aufstellungsmethode kann der Klient erkennen, dass er diese Elemente: eigenes Trauma, die Bezugspersonen und deren Traumata sowie die eigenen Überlebensstrategien als KONGLOMERAT gespeichert hat. Durch dieses Ich-fremde INTROJEKT war seine Verbindung mit dem eigenen wahren Selbst blockiert bis heute – das erklärt seine aktuellen Probleme. Jetzt kann er sich in einem strukturierten Prozess von den Anteilen dieses Introjektes befreien und – vielleicht zum ersten Mal - das Glück der Selbstverbindung und Autonomie selber spüren.
II.5. Wenn der Lösungsprozess noch durch eine Introjektion (Verlust-Trauma) blockiert ist Ein gemeinsamer Aspekt dieser INTROJEKTIONEN durch Verlusttrauma ist, bedingt durch die Identifikation mit einer verstorbenen Person, ein unbewusstes Anhaften an Vergangenem: An der „Welt“ der Verstorbenen, an deren Überzeugungen , oder an deren Schicksalen. Das kann sich durch unbewusste Glaubenssätze und Verbote bemerkbar machen, die das eigene unbeschwerte Erleben und Verhalten im Hier und Heute bestimmen, z.B.: „ich bin falsch!“ - „Ich habe nicht das Recht, da zu sein und glücklich zu sein!“ Beim Lösungsprozess gibt es kritische Augenblicke, die geeignet sind eine zusätzliche Blockade durch einen derartigen Glaubenssatz zu entdecken und zu bearbeiten, der bedingt ist durch eine INTROJEKTION (Identifizierung mit einem Verstorbenen) : • wenn nach der vorläufigen Abgrenzung gegenüber dem Trauma-Konglomerat die erste Annäherung des Fokus an das Selbst noch blockiert ist , und • wenn das kindliche Selbst nach seiner „Befreiung“ von den Elementen des Traumakonglomerates sich noch gebunden fühlt und nicht frei für das Leben.
Wenn es gelingt eines der nachfolgenden INTROJEKTIONEN als blockierendes Element aufzuspüren, und aufzulösen, dann kann das den weiteren Lösungsprozess für den Klienten – und für den Begleiter - erheblich erleichtern und verkürzen!
III. Bindungstraumen durch Erfahrung von Verlust und Trennung Diese treten meist kombiniert mit Gewalterfahrungen auf, als komplexes Bindungstrauma. Sie verdienen jedoch aus zwei Gründen eine gesonderte Betrachtung:
A) Die Folge-Symptome eines Verlusttraumas sind – anders als bei den Gewalttraumen – je nach Art des Traumas sehr unterschiedlich
Als Beispiele für diese Folge-Symptome und für die verursachenden Verlusttraumen seien genannt:
• Übernehmen fremder Überzeugungen – „Geliebte Person als Introjektion“. • Verschmelzungstendenzen, da alleine Unvollständig – Zwillingsverlust • Übernehmen fremden Schicksals – Identifizierung mit belastetem Familienmitglied. • Lebensverbot – Identifizierung mit verlorenem Angehörigen der Eltern. • Schuldgefühle, Lebensverbot – Abtreibungstrauma
• B) Sie können zur Entstehung einer INTROJEKTION führen, die eine spezifische Lösungsstrategie erfordert. Im Folgenden beschreibe ich für jede dieser Situationen, • die Enstehungsbedingungen für eine INTROJEKTION • Den illusionären Überlebensgewinn, • Die Folgesymptome (der „Preis“) für diese Dynamik. • Den wirksamen Lösungsprozess durch einen imaginären Dialog.
III.1 Geliebte Person als INTROJEKTION Diese Dynamik hatte bereits 1910 der Freud-Schüler Sandor Ferenczy beobachtet und selbst als INTROJEKTION benannt.
Zunächst zur Verdeutlichung eine
Fallvignette „Zukunfts-Stress“ Eine 40-jährige Frau plant zwanghaft ihre Zukunft: in welche Wohnung sie später einziehen wird, wie sie welche Möbel stellen wird. Sie findet das selber völlig unnötig, aber sie kann sich dagegen nicht wehren. Durch eine Aufstellung erkennt sie, dass sie unbewusst ihren Grossvater als Introjekt verinnerlicht hatte. Er war für sie als Kind - im Vergleich zu ihren sehr traumatisierten Eltern – wie ein ruhender Pol, obwohl er selber Gefangenschaft in Sibirien und dreimal den Verlust seines Hauses erlebt hatte. Daher wohl hatte sie ihn verinnerlicht als Introjektion. Diese Identifizierung hatte sie bisher daran gehindert, mit ihrem „Wahren Selbst“ verbunden zu sein, das sich zufrieden fühlt, im Hier und Jetzt.
Überlegungen zur Entstehung Bisweilen wird ein Kind in einer traumatisierten Familie von den eigenen Eltern ignoriert, überfordert oder abgewertet. Wenn es dann z.B. einen Großvater, gibt, der dieses Enkelkind liebt, einfach, weil es da ist und weil es so ist, wie es ist, dann erlebt das Kind, dass es – zumindest bei diesem Großvater - wert ist geliebt zu werden, so wie es ist (intrinsisches Selbstwertgefühl).
Hypothesen zum Illusionärer Gewinn Das Kind kann dies Selbstwertgefühl jedoch noch nicht mit seinem eigenen Selbst verbinden. Um es nicht zu verlieren, neigt es daher dazu, diesen Großvater zu „verinnerlichen“, als wäre er ein Teil seiner Identität. Diese Illusion, das „zustimmende Lächeln“ des Großvaters unverlierbar bei sich zu haben, kann das Überleben in einer unfreundlichen und abweisenden Umgebung erleichtern.
Folgeprobleme für die Betroffenen Wenn der Klient das aufstellt – orientiert nach seinem Körpergedächtnis - dann wird ihm bewusst, dass er dem bereits gestorbene Großvater die Mitte des eigenen Raumes zugewiesen hatte. Damit wurde er sozusagen zum eigenen Kompass, an dem er sich heute noch orientiert. Dann blieb kein Platz mehr für das eigene, wahre, für das erwachsene Selbst von heute. Die Betroffenen leben nicht selten noch in der Welt und der Zeit und den Überzeugungen des Großvaters, statt im Hier und Heute. Wenn der Großvater Schweres erlebt hat, dann neigen sie dazu, das zu übernehmen, bzw. eigenes Schweres zu „kreieren“, um sich ihm dadurch ähnlich und verbunden zu fühlen.
Oder wenn sie z.B. selber von diesem Großvater seelische oder körperliche Verletzung erlebt haben, dann neigen sie dazu, das zu ignorieren, und ihre eigenen authentischen Bedürfnisse und Gefühle (Angst, Schmerz, Wut) zu unterdrücken und abzuspalten, weil das ihre Orientierung durch die Identifikation mit dem Großvater beeinträchtigen könnte.
Lösungsprozess – Dialog mit dem verstorbenen Grossvater
Um das Phänomen der Introjektion selber zu spüren, nimmt der Klient das Symbol für den Großvater an sein Herz, und spürt nach, ob in seinem Körpergedächtnis eine solche verschmelzende Verbindung gespeichert ist. Wenn das zutrifft, dann kann ihm bewusst werden, 1. dass der Großvater solange seine Ruhe nicht finden kann, solange er noch „hautnah“ verbunden ist mit dem Enkel und dessen Leid. 2. dass dieses Introjekt seine Selbstverbindung blockiert hat, so dass auch er nicht in ein unbeschwertes Leben kommen konnte, weil auch er „hautnah“ verbunden war mit dem Leid des Großvaters.
Würdigung und Abschied Diese Einsicht macht es ihm leichter, sich vom Großvater zu verabschieden, indem er das würdigt, was er ihm verdankt „Ich danke dir für deine Liebe“ und ihn „loszulassen“, damit auch er seinen Frieden finden kann. Wenn er danach seinen Finger auf das Symbol des Großvaters legt, kann er spüren, wie erleichter dieser dadurch ist! Und er kann spüren, was der Großvater ihm zum Abschied mit auf den Weg gibt: Lebe dein eigenes Leben! Und ihm kann bewusst werden, dass er bisher den Großvater mit seinem eigenen Selbst verwechselt hat. Wenn er erkennt, dass er vollständig ist auch ohne den Großvater, dann ist der Weg frei zu seinem eigenen wahren Selbst, das er bisher noch gar nicht kennen lernen konnte: neu unbekannt – und daher sehr prickelnd!
III.2. Abschied von einem (meist vorgeburtlich) verlorenen Zwilling Dies Thema betrifft ca. 40 % der Bevölkerung, ist den meisten Betroffenen jedoch unbekannt- und leider auch den meisten Therapeuten. Obwohl es sich sehr gravierend auf das eigene Leben, Beruf und Partnerwahl auswirken kann!
Entstehung Unsere Beobachtungen lassen uns annehmen: Wenn ein Klient zu Beginn der Schwangerschaft sich nicht alleine, sondern zusammen mit einem Zwillings-Embryo in Mutters Gebärmutter befand, dann speicherte sein – bereits damals aktives! - Körperbewusstsein das so ab, als sei er vollständig nur mit einem Zwilling. Wenn dann, in der Regel zwischen der 8.-12. Woche, sich der Zwilling verabschiedet – nur in 2 % kommen beide Zwillinge lebend auf die Welt! - dann wurde auch das abgespeichert als Trennung und Verlust – so als sei der Klient alleine unvollständig.
Illusionärer Gewinn Der Betroffene hat den Zwilling als Introjekt in seinem Raum. Da er nicht sicher unterscheiden kann zwischen seiner Welt im Leben – und der Welt des verstorbenen Zwillings – zieht es ihn unbewusst bisweilen in „andere Welten“, um so mehr wenn der reale Alltag in seiner Familie eher mit Abwertung und Verletzungen verbunden war. Dann erscheint der Platz bei dem verstorbenen Zwilling als sicherer Fluchtpunkt. Ohne sicher Wahrnehmung für die Grenzen – auch zwischen diesen Welten – entwickeln die Betroffenen oft eine besondere Sensitivität, bisweilen gar mediale Fähigkeiten. Das führt sie oft in helfende und heilende Berufe – wo ihnen aber dann die fehlende eigene Abgrenzung zum Klienten und dessen Problemen große Schwierigkeiten bescheren kann.
Folgeprobleme für die Betroffenen Die Betroffenen haben in der Regel massive Beziehungsprobleme. Da sie unbewusst fixiert sind auf die Suche nach einem Ersatz für den verlorenen Zwilling, können sie ihr eigenes Selbst nicht wahrnehmen oder gar achten. Ihre Sehnsucht nach einer verschmelzende Beziehung – um sich wie damals vollständig zu fühlen – führt sie immer wieder in symbiotische verschmelzende Beziehungen mit Partnern, die meist selber traumatisiert und bedürftig sind. Ein weiteres Folgeproblem ist ihre Verlustangst, die durch jede neue Beziehung getriggert wird, und nicht selten zur Beendigung der Beziehung führt. So wiederholen sie – unbewusst – das Verlusttrauma von damals. Ohne gesunde Abgrenzung fühlen sie sich – unaufgefordert – zuständig für Probleme anderer – und halten das irrtümlich für „Liebe“. Das bezieht sich zunächst auf die Eltern, und Geschwister, und später auf den Partner oder die eigenen Kinder. Sie neigen dazu, fremde Traumen zu übernehmen, und in eine derartige Selbstüberforderung und Verwirrung zu geraten, dass sie bisweilen sogar psychiatrische Hilfe benötigen. So versäumen sie selber das Glück eines selbstbestimmten Lebens. Und den anderen erschweren sie unbewusst die Entwicklung einer eigenen Autonomie. Und das alles unter der Vorstellung einer wahren, (buchstäblich!) SELBST-losen Liebe!
Lösungsprozess – Dialog mit verlorenem Zwilling Auch wenn die erwähnten „Indizien“ für ein Verlusttrauma „verlorener Zwilling“ sprechen, habe ich mir angewöhnt, das zunächst als VERMUTUNG zu bearbeiten, die dann durch den Lösungsprozess bestätigt – oder fallen gelassen werden kann.
Zunächst hält der Klient das Symbol des verlorenen Zwillings an seine Brust und spürt nach, ob eine derartige Verbindung im Körpergedächtnis gespeichert ist. Es ist immer wieder erstaunlich, wie heftig die Reaktionen bei diesem „Test“ sind: sie schwanken zwischen Glück, Wärme und Liebe einerseits – und Schmerz und Trauer andrerseits. Beides spricht dafür, dass der Klient sich – trotz der frühen Trennung – noch verbunden fühlt mit diesem Zwilling; so als seien sie beide nur vollständig, wenn sie zusammen sind! Wie ist es da überhaupt möglich, Abschied und Trennung zu vollziehen? Auch hier ist bereits das Aufstellungs-Setting für die Lösung hilfreich. Wenn der Klient erkennt, dass diese Zwillingsbindung seine Selbstverbindung blockiert – und damit seine diversen Probleme verursacht hat - dann fällt es ihm, zumindest rational, leichter sich zu verabschieden. Ihm wird klar, dass er offenbar unbewusst den Zwilling „festgehalten“ hatte, sodass dieser seinen Frieden nicht finden konnte, weil er immer noch hautnah mit ihm und seinem Leid verbunden war, und er kann erkennen, dass auch er nicht in ein unbeschwertes Leben finden konnte, da unbewusst noch verbunden mit diesem Zwilling, der keinen Platz in der Familie und im Leben finden konnte. Vielleicht kennt er ja selber dieses Gefühl: „immer auf der Suche, ich kann meinen Platz nicht finden!?“ Jetzt kann er sich heute dazu entscheiden, diese „lose-lose-Situation“ zu verwandeln in eine „win-win-Situation“, indem er sich von dem Zwilling verabschiedet, für immer.
Würdigung Auch hier gelingt der Abschied leichter, wenn zunächst das Wertvolle gewürdigt wird: „Ich achte es, dass du mich die ersten Schritte in mein Leben begleitet hast, sodass ich schon so früh eine beglückende Zweierbeziehung erleben konnte. Jetzt sehe ich, das wir beide, jeder für sich, vollständig ist. Daher muss ich dich nicht länger festhalten!“ Der Klient spürt bei sich – und mit einem Finger beim Zwillings-Symbol, wie sich das anfühlt? - Meistens für beide vielleicht schmerzlich aber auch entlastend.
Schuldgefühle….oder Wut? Nicht selten fühlen sich die Betroffenen schuldig für das Schicksal des Zwillings, • so als hätten sie zu viel Raum eingenommen und dadurch den Zwilling „aus dem Nest gestoßen“? • So als hätten sie irgendwie dies Schicksal verhindern können und sollen? • So als wären sie besser zusammen mit dem Zwilling in den Tod gegangen, um nicht getrennt zu werden?? • wenn eine Klientin gespürt hatte, dass der Zwilling ein Junge war - den die Eltern sich vielleicht so sehnlich erwünscht hatten – dann kann sich das auswirken in Form von Glaubenssätzen wie: „Besser wäre ich gestorben als er!“ und „Ich habe - als Mädchen - kein Recht, zu leben und glücklich zu sein!“
Es mag verwundern, dass schon in einer vorgeburtlichen und vorsprachlichen Phase solche Vorstellungen entstehen und gespeichert werden können. Aber die Resonanz der Klienten zu diesen Vorstellungen bestätigt immer wieder, dass es so ist. Wenn sie dann zum Zwilling hin spüren, wie das für diesen wäre, wenn der überlebende Zwilling solche Gedanken hätte, dann kommt meist ein entlastendes Strahlen in ihr Gesicht „Der findet das völlig unpassend und verrückt – es war doch sein Schicksal!“ Diese sichtbare Entlastung des Klienten, wenn er selber – einen Finger auf dem Symbol des Zwillings – diese Reaktion spürt, ist immer wieder überraschend und befreiend. Offensichtlich ermöglicht die Aufstellung mit Symbolen dem Klienten einen PERSPEKTIVEN-WECHSEL, der ihn aus dem selbst geschaffenen Gefängnis seiner Selbst-abwertenden Vorstellungen befreien kann! Mein Kommentar: „Das bezeichnen wir als „embryonalen Größenwahn“ – anscheinend wollten Sie schon als Embryo den anderen retten?! Durch diesen Größenwahn fühlt man sich vielleicht anderen überlegen – aber man muss dafür bezahlen mit lebenslänglichen Schuldgefühlen.“
Selten beobachte ich eine Wut des Klienten auf den Zwilling, der ihn alleingelassen hat in dieser – möglicherweise – so belastenden Familie! Das Aussprechen dieses Vorwurfs und das Nachspüren beim Zwilling zeigt: das hat auch ihm leid getan, es war keine böse Absicht, er konnte nicht anders! Dieses selber spüren zu können ist für den Klienten in der Regel sehr entlastend und versöhnlich.
..und Abschied Nachdem der Klient diese unterschiedlichen und verwirrenden Gefühle klären konnte, ist er bereit, sich von dem verlorenen Zwilling zu verabschieden. „Wo auch immer du bist, ich wünsche dir alles Gute!“ Wenn er danach seinen Finger auf das Symbol des Zwillings legt, kann er spüren, wie erleichter der dadurch ist! Und er kann spüren, was der Zwilling ihm zum Abschied mit auf den Weg gibt: „Lebe dein eigenes Leben!“ Und ihm kann bewusst werden, dass er bisher den Zwilling mit seinem eigenen Selbst verwechselt hat. Wenn er erkennt, dass er vollständig ist auch ohne den Zwilling, dann ist der Weg frei zu seinem eigenen wahren Selbst, das er bisher noch gar nicht kennen lernen konnte: neu unbekannt – und unberechenbar – so wie das Leben eben ist!
Anmerkungen zum Zwillingsthema Es gibt Variationen zu diesem Thema: Bisweilen stirbt der Zwilling bei der Geburt. Manchmal zeigt sich in der Aufstellung, dass der Klient zwei verlorene Drillinge hatte. Das kann beim Lösungsprozess berücksichtigt werden und verstärkt dann die Wirkung. Wenn es ein anderes verlorenes Kind der Mutter gibt - ein verlorenes Geschwister durch Abgang, Fehlgeburt oder Abtreibung - dann beobachten wir in den meisten Fällen eine ähnliche Dynamik wie beim verlorenen Zwilling. Daher ist auch der Lösungsprozess ähnlich, aber abgestimmt auf die jeweilige Situation.
III.3. Identifizierung mit dem extremen Schicksal eines Familienmitglied Entstehung In manchen Familien gibt es einen Vorfahren, der ein extrem schreckliches Schicksal hatte, sodass er entweder A) überhöht, als „Held“ in dieser Familie einen Ehrenplatz bekommt. Oder dass er B) aus dem kollektiven Bewusstsein ausgeblendet wurde, weil sein Schicksal als „Schande“ für die Familie erlebt wurde. In BEIDEN (!) Fällen kann es sein, dass ein späteres Mitglied schon als Kind sich unbewusst mit diesem Schicksal identifiziert- obwohl es selber diesen Vorfahren nie kennengelernt hat!
Überlegungen zur Dynamik a) Wenn in dieser Familie die Aufmerksamkeit und Wertschätzung einseitig auf diesen tragischen „Helden“ fixiert war – sozusagen als „kollektive Introjektion“ – dann kann es sein, dass ein Kind in dieser Familie gar nicht wahrgenommen und wertgeschätzt wird, als das Kind das es ist. Das könnte der Grund sein dafür, dass es ebenfalls diese Person mit ihrem schwerem Schicksal übernimmt, als Introjektion.
b) Wenn ein Kind in dieser traumatisierten Familie nicht wahrgenommen und wertgeschätzt werden kann, dann ist es möglich, dass es sich nicht zugehörig und ausgeschlossen fühlt. Dann fühlt es sich vielleicht verbunden mit diesem ebenfalls ausgeschlossenen Vorfahren. Der erscheint dann vielleicht wie ein Schicksals-Genosse in dieser abwertenden Familie.
Überlegungen zum Illusionärer Gewinn
a) Wenn das Kind diesen tragischen „Helden“ als Introjektion verinnerlicht hat, dann könnte ihm das einen „illusionären Selbstwert geben“, der ihm das Überleben in dieser belasteten Familie erleichtert.
b) Wenn ein Kind sich sozusagen aus einer unbewussten „Loyalität“ mit diesem ausgeklammerten Familienmitglied identifiziert (Introjektion), dann muss es sich in dieser zu Abwertung neigenden Familie nicht mehr so alleine fühlen. Vielleicht spürt es sogar so etwas wie einen „Auftrag“, die Erinnerung an diese vergessene Person dadurch aufrecht zu halten, dass es deren Rolle übernimmt?
Folgeprobleme In beiden Situationen kann es sein, dass das Kind die Probleme des jeweiligen Vorfahren übernimmt – oder dessen Schicksal unbewusst nachahmt – um diesem „ähnlich“ zu werden. Es orientiert sich also mehr an dieser Introjektion eines belasteten Vorfahren, als an seinem eigenen wahren Selbst, das glücklich und erfolgreich sein darf. Hinzu kommt, dass diese Identifizierung mit einem Vorfahren, der meist schon lange verstorben ist, dazu führen kann, die eigene Lebendigkeit zu verleugnen oder zu unterdrücken – so als würde man dadurch den Vorfahren im Stich lassen oder sogar „verraten“!
Lösung durch Aufstellung und Dialog mit der identifizierten Person Der Klient überprüft diese vermutete Introjektion, indem er das Symbol für diesen Vorfahren an sein Herz nimmt, und spürt nach, ob in seinem Körpergedächtnis eine solche verschmelzende Verbindung mit dieser Person und deren Schicksal gespeichert ist. Wenn das zutrifft, dann kann ihm bewusst werden, 1. dass dieser Angehörige solange seine Ruhe nicht finden kann, solange er noch „hautnah“ verbunden ist mit dem Klienten und dessen Leid. 2. dass dieses Introjekt seine eigene Selbstverbindung blockiert hat, so dass auch er nicht in ein unbeschwertes Leben kommen konnte, weil auch er „hautnah“ verbunden ist mit dem Leid des Familienmitglieds, das im Leben kein Glück und Erfolg haben konnte.
Würdigung und Abschied Diese Einsicht macht es ihm leichter, sich von diesem Familienmitglied zu verabschieden: „Du bist einzigartig und unersetzbar!“ „Auch ich kann dich nicht ersetzen!“ Bei einem vergessenen oder ausgegrenztem Vorfahren kann der Satz erleichternd sein: „Auch wenn die ganze Familie dich vergessen hat - es ist nicht meine Aufgabe, die Erinnerung an dich wachzuhalten!“ und ihn „loszulassen“, damit auch er seinen Frieden finden kann. Wenn er danach seinen Finger auf das Symbol des verstorbenen Familienmitglieds legt, kann er spüren, dass dieses sich freut, nicht vergessen worden zu sein. Aber dass es auf keinen Fall wünscht, dass jemand anderer seinetwegen leidet! Und er kann spüren, was dieses Familienmitglied ihm zum Abschied mit auf den Weg gibt: Lebe dein eigenes Leben! Und ihm kann bewusst werden, dass er bisher dies Familienmitglied mit seinem eigenen Selbst verwechselt hatte. Wenn er erkennt, dass er vollständig ist auch ohne die Introjektion dieses Familienmitglieds, dann ist der Weg frei zu seinem eigenen wahren Selbst, das er bisher noch gar nicht kennen lernen konnte: neu unbekannt – aber sehr lebendig!
Exkurs, Identifizierung aus der Sicht Hellingers Durch Hellinger habe ich die Aufstellungsmethode kennen gelernt. Ihm verdanke ich auch andere wesentliche Einsichten. Aber manche Überzeugungen erschienen mir schon früher kritikwürdig. Z.B. verstand Hellinger das Phänomen der Identifizierung mit dem schrecklichen Schicksal eines Vorfahren völlig anders. Er behauptete, es handele sich um das Wirken eines „Sippengewissens“, das die Aufgabe habe, über die Vollständigkeit zu wachen. Daher sorge es dafür, dass ein Späterer – unwissend und unschuldig – dieses Schicksal eines „Ausgeklammerten“ vertreten MUSS, um die Vollständigkeit wieder herzustellen. Folgerichtig bestand Hellinger´s Lösung darin, dass er dem Klienten empfahl, dem bisher ausgeklammerten Familienmitglied „einen Platz in seinem Herzen“ zu geben. Dadurch würde das Sippengewissen befriedet, und der Klient von seinem Problem befreit. Bereits vor 25 Jahren musste ich erkennen, dass diese Strategie für meine psychiatrischen Klienten eher verwirrend war. Heute sehe ich, dass dadurch die Identifizierung (Introjektion) nicht gelöst, sondern irrtümlich sogar als Lösung empfohlen wurde.
III.4. Identifizierung mit verlorenem Angehörigen der Eltern. Entstehung Wenn ein Elternteil früh einen nahestehenden Angehörigen verloren hatte, dann beobachten wir häufig, dass später ein Kind unbewusst versucht, dem Elternteil diese fehlende geliebte Person zu ersetzen. Das kann a) ein früh verstorbenes – oder auch abgetriebenes - Geschwister der Eltern betreffen. Aber auch b) z.B. einen sehr geliebten ältesten Bruder der Mutter, der im Krieg gestorben ist. Manchmal verstärkt sogar eine Mutter unbewusst diese Identifizierung, wenn sie dem eigenen ersten Kind den Namen dieses geliebten Bruders gibt. So als erwarte sie von ihm, dass er ihr diesen verstorbenen Bruder ersetze.
Überlegungen zur Dynamik Wahrscheinlich konnte bereits die Mutter sich nicht von diesem verstorbenen Geschwister verabschieden, und hatte es unbewusst immer noch als „Introjektion“ im eigenen Raum. Diese Introjektion hinderte sie möglicherweise daran, mit dem eigenen wahren Selbst verbunden zu sein. Sodass sie auch ihr eigenes Kind, dessen Einzigartigkeit, sein Selbst nicht wahrnehmen und dessen Entwicklung liebevoll unterstützen konnte. Diese Mutter war daher vielleicht für die eigenen Kinder nicht immer erreichbar. So als befände sie sich mehr in der Welt der Toten als der Lebenden.
Zu b). Indem die Mutter dem Sohn den Namen des verstorbenen Bruders gab, erwartet sie von ihm, für sie das zu sein, was ihr älterer Bruder heute für sie sein könnte. Das verursacht für den Sohn ein Bindungstrauma, das wirkt wie ein „Auftrag“, der seine authentische Orientierung an seinem Selbst erschwert.
Illusionärer Gewinn a) und b) Das betroffene Kind tendiert dazu, sich unbewusst mit diesem verstorbenen Geschwister des Elternteils zu identifizieren, und zu versuchen, dessen Rolle zu übernehmen.
Mutters Introjektion wird zu seiner eigenen Introjektion. Dadurch kann er eine besondere Nähe zu der Mutter spüren - aber nicht als Kind, sondern als Mutters fehlendes Geschwister.
Folgeprobleme Genau diese besondere Nähe zur Mutter, identifiziert mir deren verstorbenem Geschwister, hindert ihn daran, mit seinem wahren Selbst verbunden sein, das seinen Platz im Hier und Heute findet. Es fällt ihm schwer, zu den Geschwistern und den Altersgenossen einen Kontakt „auf Augenhöhe“ zu finden. Er erlebt sich als „anders“ als die Anderen. Daher fühlt er sich den Geschwistern, aber auch seinen Kameraden gegenüber nicht zugehörig oder vielleicht sogar überlegen. Das könnte erklären, warum manche Betroffenen soziale Kontakte auf Augenhöhe vernachlässigen, und immer mehr in Vereinsamung und Leid geraten – aus einer unbewussten „Loyalität“ mit Mutter´s verstorbenem Geschwister, dem ja ebenfalls ein Leben mit Glück und Erfolg verwehrt war. Oder die Betroffenen versuchen als Erwachsene dadurch Anerkennung zu finden – vor sich selber und vor anderen – dass sie sich ungefragt für die Probleme anderer zuständig fühlen. Oder sie entwickeln und perfektionieren besondere Fähigkeiten: sie werden zu angesehenen Experten. Auch wenn ihre persönlichen Beziehungen belastet sind, können sie damit soziale Anerkennung erlangen, und bisweilen sogar für die Allgemeinheit nützlich sein.
Lösung durch Aufstellung und Dialog mit der identifizierten Person
Der Klient überprüft diese Introjektion, indem er das Symbol für das verstorbene Geschwister des Elternteils an sein Herz nimmt, und spürt nach, ob in seinem Körpergedächtnis eine solche verschmelzende Verbindung gespeichert ist. Wenn das zutrifft, dann kann ihm bewusst werden, 1. dass dieser Angehörige solange seine Ruhe nicht finden kann, solange er noch „hautnah“ verbunden ist mit dem Klienten und dessen Leid. 2. dass diese Introjektion seine eigene Selbstverbindung blockiert hat, so dass auch er nicht in ein unbeschwertes Leben kommen konnte, weil auch er „hautnah“ verbunden ist mit dem Leid des Familienmitglieds, das im Leben kein Glück und Erfolg haben konnte.
Würdigung und Abschied Diese Einsicht macht es ihm leichter, sich von diesem Familienmitglied zu verabschieden: „Du bist einzigartig und unersetzbar!“ „Auch ich kann dich nicht ersetzen!“ Bei einem vergessenen früh verlorenem Geschwister kann der Satz erleichternd sein: „Auch wenn die ganze Familie dich vergessen hat - es ist nicht meine Aufgabe, die Erinnerung an dich wachzuhalten!“ und ihn „loszulassen“, damit auch er seinen Frieden finden kann. Wenn er danach seinen Finger auf das Symbol des verstorbenen Familienmitglieds legt, kann er spüren, dass dieses sich freut, nicht vergessen worden zu sein. Aber dass es auf keinen Fall wünscht, dass jemand anderer seinetwegen leidet! Und er kann spüren, was dieses Familienmitglied ihm zum Abschied einen Wunsch mit auf den Weg gibt: Lebe dein eigenes Leben! Und ihm kann bewusst werden, dass er bisher dies Familienmitglied mit seinem eigenen Selbst verwechselt hat. Wenn er erkennt, dass er vollständig ist auch ohne dies Familienmitglied, dann ist der Weg frei zu seinem eigenen wahren Selbst, das er bisher noch gar nicht kennen lernen konnte: neu unbekannt – unberechenbar wie das Leben halt so ist!
II.4. Abschied vom Kind bei Abtreibungstrauma Auch dieses Thema, das Betroffene und ihre Familien meist sehr stark – aber eigentlich völlig unnötig – belasten kann, gehört für mich in diese Reihe von INTROJEKTIONEN.
Entstehung Ich bezeichne Abtreibung als Trauma, weil es für jede Frau ein traumatisches Ereignis ist, sich gegen ein eigenes Kind zu entscheiden. Nach meiner Überzeugung jedoch hat eine Frau das Recht zu dieser Entscheidung. Denn für ihre eigene Lebensplanung kann das Austragen und die Geburt eines Kindes erhebliche Auswirkungen haben – viel mehr als für den Mann. Besonders wenn sie noch jung ist, selber keine Ausbildung hat, und die Beziehung zum Vater unsicher, unerwünscht oder bereits beendet ist. Also muss sie einen heftigen inneren Konflikt bewältigen: zwischen der natürlichen Liebe einer Mutter zu einem eigenen – vielleicht dem ersten? - Kind und ihrem Wunsch nach einem Selbst-bestimmten Leben. Dieser Konflikt der Frau wird jedoch noch unnötig dadurch verschärft, dass ihr bisweilen in unserer - immer noch patriarchal - orientierten Gesellschaft das Recht auf Abtreibung abgesprochen wird, und ihr zusätzlich Schuldgefühle gemacht werden („Kindsmord“).
Illusionärer Gewinn Beim Abtreibungstrauma liegt der illusionäre Gewinn – wenn man diesen Begriff in dem Zusammenhang überhaupt verwenden möchte - mit Sicherheit nicht bei der Frau, sondern bei den fundamentalistischen Fanatikern unterschiedlicher Anhänger eines patriarchalen Gottesglaubens, die sich berechtigt fühlen, ihre angemaßte Macht dazu zu missbrauchen, um Andersdenkende zu manipulieren durch Schuldzuweisungen.
Folgeprobleme für die Betroffenen und ihre Kinder Wie bereits erwähnt kann Abtreibung für die Betroffene zu einem Selbstwert-Trauma führen, bedingt durch Schuldzuweisungen sowohl seitens der eigenen Familienangehörigen als auch einer patriarchalen Gesellschaft. Unter diesen Umständen ist es für eine Frau fast unmöglich, dieses abgetriebene Kind zu begrüssen, um es dann mit Würde verabschieden zu können. So wird dies ungelöste Trauma gespeichert als Trauma-Introjektion, zusammen mit dem Kind und dessen – als Drama bewerteten – Schicksals. Um dies komplexe Trauma zu bewältigen, entwickeln die Betroffene Anpassungsreflexe, die ihr Selbstbild und ihr Verhalten bestimmen, ein Leben lang. Und bisweilen wird die liebevolle Zuwendung dieser Mutter zu ihren späteren Kindern beeinträchtigt durch diese „Introjektion“, so als würde sie durch diese Liebe ihr abgetriebenes Kind „verraten“ - das ja diese Liebe nie erleben konnte. In einer solchen Situation spürt ein Kind genau, „wenn Mutters Herz mehr bei dem abgetriebenen Kind ist als bei dem lebenden.“ Dann kann es die Illusion entwickeln, ebenfalls Mutter´s Herz näher zu kommen, wenn es diesem abgetriebenen Kind ähnlich wird, zum Beispiel durch einen „Glaubenssatz“: „ich habe kein Recht, zu existieren und glücklich zu sein“. Dadurch übernimmt das Kind Mutters Introjektion. Eine sensible Mutter spürt, wie ihr lebendes Kind dadurch belastet wird, und wenn sie sich dann auch dafür noch schuldig fühlt, dann verstärkt sie dadurch die Verwirrung bei ihrem lebenden Kind. Das könnte versucht sein – um die Mutter zu „entlasten“ – deren Entscheidung zu rechtfertigen, so als sei es dazu befugt. Es wird unbewusst zur „Komplizin“ der Mutter. Mit der Folge, dass nun SIE auch Mutters Schuldgefühle übernimmt - aus „Loyalität“ mit der Mutter. Ein sich selbst verstärkender Teufelskreis. So kann ein Abtreibungstrauma belastend und verwirrend auf die nächste Generation wirken, und deren Lebendigkeit und Vitalität schon früh blockieren.
Lösung durch eine Aufstellung Bereits das Aufstellungsbild macht der Klientin sichtbar und bewusst: das abgetriebene Kind und ihre Schuldgefühle verhinderten bisher die Verbindung mit ihrem „souveränen, unschuldigen Selbst“. Wenn sie dann erkennt, dass dies unbewusste Festhalten ihres ja lange gestorbenen Kindes bisher eine „lose-lose-Situation“ erzeugt hatte – beide konnten durch die Anhaftung am Leid des anderen keinen Frieden finden – dann ist sie bereit, das in eine „win-win-Situation“ für beide zu verwandeln, indem sie das Kind endlich los lässt!
Dialog und Würdigung Zu ihrer Verblüffung erfährt sie nun vom Leiter: Wenn Sie ihr Kind mit Würde verabschieden wollen, müssen sie es davor begrüßen! Und in einem Dialog mit diesem Kind – und durch das Spüren mit dem Finger beim Symbol des kleinen Wesens (abgetriebenes Kind) – vollzieht sich der Lösungsprozess. „Ich achte es, dass du damals zu mir kommen wolltest! Ich hatte damals keinen Platz für dich und habe mich gegen dich entschieden!“ Auch wenn eine junge Frau zur Abtreibung gezwungen wurde, ist es wichtig, dass sie heute dazu steht! „Und ich stehe heute dazu!! Aber das hatte nichts mit dir zu tun!“ Diese Würdigung tut dem kleinen Wesen gut. Es hat keinen Vorwurf gegen die Mutter! „Ich konnte dich bisher nicht loslassen, weil ich dich damals weder begrüßen noch verabschieden konnte!“ Und wenn die Klientin bereit ist, diese Begrüßung jetzt nachzuholen, dann kann sie das Symbol für dies kleine Wesen an ihr Herz drücken. So kann sie ihm heute DIE Liebe zeigen, die sie ihm damals nicht zu zeigen wagte – vielleicht in der Illusion, DADURCH ihren Schmerz noch zu vergrößern!? An dieser Stelle wird es meist sehr emotional. Die Klientin spürt intensiven Schmerz, aber auch die große Liebe, die sie zu ihrem (ersten?) Kind gehabt hätte. Diese Liebe konnte damals nicht fließen, so kam es zu einem STAU! Das blockierte auch später das Fließen dieser Liebe?! Als Arzt kommt mir dazu das Bild: Ist das vielleicht eine Parallele zu einem Milchstau? Das kann dann zur Brust-Entzündung führen? Hier hat es vielleicht den Fluss der Liebe blockiert? Die Klientin ist nach diesem Gefühlsausbruch gestärkt – und auch das kleine Wesen hat endlich das bekommen, was ihm bisher fehlte, um sich verabschieden zu können! Ungehindert durch Schuldgefühle kann die Mutter jetzt das kleine Wesen verabschieden: „wo auch immer du bist - ich wünsche dir alles Gute!“ Wieder kann sie mit dem Finger bei dem kleinen Wesen spüren: das hat ihm gut getan. Und seinerseits hat es auch für die Mutter einen Wunsch zum Abschied: „Sei fröhlich und unbeschwert! Und gib jedem meiner lebenden Geschwister einen lieben Kuss von mir!“ Das Loslassen kann die Klientin jetzt vollziehen, indem sie das kleine Wesen in ihrem Raum „ins Licht“ stellt - ans Fenster oder neben eine Kerze. (Aber nicht vergessen, nach der Aufstellung dies Symbol wieder zurück in die Klötzchen-Kiste – damit da nicht unversehens ein weiterer „Andachtsplatz“ entsteht, der dieses Kind weiter festhält!) Wie oben bereits erwähnt, können spätere Kinder dazu neigen, sich mit so einem abgetriebenen Kind zu identifizieren, wenn die Mutter es nicht loslassen konnte. Kinder – besonders die sensiblen – spüren fast immer, dass es da ein verheimlichtes abgetriebenes Kind gab, und neigen dann dazu, sich mit Mutters Trauma und diesem Kind zu identifizieren - Übernahme von Mutters Trauma-Introjektion. Für sie ist es daher sehr entlastend, wenn die Mutter ihnen – ohne Schuldgefühle!!! - mitteilen kann: da gab es noch ein kleines Wesen, das zu uns kommen wollte und das zu uns gehört. Aber es hat damals keinen Platz bei uns gefunden. Es hat schon lange anderswo seinen Platz gefunden, wo es ihm gut geht. Und es freut sich über euch und wünscht dass es auch euch gut geht!“
_________________________________________________________ Anmerkung 1 EL, Persönliche Bemerkung : ich selber spüre – und das merken vielleicht auch Sie, lieber Leser – dass diese Variationen zu INTROJEKTION mich jedesmal sehr tief berühren – mag sein, dass da etwas Eigenes in Resonanz geht. Dem verdanke ich wahrscheinlich die Intuition, um diese Zusammenhänge erspüren und erklären zu können!)
Anmerkung 2 zum Thema Abtreibung Als ich vor 25 Jahren an einer Supervision bei Hellinger teilnahm, brachte eine teilnehmende Therapeutin genau dieses Anliegen einer eigenen Klientin, die suizidal war. Als Hellingers Intervention (zur Mutter: sag zu dem abgetriebenen Kind „ich habe dich nicht gewollt!“) zu keiner Lösung führte, und H darauf reagierte: „Diese Frau ist nicht zu retten!“, wagte ich damals, meine hier vorgestellte Lösungsstrategie mitzuteilen. Dafür wurde ich von H vor allen anderen Teilnehmern abgewertet. Und keiner der Kollegen widersprach! Das war für mich ein Abwertungstrauma, und der Anlass mich von Hellinger und den Kollegen – die mich damals im Stich gelassen hatten - zu trennen. Aber nur so konnte ich meine eigenen Konzepte entwickeln! Daher bin ich H heute dafür dankbar. Und zugleich ist dies ein Beispiel für „posttraumatisches Wachstum!“ Denn das gibt es natürlich auch – auch wenn manche Klienten – und Therapeuten das vernachlässigen.
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II.2. Abschied von einem vorgeburtlich verlorenen Zwilling Dies Thema betrifft ca. 40 % der Bevölkerung, ist den meisten Betroffenen jedoch unbekannt- und leider auch den meisten Therapeuten. Obwohl es sich sehr gravierend auf das eigene Leben, Beruf und Partnerwahl auswirken kann.
Entstehung Unsere Beobachtungen lassen uns annehmen: Wenn ein Klient zu Beginn der Schwangerschaft sich nicht alleine, sondern zusammen mit einem Zwillings-Embryo in Mutters Bauch befindet, dann speichert sein – bereits so früh aktives! - Körperbewusstsein das ab, so als sei er vollständig nur mit einem Zwilling. Wenn dann in der Regel zwischen der 8.-12. Woche sich der Zwilling verabschiedet – nur in 2 % kommen beide Zwillinge lebend auf die Welt! - dann wird auch das abgespeichert als Trennung und Verlust – so als sei man alleine unvollständig.
Illusionärer Gewinn Der Betroffene hat den Zwilling als Introjekt in seinem Raum. Da er nicht sicher unterscheiden kann zwischen seiner Welt im Leben – und der Welt des verstorbenen Zwillings – bewegt er sich unbewusst bisweilen in „anderen Welten“, um so mehr wenn der reale Alltag in seiner Familie eher triste und unerfreulich war. Dann erscheint der Platz bei dem verstorbenen Zwilling als sicherer Fluchtpunkt. Ohne sicher Wahrnehmung für die Grenzen – auch zwischen diesen Welten – entwickeln die Betroffenen oft eine besondere Sensitivität, bisweilen gar mediale Fähigkeiten. Das führt sie oft in helfende und heilende Berufe – wo ihnen aber dann die fehlende Abgrenzung zum Klienten und dessen Problemen grosse Schwierigkeiten bescheren kann.
Folgeprobleme für die Betroffenen Die Betroffenen haben in der Regel massive Beziehungsprobleme. Da sie unbewusst fixiert sind auf die Suche nach einem Ersatz für den verlorenen Zwilling, können sie ihr eigenes Selbst nicht wahrnehmen oder gar achten. Ihre Sehnsucht nach einer verschmelzende Beziehung – um sich wie damals vollständig zu fühlen – führt sie immer wieder in symbiotische Beziehungen mit ebenfalls traumatisierten Partnern. Ein weiteres Folgeproblem ist ihre Verlustangst, die durch jede neue Beziehung getriggert wird, und nicht selten zur Beendigung der Beziehung führt. So wiederholen sie – unbewusst – das Verlusttrauma von damals. Ohne gesunde Abgrenzung fühlen sie sich – ungebeten – zuständig für Probleme anderer – und halten das irrtümlich für „Liebe“. Das bezieht sich zunächst auf die Eltern, und Geschwister, und später auf den Partner oder die eigenen Kinder. Sie neigen dazu, fremde Traumen zu übernehmen, und in eine derartige Selbstüberforderung und Verwirrung zu geraten, dass sie bisweilen sogar psychiatrische Hilfe benötigen. So versäumen sie selber das Glück eines selbstbestimmten Lebens. Und den anderen erschweren sie unbewusst die Entwicklung einer eigenen Autonomie. Und das alles unter der Vorstellung einer wahren, (buchstäblich!) selbstlosen Liebe!
Lösungsprozess – Dialog mit verlorenem Zwilling Auch wenn die erwähnten „Indizien“ für ein Verlusttrauma „verlorener Zwilling“ sprechen, habe ich mir angewöhnt, das zunächst als Vermutung zu bearbeiten, die dann durch den Lösungsprozess bestätigt wird – oder fallen gelassen werden kann.
Zunächst hält der Klient das Symbol des verlorenen Zwillings an seine Brust und spürt nach, ob eine derartige Verbindung im Körpergedächtnis gespeichert ist. Es ist immer wieder erstaunlich, wie heftig die Reaktionen bei diesem „Test“ sind: sie schwanken zwischen Glück, Wärme und Liebe einerseits – und Schmerz und Trauer andrerseits. Beides spricht dafür, dass der Klient sich – trotz der frühen Trennung – noch verbunden fühlt mit diesem Zwilling – so als seien sie beide nur vollständig, wenn sie zusammen sind! Wie ist es da überhaupt möglich, Abschied und Trennung zu vollziehen? Auch hier ist zunächst das Aufstellungs-Setting für die Lösung hilfreich. Wenn der Klient erkennt, dass diese Zwillingsbindung seine Selbstverbindung blockiert – und damit seine diversen Probleme verursacht hat, dann fällt es ihm - zumindest rational – leichter sich zu verabschieden. Wenn er sich weiter bewusst wird, dass er offenbar unbewusst den Zwilling „festgehalten“ hat, sodass dieser seinen Frieden nicht finden konnte, weil immer noch hautnah mit ihm und seinem Leid verbunden. Und wenn er sich weiter bewusst macht dass auch er nicht in ein unbeschwertes Leben finden konnte, da unbewusst noch verbunden mit diesem Zwilling, der keinen Platz in der Familie und im Leben finden konnte - (Dieser Aspekt „immer auf der Suche, meinen Platz nicht finden“ ist vielen Betrofffenen bekannt!)
- dann kann er sich heute dazu entscheiden, diese „lose-lose-Situation“ zu verwandeln in eine „Win-Win-Situation“, indem er sich von ihm verabschiedet, für immer.
Würdigung Auch hier gelingt der Abschied leichter, wenn zunächst das Wertvolle gewürdigt wird: „Ich achte es, dass du mich die ersten Schritte in mein Leben begleitet hast, sodass ich schon so früh eine beglückende Zweierbeziehung erleben konnte. Jetzt sehe ich, das wir beide, jeder für sich, vollständig ist. Daher muss ich dich nicht länger festhalten!“ Der Klient spürt bei sich – und mit einem Finger beim Zwillings-Symbol, wie sich das anfühlt? - Meistens für beide vielleicht schmerzlich aber auch entlastend.
Schuldgefühle….oder Wut? Nicht selten fühlen sich die Betroffenen schuldig für das Schicksal des Zwillings, • so als hätten sie zuviel Raum eingenommen und dadurch den Zwilling „aus dem Nest gestossen“? • So als hätten sie irgendwie dies Schicksal verhindern könne und sollen? • So als wären sie besser zusammen mit dem Zwilling in den Tod gegangen, um nicht getrennt zu werden?? • wenn Klientin gespürt hatte, dass der Zwilling ein Junge war - den die Eltern sich vielleicht so sehnlich erwünscht hatten – dann kann das sich auswirken in Form von Glaubenssätzen wie: Besser wäre ich gestorben als er! Ich habe - als Mädchen-kein Recht, zu leben und glücklich zu sein!
(Es mag verwundern, dass schon vorgeburtlich und vorsprachlich solche Vorstellungen entstehen können. Aber die Resonanz der Klienten bestätigt das immer wieder.) Wenn sie dann zum Zwilling hinspüren, wie das für diesen wäre, wenn der überlebende Zwilling solche Gedanken hätte, dann kommt meist ein entlastendes Strahlen in ihr Gesicht „Der findet das völlig unpassend und verrückt – es war doch sein Schicksal!“ Mein Kommentar: „Das bezeichnen wir als „embryonalen Grössenwahn“ – anscheinend wollten Sie schon als Embryo den anderen retten?!“
Selten beobachte ich eine heftige Wut des Klienten auf den Zwilling, der ihn alleingelassen hat in einer – möglicherweise – so belastenden Familie! Das Aussprechen dieses Vorwurfs und das Nachspüren beim Zwilling zeigt: das hat auch ihm leid getan, es war keine böse Absicht, er konnte nicht anders! Dieses selber spüren zu können ist für den Klienten in der Regel sehr entlastend und versöhnlich.
..und Abschied Nachdem der Klient diese unterschiedlichen und verwirrenden Gefühle klären konnte, ist er bereit, sich von dem verlorenen Zwilling zu verabschieden. „Wo auch immer du bist, ich wünsche dir alles Gute!“ Wenn er danach seinen Finger auf das Symbol des Zwillings legt, kann er spüren, wie erleichter der dadurch ist! Und er kann spüren, was der Zwilling ihm zum Abschied mit auf den Weg gibt: Lebe dein eigenes Leben! Und ihm kann bewusst werden, dass er bisher den Zwilling mit seinem eigenen Selbst verwechselt hat. Wenn er erkennt, dass er vollständig ist auch ohne den Zwilling, dann ist der Weg frei zu seinem eigenen wahren Selbst, das er bisher noch gar nicht kennen lernen konnte: neu unbekannt – und daher sehr prickelnd!
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Angesichts des aktuellen Leids auf der ganzen Welt könnten manche sich fragen: darf es mir da gut gehen? Darf ich da glücklich sein?
Das Glück der Selbstverbindung Jeden Tag habe ich ein bis zwei Online-Sitzungen mit Menschen, die ich noch nie gesehen habe. Menschen, die zum Teil extrem Schweres erlebt und überlebt haben und noch heute darunter leiden. Mit dem Konzept der Selbst-integrierenden Trauma-Auflösung gelingt es den meisten, nicht selten bereits in den 2 Stunden der ersten Sitzung, ihr Trauma zu symbolisieren, und ihre gespeicherten Anpassungs-Strategien von damals zu „rekonstruieren“. Ein Gemisch widersprüchlicher Einstellungen: Selbstverleugnung und Selbst-Überforderung, grandiose Selbstüberschätzung und erbarmungslose Selbstverurteilung führten bisher zu innerem Stress und Erschöpfung. Sie erkennen: Heute noch bestimmen diese Strategien ihr Erleben und Verhalten, ja sogar die Wahl eines Partners – ohne dass sie selber das verändern können. Wenn sie sich bewusst werden, dass nur durch diese Strategien ihr Überleben damals als Kind möglich war, dann können sie sich heute mit Respekt von diesen Strategien verabschieden, für immer! – ohne sich selber dafür abwerten zu müssen. Dadurch wird ein „innerer Raum“ frei, in dem sie die Verbindung mit ihrem unverlierbarem „gesunden“ Wesenskern, ihrem „wahren Selbst“ erleben können. Die meisten haben das Glück dieser Verbindung schon einmal spontan erlebt: in der Natur, im Ausland, bei einer schöpferischen Tätigkeit (Kunst, Tanz o.ä.). Das Glück der Selbst-Verbindung ist körperlich spürbar: Innere Ruhe und Frieden, Wärme, Freude bis zum Übermut, innere Würde und Kraft, und eine tiefe Zufriedenheit. Bemerkenswert: gerade die Menschen, die sich schwach und erschöpft fühlen, weil sie so Schweres glaubten ertragen zu müssen, erleben eine Überraschung. Ihre Kraft, die solange gebunden war im Tragen des Unerträglichen, wird durch den Klärungsprozess endlich frei. Diese Erfahrung, anderen bei ihrer Transformation von Leid in Glück begleiten zu können, macht auch mich glücklich.
BRAUCHT ES MUT, UM GLÜCKLICH ZU SEIN? Wir erleben täglich im Aufstellungsprozess mit traumatisierten Klienten, dass es sich für sie VERBOTEN UND WIE VERRAT anfühlt, selber glücklich zu sein, wenn es einer geliebten Person, oder dem traumatisierten Familienkollektiv schlecht ging, vielleicht über Generationen! Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen. Ein 16-jähriger Junge, dessen Vater sich von der Mutter getrennt hatte, da sie so depressiv war und unter Kopfschmerzen litt, bekam selber Kopfschmerzen. Er sagte zu seinem Vater: „das ist doch gut für die Mama, wenn sie jetzt mit ihren Kopfschmerze nicht mehr so alleine ist!“ Eine junge Frau, deren geliebte Grossmutter auf der Flucht sexuelle Gewalt erlebt hatte, hat selber eine Missbrauchserfahrung. Dadurch fühlt sie sich dieser Grossmutter noch mehr verbunden als zuvor. Nüchtern betrachtet, scheint da die illusion zu wirken, dass Zugehörigkeit zu einer traumatisierten Person nur möglich ist – oder verstärkt wird - durch LEID: durch Übernehmen fremden Leids, durch Teilen des Leids oder indem man eigenes Leid "kreiert", aus "Loyalität" mit den belasteten Famlienmitgliedern. Dieses bizarre Phänomen kann man bezeichnen als TRAUMABINDUNG. Systemisch betrachtet könnte man diese Traumabindung vverstehen als KOMPENSATIONSVERSUCH: wenn eine Beziehung durch gegenseitige absichtslose, - „wahre“ - Liebe nicht möglich ist. Denn, wie die Beispiele zeigen, diese Traumabindung wird von den Betroffenen irrtümlich für LIEBE gehalten. Welch schreckliche Verwirrung! Diese „Liebe“ ist keine Liebe! Denn sie hält die Betroffenen fest, im Leid. Ganz anders die absichtslose, "wahre" Liebe: Sie lässt den Anderen frei, seinen eigenen Weg zu gehen. die Erfahrung einer solchen absichtslosen Liebe ist beglückend, und öffnet das Herz für die eigene absichtslose Liebe, sodass eine starke gegenseitige Anziehung entstehen kann. Diese gegenseitige Anziehung durch absichtslose Liebe schafft auch eine "Bindung"! Aber wie verschieden ist sie von der Bindung durch Trauma! Wie verwirrt ist unser - traumatisiertes! - Kollektiv, wenn wir die Begriffe "Bindung" und "Liebe" für so entgegengesetzte Phänomene verwenden! Diese Verwirrung ist ein Aspekt des verbreiteten Symbiosemusters Da wird fehlende gesunde Abgrenzung als „Liebe“ missverstanden. Andrerseits wie heilsam und klärend („entwirrend“) ist es, wenn wir lernen, da genauer zu unterscheiden! Auch wenn sich das für unser (verwirrtes) Gefühl VERBOTEN anfühlt! Daher stimmt der Satz: ES BRAUCHT MUT, GLÜCKLICH ZU SEIN, AUCH WENN DAS KOLLEKTIV VERWIRRT IST! Gerade in diesen unruhigen Zeiten kann uns diese Einsicht Kraft und Klarheit geben, um den Alltag besser zu bewältigen. Diese Überlegungen wollte ich heute mit euch teilen. Was denkt ihr dazu? Ich freue mich über eure Beiträge zu diesem Thema auf unserem Forum.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
DIE VERFÄLSCHUNG VON JESU´ BOTSCHAFT DURCH DIE KIRCHE ALS TRAUMA-BEDINGTES ÜBERLEBENSPROGRAMM UND KOLLEKTIVE TRAUMATISIERUNG DURCH EINE TOXISCHE KIRCHENDOKTRIN ?
Überlegungen eines sytemischen Trauma-Therapeuten
Einführung Die Existenz bedrohenden kollektiven Krisen der Gegenwart zwingen uns dazu, lange vertraute Überzeugungen kritisch zu hinterfragen - auch wenn der Abschied von Illusionen sehr schmerzlich ist. Als systemischer Traumatherapeut hatte ich Gelegenheit, die komplexen Mechanismen toxischer Beziehungsmuster genauer zu beobachten und zu verstehen, wie sie unbewusst das Erleben und Verhalten der Betroffenen prägen konnten. Dadurch geschult wage ich es, überkommene Machtstrukturen kritisch zu analysieren, um aufzuzeigen, wie wirkungsvoll sie durch geschickte Manipulationen ihre Macht vergrössern, auf Kosten des Gemeinwohls, und damit unsere Zukunftund die unserer Kinder gewissenlos aufs Spiel setzen.. Wenn sie, liebe ZuhörerInnen bereit sind, eigene liebgewordene Denkgewohnheiten zu hinterfragen, dann lade ich sie ein zu einer Reflexion. Wir spannen einen grossen Bogen, beginnend bei unseren Erkenntnissen zum frühen individuellen Bindungstrauma von heute, über den Menschen Jesus und seine revolutionäre Botschaft vor 2000 Jahren, über deren Veränderung durch die Amtskirche, um römische Staatsreligion werden zu können, bis zu deren noch heute traumatisierenden Doktrin. Diese Doktrin verstehen ich als Prototyp eines hierarchisch-narzisstisch geprägten Konstruktes, welches noch heute toxisch unsere Gesellschaft bestimmt. Das tiefere Verständnis dieser verwirrenden Zusammenhänge erlaubt eine bessere Orientierung.
I.Heutige Bindungstraumata I.1. Selbstwert durch die Erfahrung von Wertschätzung Als Traumatherapeut bin ich täglich konfrontiert mit den Verwirrungen meiner Klienten, die sich erklären lassen als Anpassungsreflexe an die Realität traumatisierender Eltern. Die Entwicklung eines gesunden, „intrinsisches“ Selbstwertgefühl erfordert, dass Eltern ihr Kind spüren lassen, dass es wert ist geliebt zu werden, so wie es ist. Dazu gehört, dass Eltern dessen Grenzen respektieren, und es nicht für eigene Probleme verantwortlich machen. Dann kann das Kind ein Bewusstsein entwickeln für einen eigenen Raum, Das ist dir Voraussetzung für Selbst-Verbindung und die Entwicklung von Selbst-Bestimmung: Autonomie. Eltern, die selber traumatisiert sind, und keine bedingungslose Liebe erfahren haben, können auch ihrem Kind nicht diese Zuwendung und Liebe geben. Im Gegenteil- sie erwarten oft vom Kind die Zuwendung und Anerkennung, die sie als Kind nicht bekommen haben („Parentisierung). Entweder fühlen sie sich durch die Bedürfnisse des Kindes überfordert , ziehen sich emotional zurück und machen das Kind für ihre Probleme verantwortlich, werten es ab, beschuldigen es oder stellen sein existenzrecht in Frage. Oder sie versuchen es besser zu machen als die eigene Eltern. Sie mischen sich übergriffig in die Angelegenheiten des Kindes ein und verwöhnen es, sodass es nicht lernen kann, eigenveranwortlich für sich selber zu sorgen.
I.2. „Falsches Selbst“ als Anpassung an eine traumatisierende Umgebung Unter diesen Gegebenheiten ist es für ein Kind unmöglich, ein gesundes intrinsisches Selbstwertgefühl zu entwickeln – ein verinnerlichtes „wahres Selbst“ an dem es sich orientieren kann. Da erzeugt dann ein Überlebens-Instinkt durch unbewusste Anpassungs-Reflexe ein „Überlebensprogramm“, das unbewusst im Stammhirn gespeichert wird. Es entspricht dem, was Winnicott1 „das falsche Selbst“ nannte. Es bestimmt – am Bewusstsein vorbei – das Selbstbild, das Erleben und das Verhalten – wie ein Instinkt. Daher lässt es sich nur mühsam verändern.
Diese individuellen Anpassungsreflexe sind erstaunlich stereotyp. Sie betreffen sowohl die emotional-kindliche Seite (und damit die rechte Hirn-Hemisphäre) als auch das „Alltags-Ich“ (Fokus, linke Hirn-Hemisphäre, die für das Bewusstsein zuständig ist). Aber in unterschiedlicher Weise.
I.2.1. Selbstverleugnung Ein Kind, angewiesen auf die freundliche Zuwendung seiner Bezugspersonen, lernt Reflex-mässig alles zu unterdrücken, was „nicht erwünscht“ oder sogar verboten ist. Das erklärt die massive Unterdrückung von „intrinsischem“ Selbst-Wert, von spontanen Gefühlen (Schmerz, Angst, Wut, Hass) und Bedürfnissen. Nicht selten wird auch die eigene unabhängige Wahrnehmung und die eigene Einsicht (Vernunft) als „verboten“ unterdrückt. Die Betroffenen verlieren dadurch ihren inneren Kompass, ihre „intrinsische“ Orientierung. Diese Aspekte fassen wir zusammen als „Selbst-Verleugnung“.
I.2.2. Magisch-grandiose Strategien Um dennoch die Zuwendung der Bezugspersonen zu gewinnen, lernt ein Kind „mit 1000 Antennen“ zu spüren, was die Bezugspersonen erwarten, was sie denken und fühlen, um sich besser an diese Erwartungen anpassen zu können. Das ist verbunden mit Unterordnung und vorauseilendem Autoritätsgehorsam. Wenn eine intrinsischen Orientierung nicht möglich ist, bedarf es einer extrinsischen Orientierung nach Aussen. Wenn die Betroffenen kein „intrinsisches“ Selbstwertgefühl entwickeln konnten, dann bietet ihnen dies Programm die Chance sich nützlich und wertvoll zu fühlen. Sie verlieren die Verbindung mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Damit verlassen sie den Boden der Realität und begeben sich auf „höhere Ebenen“: flüchten sich in Fantasie-Welten, oder in Parallelwelten, um das reale Elend nicht spüren zu müssen. Das ist der Boden, auf dem magisch-grandiose Helfer- und Retter-Fantasien entstehen, verbunden mit dem - heimlichen – Gefühl, den anderen überlegen zu sein. Da die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse „verboten“ ist - um für andere nützlich zu sein – kommt die gesunde Selbstfürsorge zu kurz.
I.3. Folgen dieses Überlebensprogramms I.3.1.Trauma-Bindung Ohne intrinsischen Selbstwert jedoch ist es unmöglich, wahre Liebe anzunehmen-oder zu geben. Daher ist eine Bindung durch wahre, absichtslose Liebe in diesen traumatisierten Familienkollektiven nicht möglich. An deren Stelle tritt dann eine „Bindung durch Leid“, oder Trauma-Bindung. Da gibt es mehrere Varianten: Ein eigenes Trauma – z.B. mit dem Vater - wird „festgehalten“, als wäre es ein Teil der eigenen Identität, als wäre es nur auf diese Weise möglich, mit dem Täter-Vater sich verbunden zu fühlen. Ein fremdes Trauma einer geliebten Bezugsperson wird übernommen – „verinnerlicht“ – um sich mit dieser Person verbunden zu fühlen. Das wird von den Beteiligten irrtümlich als Loyalität oder gar als „Liebe“ verstanden. Oder ein Kind „kreiert“ ein ähnliches Trauma wie die geliebte Bezugsperson, um sich ihr nahe und verbunden zu fühlen. Ein Beispiel zeigt diese bizarre Dynamik: Erlebte die liebe Oma auf der Flucht sexuelle Gewalt, dann geschieht der Enkelin ein ähnliches Trauma. Dahinter könnte die (meist) unausgesprochene Vorstellung wirken: „Jetzt bist du nicht mehr alleine mit deinem Trauma“, oder „jetzt bin ich wie du“.
I.3..2. Symbiosemuster, Depression, Verwirrung Ohne Selbstwertgefühl ist es unmöglich, dass eine Bindung durch gegenseitige Anziehung entsteht. Stattdessen sind Beziehungen geprägt durch Anpassung und gegenseitige Abhängigkeit. Die Wahrnehmung für Grenzen, eigene und fremde, ist nicht entwickelt. Übergriffiges Engagieren für die Bedürfnisse des Anderen wird als Empathie oder „Liebe“ missverstanden - und unausgesprochen vom Gegenüber als Ausgleich erwartet. Dadurch kommt es zu gegenseitigen Übergriffen. Berechtigter Ärger und Wut müssen unterdrückt werden, um die Illusion von „Harmonie“ nicht zu gefährden. Die gestaute Wut („Wutbombe“) kann jederzeit explodieren und sich destruktiv gegen unschuldige oder gegen sich selber richten.
Dies Programm ist verbunden mit Selbst-Überforderung, Erschöpfung bis zum Burnout, und Selbst-Abwertung. So entsteht Depression und Verwirrung.
I.3.3. Die narzisstische Variante Einige Betroffene verstehen es, diese Strategien so zu perfektionieren, dass sie zu Macht und Ansehen gelangen, trotz ihres traumatisch bedingten schlechten Selbstwertgefühls. Sie missbrauchen diese Macht, um sie rücksichtslos für eigene Vorteile zu nützen, auf Kosten der Allgemeinheit. Dabei verstehen sie es perfekt, sich als selbstlose Wohltäter der Allgemeinheit darzustellen. Sie entwickeln raffinierte Strategien, um sich für andere unentbehrlich zu machen, sodass diese von ihnen abhängig werden: Sie locken mit Versprechungen und wecken Bedürfnisse - und suggerieren, nur sie könnten diese Bedürfnisse befriedigen. Sie verstehen es subtil, das Vertrauen in die eigene Vernunft, in die eigenen Fähigkeiten in Frage zu stellen („Gaslighting“)- Sie schüren Ängste, um Andere zu verunsichern und so an sich zu binden. Sie können auch mit Gewalt drohen, um andere einzuschüchtern, damit sie ihnen nicht in die Quere kommen. Sie verstehen es, ihre Gegner zu verunglimpfen, lächerlich zu machen, zu Unrecht zu beschuldigen und scheuen dabei weder Verdrehungen noch Lügen. Wenn der andere sich wehren möchte, stellen sie sich als Opfer dar, das Empathie braucht. Gerade erleben wir es täglich, wie ein „Prachtexemplar“ dieser Variante gute Chancen hat, Präsident des mächtigsten demokratischen (!) Landes zu werden. So können wir die Wirksamkeit dieser toxischen Strategien beobachten und immer genauer erkennen.
II. Die Botschaft Jesu Jesu Leben und seine Lehre wird überliefert durch Schriften seiner Anhänger - die jedoch erst nach seinem Tod entstanden sind. Für seine Anhänger, die an das kommende Gottesreich glaubten, war es schockierend, dass er als Aufrührer von der römischen Besatzungsmacht zum Foltertod am Kreuz verurteilt wurde. Und auch sie wurden nun verfolgt als Anhänger eines verurteilten Aufrührers. Diese prekäre Lage beeinflusste natürlich die Darstellung vom Leben und Wirken des Menschen Jesus.
II.1. Zentrale Aspekte der Haltung und Botschaft Jesu Jesus war Mensch und er war ein Mann. Er hatte auch weibliche Schülerinnen, unter ihnen Maria Magdalena, von der es heisst, dass er sie liebte. Es gibt sogar ein Evangelium der Maria Magdalena. (Dass dieses später von der Amtskirche nicht anerkannt wurde und darüber hinaus Maria Magdalena als Prostituierte bezeichnet wurde, ist als Folge einer frauenfeindlichen Zensur durch eine nun patriarchale Kirche zu verstehen.) Jesus ging zu den Armen und Ausgestossenen, zu den sozial Verfemten um ihnen seine Botschaft zu bringen: „ihr seit Gottes Kinder! Was auch immer ihr getan habt, was auch immer andere von euch denken, Gott liebt euch!“ Ist das nicht so etwas wie eine „Erbwürde“? Eine grössere Würde kann man einem Menschen nicht zusprechen!
II.2. Das aramäische Vaterunser Hören wir seine Botschaft in dem Gebet, das er seine Schüler lehrte, und zwar in der von ihm gesprochenen Fassung. Hier der aramäische Originaltext seines „Vaterunser“: Mutter-Vater alles Geschaffenen. Dein Name tönt heilig durch Zeiten und Raum Dein göttliches Eins-Sein (er)schaffe in Liebe und Licht - ewig und jetzt Laß Deinen Willen durch meinen geschehen - wie im Geist, so in allem Geformten Gib uns Nahrung täglich - wie dem Körper, so der Seele Löse die Banden meiner Fehler - wie ich sie anderen löse. Laß mich nicht verloren gehen an Oberflächliches und Materielles Befreie mich von Unreife und von allem, was mich festhält und was ich festhalte. Denn Dein ist die Kraft und der Gesang des Universums - jetzt und hier und in Ewigkeit. Amen. 2
Der Inhalt unterscheidet sich wesentlich von dem uns vertrauten Text. Er orientiert sich nicht an der Vorstellung eines männlichen Schöpfergottes, der getrennt von seiner Schöpfung auf einer höheren allmächtigen Ebene existiert (Im Himmel). Durch diese Worte kommen wir in Verbindung mit dem Göttlich-Schöpferischen in uns selber. Gott und die Natur sind in Wahrheit eins.3 Gott und das Göttliche sind gar nicht getrennt von uns! In unserem Konzept der SSI verstehen wir das „wahre Selbst“ als unser Bewusstsein, dass uns die Erde, die Natur hervorgebracht hat, und trägt und nährt, bedingungslos. Dies Wissen gibt uns eine Würde, unabhängig von Leid oder Schuld der Eltern, unahängig auch von Leistung oder der Anerkennung durch Andere. In diesem Selbst-Bewusstsein wagte es Jesus, sich gegen die Mächtigen zu stellen, gegen die Hohenpriester, die ihre Macht missbrauchten, um im Namen der römischen Besatzungsmacht von der verarmten Bevölkerung den Zins einzutreiben. Und er vertrieb die Händler aus dem Tempel. Das war der Grund, warum die Menschen ihm und seiner Lehre folgten.
Und das war auch der Grund, warum die römische Besatzungsmacht ihn zum Foltertod am Kreuz verurteilte, und seine Anhänger über 300 Jahre verfolgte. Sein Tod am Kreuz zeigt, dass es damals – wie auch heute – lebensgefährlich sein kann, sich dem Machtmissbrauch der Mächtigen zu widersetzen. Umso wichtiger scheint es mir, die Würde dieser Haltung anzuerkennen. Sie ist heute notwendiger denn jemals.
III. Die Amtskirche und ihre Version von Jesus und seiner Botschaft. Ist es nicht geradezu ungeheuerlich, wie die kirchliche Doktrin die Lebensgeschichte Jesu völlig umdeutete, ja geradezu ins Gegenteil verkehrte? Aus Jesus, dem Revolutionär aus Liebe zu den Menschen wurde das willenlose Opferlamm Gottes. Aus dem demütigenden Foltertod am Kreuz für einen Aufrührer wurde eine Heilstat Gottes: der Gottes-Sohn musste am Kreuz sterben, um durch dieses Opfer die Sünden der Menschheit zu tilgen. Dazu wurde der Sündenfall aus der Schöpfungsgeschichte ausgegraben, um den Menschen eine Erb-Sünde zusprechen zu können - statt der von Jesus verkündeten Erb-Würde. Diese „Kreuzestheologie“ wirkt auf Unbefangene geradezu makaber. Umso erstaunlicher erscheint mir, dass sie weitgehend widerspruchslos akzeptiert wurde. Es gibt innerhalb der Theologen dazu nur wenige kritische Stimmen.4
III.1. Die kirchliche Doktrin als Traumabedingte Anpassungreaktion an die römische Macht? Angesichts der Christen-Verfolgungen jedoch ist diese „Umdeutung“ als Überlebensstrategie bei existentieller Bedrohung sehr verständlich. Die seitens der römischen Macht unerwünschte „aufrührerische“ Seite Jesu wurde unterdrückt, verschwiegen und geriet in den Hintergrund. Die Rolle der römischen Besatzungsmacht, der „Täter“ die Jesu Foltertod angeordnet hatte, wurde relativiert, ja geradezu gerechtfertigt, als unentbehrlich für den „göttlichen Heilsplan.“ Aus Sicht des Traumatherapeuten wäre das eine frühe Variante des „Stockholm-Syndroms“! Erst durch diese Verfälschung wurde die Doktrin der Kirche kompatibel mit der römischen Macht. Wahrscheinlich war es Paulus, der, theologisch geschult, die geschichtliche Wahrheit verfälschte. Dadurch wurde nicht nur das Dilemma gelöst, sondern die Kirche wurde „römisch“: So konnte sie 300 Jahre später zur römischen Staatsreligion werden! Das war genial! Das war spektakulär! Geradezu „jesuitisch“! Aber um welchen Preis!
Die Person und die Botschaft des Menschen Jesus wurden verfälscht, geradezu ins Gegenteil verdreht. Dieser „Christus“ der Kirche wehrt sich nicht gegen die Anmassungen der Mächtigen. Er wird zum wehrlosen, duldsamen „Opferlamm“. Und das schmähliche Ende des Menschen Jesus, seine Verurteilung als Aufrührer zum Tod am Kreuz wird umgedeutet zu einer Heils-Tat Gottes, der seinen einzigen Sohn opferte, um die Sünden der Menschheit zu tilgen. Man könnte das überspitzt so beschreiben: nachdem der Mensch Jesus von der römischen Besatzung am Kreuz ermordet wurde, war es die Kirche selber, die nun auch seine Botschaft vernichtete. Eine Kirche, die sich auf Christus beruft. Aus Trauma-dynamischer Sicht beobachten wir hier eine eigenartige Spaltung, wie wir sie auch beim individuellen Überlebensprogramm finden: einerseits Verleugnung des wahren Jesus, der es wagte sich gegen Unrecht zu wehren. Andrerseits die „magisch-grandiose Überhöhung“ eines „auferstandenen“ Christus, der sich nun auf einer höheren Ebene befindet als Gott, der an der Seite des allmächtigen Vatergottes die Welt regiert.
III.2. Die Verfälschung der Lehre Jesu als narzisstisch-patriarchale Doktrin
Erbsünde-statt Erbwürde Jesu zentrale Botschaft: „ihr seit Gottes geliebte Kinder“ wurde ins Gegenteil verkehrt: Ihr seit von Geburt an schuldig. Statt der beglückenden Botschaft Jesu: „Ihr seit Gottes Kinder!“ entstand so die angeblich „frohe Botschaft“ (eu-angelium) der Kirche: Der allmächtige Schöpfergott hat seinen eingeborenen Sohn geopfert, für euch, um eure Sünden zu tilgen!“
Warum spüren so wenige Menschen, wie unfroh eigentlich diese Botschaft ist? Wirkt da schon ein Verbot, die eigene Vernunft zu benutzen? Für diese „christliche Tugend“ gibt es sogar eine theologische Bezeichnung: „sacrificium intellectus“: das Opfer des eigenen Verstandes.
Unfroh und belastend ist diese Botschaft, weil sie • die Würde der Menschen beschädigt, da sie • Schuldgefühle erzeugt, und Menschen dazu bringt, • sich in vorauseilendem Gehorsam zu unterwerfen, und • sich für „höhere Ziele“ in den Dienst nehmen zu lassen! Der Begründer des Jesuitenordens – der „Gesellschaft Jesu“ - Ignatius von Loyola, formulierte für seine Ordensbrüder das als christliche Tugend des Gehorsams: „come un corpo muerto“. Wie ein lebloser, willenloser Körper sich dem göttlichen Willen zu unterwerfen.
Narzisstischer Machtmissbrauch Durch diese Botschaft der Erbsünde erzeugte die Kirche ein Bedürfnis nach Erlösung. Nur sie, die Kirche verfügte über die dazu erforderlichen „Gnadenmittel“: die Sakramente. Hier begegnen wir – zum ersten Mal? - einer narzisstischen Strategie: Bedürfnisse zu erzeugen, für die man selber das Monopol beansprucht. Diese Strategie verwendete auch das kapitalistische Wirtschaftssystem bis heute - mit unheimlichem Erfolg.
Das Sakrament des Abendmahls Dies Ritual eines gemeinsamen Mahls der Gemeinde soll an die Erlösung durch den Opfertod Christi erinnern. Verstärkt wird das durch die magische Vorstellung, dass sich durch das Ritual der Wandlung Brot und Wein in Fleisch und Blut des Geopferten verwandeln. Das gemeinsame Einverleiben von Fleisch und Blut Christi schafft eine Verbindung mit dem geopferten Christus. Das wird noch bekräftigt durch die Aussage, dass Christus „an unserer Stelle“ gesühnt habe, das eigentlich die Gläubigen den Kreuzestod verdient hätten. So lernen Menschen sich mit Christus, dem Opferlamm zu identifizieren. Statt mit dem „wahren“ Jesus, der sich gegen den Machtmissbrauch der Mächtige wehrte.
Dies regelmässig vollzogene Ritual hat eine unglaublich „hypnotische“ Wirkung. Über Jahrtausende vermittelte es Menschen von klein auf ein Bewusstsein von Schuld und Scham. So wurde ihnen die unschuldige Freude genommen. So wurden sie bereit, sich bedingungslos für die Interesse der Kirche - oder der Herren instrumentalisieren zu lassen. Bis vor 200 Jahren waren ca. 95% unserer Vorfahren rechtlose Leibeigene. Das Recht, Land zu besitzen hatten nur die „Herren“: der Adel und der Klerus.
Vertröstung auf die Zukunft Für die Machtentwicklung der Kirche war ein weiteres Prinzip entscheidend. Das „Jüngste Gericht“, die Bestrafung der Schuldigen und die Belohnung der Gläubigen wurde auf eine unbestimmte Zukunft verschoben. So konnte die Kirche zugleich die drastischen Strafen eines „Jüngsten Gerichts“ – und die Belohnungen der Frommen bildreich ausmalen, um die „Schäflein“ auf dem rechten Weg zu halten. Das sollte es ihnen leichter machen, das gegenwärtige Leid zu ertragen. Das erinnert an die oben erwähnte Überlebensstrategie, angesichts einer unerträglichen Alltag-Realität sich in Parallelwelten zu flüchten, um wenigstens die Illusion von Glück zu haben.
Der kleine feine Unterschied bestand jedoch darin, dass die „Herren“ schon im Diesseits, Hier und Heute feiern und prassen konnten.
Allianz von Adel und Klerus Durch diese Ausführungen hoffe ich zwei Aspekte deutlich zu machen, einerseits durch welche Strategien die verfolgte Christengemeinde der ersten Jahrhunderte überleben konnte, ja sogar zur römischen Staatsreligion werden konnte, indem sie die ursprüngliche Botschaft Jesu ins Gegenteil verkehrte. Dazu musste sie auch die Person Jesus verändern, vom „Revolutionär aus Liebe“ zum wehrlosen Opferlamm. Gleichzeitig wird deutlich, wie das damalige Überlebensprogramm der verfolgten Gemeinde zu einem wirksamen Werkzeug narzisstischen Machtmissbrauchs durch die Institution der Amts-Kirche wurde. Dieses toxische Programm bewirte eine kollektive Selbst-Entfremdung - bis heute!
Die Botschaft Jesu ist dennoch lebendig Es gibt zum Glück - auch innerhalb der Kirche – Menschen, die sich nach der ursprünglichen Botschaft Jesu orientieren, der Erbwürde eines jeden Menschen, besonders in den caritativen Bereichen. Sie tragen entscheidend zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei. Sie müssen nicht selten ertragen, dass ihre Tätigkeit von der Amtskirche als „Feigenblatt“ missbraucht wird, um deren Machtmissbrauch zu relativieren.
Der Feudalismus verschwand – der narzisstische Machtmissbrauch blieb Heute sind es andere Macht-Eliten, die es verstehen, die bereits bestehenden Verhaltensprogramme zu triggern, durch eine Mischung von Versprechungen, Drohungen und Verschleierung durch Lügen und Verdrehungen, und so bewirken, dass Menschen nicht erkennen, was Not-Wendig wäre, bzw. dass sie glauben, es wäre unmöglich, das zu erreichen.
Zum Schluss Es wird immer deutlicher: Die Vorstellung eines „allmächtigen Schöpfergottes“ ist widernatürlich und absurd. Es ist ein Konstrukt, geschaffen von einer patriarchalen Männergesellschaft, um ihren eigenen angemassten Macht-Missbrauch zu verschleiern und zu rechtfertigen. Es ist an der Zeit, diese Schleier zu zerreissen, damit dahinter die hässliche Fratze des patriarchalen Narzissmus sichtbar wird.
In Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ ist es ein Kind,, dessen Wahrnehmung noch unverstellt ist von den gesellschaftliche Verboten, sodass es sagen kann:
Der ist doch nackt! Sodass auf einmal alle das sehen konnten!
Heute ist es vielleicht ein 83 - jähriger Arzt, der euch die Sätze zuruft, die der bereits erwähnte Sufi-Meister IBN ARABI vor 700 Jahren formulierte: „Es gibt nur zwei Dinge zu tun; Das Not-Wendige – und das Unmögliche!“
Ich schliesse mit dem Gebet, das Jesus seine Schüler lehrte:
Du hast alles Erschaffene hervorgebracht, ohne Namen wirkst du heilig durch Zeiten und Räume. Dein göttliches Eins-Sein schafft in Liebe und Licht ewig und jetzt. Lass Deinen Willen durch meinen geschehen- im Geiste, wie im Körper. Gib uns täglich Nahrung - dem Körper, wie der Seele. Löse die Fesseln meiner Verfehlungen – wie ich sie anderen löse. Lass mich nicht verloren gehen in Oberflächlichem und Materiellen. Befreie mich von Unreife und von allem, was mich festhält, oder was ich festhalte. Denn allein Du bist die Kraft Du bist der Gesang des Universums- jetzt und hier, und in Ewigkeit. Amen
München, 28.10.2024 Ero Langlotz
--------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1 Diesen Begriff entwickelte der britischen Psychoanalytiker und Kinderarzt Donald Winnicott (1896–1971). entwickelt wurde. Dem falschen Selbst stellte Winnicott das wahre Selbst gegenüber. (Wikipedia) 2 Nach G. Lamsa (Evangelien aus aramäischer Sicht), engl. Bearbeitung: N. Douglas-Klotz, deutsche Bearbeitung: J.E. Berendt. 3 Diese Auffassung vertrat entschieden 1100 Jahre später Ibn al-ʿArabī (*1165 in Murcia, + 16. Nov 1240 in Damaskus, ein Philosoph und Mystiker. Er wird wegen seines großen Einflusses auf die allgemeine Entwicklung des Sufismus auch asch-schaich al-akbar („Der größte Meister“) bzw. latinisiert Magister Magnus genannt. Seine Lehre von der „Einheit des Seins“ geht davon aus, dass alle Dinge im Universum Manifestationen einer einzigen „Realität“ seien. 4 Ulrich Hedinger, Kritik der Kreuzestheologie: Wider den Mythos, Jesu Ermordung bedeute das Heil der Welt, 1993, Tübingen und Doris Strahm, „Vom Kreuz mit dem Kreuze, feministisch kritische Blicke auf die Kreuzestheologie“ Vortrag Basel 2003, https://www.doris-strahm.ch/Strahm_014.htm
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
AUS DEM ARCHIV MENTZO´S AUSGEWOGENE SELLUNGNAHME ZU HELLINGER´S FAMILIENSTELLEN
Überregionale Weiterbildung in analytischer Psychosentherapie in München
Vortrag am 16.11.03
Familienaufstellungen: Versuch einer Kritik, aber auch einer Würdigung vom psychoanalytischen Gesichtspunkt aus
von S. Mentzos, Frankfurt am Main
Obwohl ich davon ausgehe, dass jeder von Ihnen, zumindest vom Hörensagen weiß, was Familienaufstellungen nach Bert Hellinger sind, beginne ich mit einer, allerdings kurzen Definition dieses therapeutischen Verfahrens zwecks einer Einführung in die Thematik und einer ersten Orientierung. Eine vollständige, geschweige eine auf allgemeine Zustimmung basierende Definition kann man ohnehin nicht zustande bringen, im Hinblick auf die inzwischen sich entwickelten Variationen des Verfahrens und angesichts der unterschiedlichen Schwerpunkte bei den einzelnen Leitern von Familienaufstellungen. Guntar Weber und Diana Drexler, die zu den am meisten akzeptierten, heutigen Vertreter der Familienaufstellung gehören, gaben letztes Jahr in der Zeitschrift „Psychotherapie im Dialog" folgenden kurzen geschichtlichen Überblick. Das Familienstellen wurde von Bert Hellinger seit den 80er Jahren entwickelt und breitete sich im deutschsprachigen Raum und in den letzten Jahren auch international schnell aus. Seine Wurzel habe es im Psychodrama Morenos und im Mehrgenerationenansatz der Familientherapie. Nachdem Bert Hellinger in den USA mit Vertretern der Familientherapie und in Deutschland mit der Skulpturarbeit in Kontakt kam, habe er Einsichten mit Vorgehensweisen aus der Skriptanalyse und der Aufstellungsarbeit zu einer Leiter orientierten Gruppenkurztherapie verdichtet.
Es geht um Gruppenveranstaltungen mit 12 – 24 Teilnehmern und ca. 10 teilnehmenden Beobachtern. Einer der Teilnehmer, meistens der therapeutisch hilfesuchende Patient, stellt eine der für ihn wichtigen Systeme (in der Sprache der systemischen Therapie, also vorwiegend die Ursprungsfamilie oder die gegenwärtige Familie oder aber auch berufliche Systeme) auf in der Art, dass für jedes der Mitglieder der zu aufstellenden Familie ein Vertreter aus den anwesenden Seminarteilnehmern bestimmt wird. Im Gegensatz zum Psychodrama, wo diese Vertreter direkt oder indirekt aufgefordert werden, in die jeweilige Rolle hinein zu schlüpfen, wird hier erwartet und verlangt, dass der Stellvertreter einfach die Position (in gewsser Hinsicht wortwörtlich die häusliche Position auf der Bühne) der zu repräsentierenden Person (Vater, Mutter usw. des Patienten) übernimmt und dann die aufgrund dieser seiner Positionierung, oder aufgrund der durch den Patienten oder den Leiter veranlaßten Positionsveränderungen entstehenden „gute“ oder „schlechte“ Gefühle und Körpersensationen auf Befragen angibt, also ob er (der Stellvertreter) sich dabei wohl oder unwohl fühlt. Er, der Stellvertreter weiß ja auch kaum etwas über die Anamnese des Patienten, bis auf die minimalen, am Anfang der Veranstaltung vom Leiter erfragten, „wichtigen Ereignisse", wie Tod, Abort, Verlust, Scheidung von wichtigen Angehörigen des Patienten. Das Überraschende für den Analytiker, der zum ersten Mal so etwas mitmacht, oder ein solches Video sich ansieht, ist dass hier weder vom Patienten, noch vom Leiter, noch von den Stellvertretern anamnestische Daten genauer nachgefragt und noch weniger darüber diskutiert wrden. Man sucht nicht nach psychogenetischen oder psychodynamischen Zusammenhängen. Allerdings sucht man intensiv doch nach Schuld oder Schmerz erzeugende Ereignisse, die meistens unbewusst verdeckt bleiben und dadurch die bei dem Verfahren der Familienaufstellung berühmten „Familiengeheimnisse" ausmachen. Täter und Opfer sind zunächst unsichtbar. Die Hinweise, dass hier doch etwas vorliegt, dass ein Geheimnis noch nicht ausgelüftet wurde erhält man jedoch nicht so sehr über sprachliche Äußerungen, sondern durch die Befindlichkeit, durch die Spannungen und affektive Körpersmanifestationen der Stellvertreter, welche durch die räumlichen Beziehungen, Nähe und Distanz zwischen den „Positionsinhabern“ und insbesondere durch die im Laufe der Aufstellung stattfindenden oder notwendig werdenden Bewegungen ausgelöst werden. Diese Bewegungen, diese Änderungen der räumlichen Relation zu den anderen beteiligten Personen oder das Entstehen von Grüppchen, die sich zueinander bewegen oder voneinander sich abwenden usw. wird aufgrund des Befindens der Betreffenden (erfragt vom Leiter) in Gang gesetzt. Oder häufiger, diese Bewegungen werden einfach vom Leiter veranlasst, der den einen dahin schiebt und den anderen in die andere Richtung zieht usw. Dieses Verändern und das Geschiebe erscheinen den Nichteingeweihten (und dazu gehörte ich auch bis vor kurzem) oft als eine willkürliche Polypragmasie oder ein Aktionismus ohne Sinn. Dem sei aber, so Hellinger und die Familienaufsteller überhaupt, nicht so. Es gehe um ein Experimentieren. Der Leiter versucht die Positionierungen herauszufinden, in denen die Betreffenden sich wohler fühlen, in denen ein Affektausbruch zustande kommt, in denen Spannung oder Entspannung durch diese eben neue Positionierung hervorgerufen werden usw. Es ist so, wie wenn man ein Puzzle zu lösen bzw. zuammenzustellen versucht. Die kurzen Bemerkungen des Leiters bei diesen Veränderungen des Gesamtbildes erscheinen dem Nichteingeweihten suggestiv, aber oft kommen auch spontane Äußerungen der Stellvertreter, dass sie sich wohl oder schlecht oder entleert oder ärgerlich usw. fühlen, die echt wirken. Die Tatsache, dass diese spontanen Erlebnisse und Äußerungen der Stellvertreter oft, wie sich später herausstellt, der geschichtlichen oder gegenwärtigen Realität der repräsentierten Personen (die ja dem Stellvertreter unbekannt sind) entsprechen, hat zur Entstehung dieses esoterischen Nimbus der Methode und der noch in der Öffentlichkeit teilweise bestehende Idealisierung ihres Erfinders Bert Hellinger beigetragen. Diese nicht nur von streng empirisch orientierten Psychologen und Soziologen, sondern auch von vielen anderen psychotherapeutischen Schulen nicht akzeptable Mythenbildung ist der eine Grund für die zunehmende Kritik gegen das Verfahren. Der andere bezieht sich auf die Person von Bert Hellinger selbst bzw. die Art der Präsentation und die verdächtige Vermarktung. Der Soziologe Oliver König beschreibt „die kritischen wie apologetischen Reaktionen auf Hellinger bzw. die Reaktionen auf diese Reaktionen, also Verteidigungsreden, Richtigstellung und persönliche Offenbarungen, z. B. in Form von Danksagungen" (König, S. 510) u.a. bezugnehmend auf Leserbriefe zu einem kritischen Artikel in „Psychologie Heute" 1998. Dort findet man in Bezug auf die Person von Bert Hellinger eine Mischung von „kritischen Charakterisierungen (autoritär, entmündigend, feindseliger Therapiestil, Verkünder letzter Wahrheiten, dogmatisch) und apologetischen (Annehmen, ein tief religiöser Mensch, ein Mensch mit großem und weitem Herzen), die die Spannungsbreite der Reaktionen nochmals verdeutlichen" (König 511). Dogmatisch wirkt Hellinger auch bei der Verkündung der von ihm behaupteten Ordnungen des Lebens und der Liebe – obwohl sonst seine Annahmen über die starken familiären Bindungen in vielen der modernen „BINDUNGSTHEORIEN“ enthalten sind.
Einen Höhepunkt erreichte die negative, kritische Welle gegen die Person von Bert Hellinger in dem bekannten langen Artikel in der „ZEIT“ vor ca. 2 Monaten (verfaßt von Martin Buchholz), ein Artikel, der mit einer Auswahl von Bildaufnahmen des Großmeisters in Aktion gespickt ist, die ihn tatsächlich in einem recht ungünstigen Licht präsentieren. Hellinger sei – so der Haupttenor dieser Reportage - in seiner Haltung nicht nur arrogant, übrheblich, pastroral und in seiner Interventionen nicht nur dogmatisch, suggestiv, willkürlich, uneinfühlsam, sondern letztlich auch gefährlich – so habe z. B. eine Patientin, aufgrund der sie vernichtenden Deutung von Hellinger – die sie aber akzeptierte – Selbstmord begangen.
Weniger dramatisierend und emotionalisierend, aber trotzdem eindeutig scharf kritisch, fällt auch das Urteil der Fachkollegen Bernt Hellingers von der „Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Forschung“ aus, die im Februar dieses Jahres eine Stellungnahme zum Thema Familienaufstellungen im Internet setzten, die heute noch jedem zugänglich ist: Die Familienaufstellung nach Bernt Hellinger, heißt es dort, stamme zwar aus wichtigen Bestandteilen der systemischen Therapie (Familienrekontruktionsarbeit und Familienstrukturen), ihre heutige Praxis gebe aber dem Vorstand der Gesellschaft Anlaß zu deutlicher Kritik und zu Befüchtungen bezüglich einer möglichen Gefährdung von Klientinnen und Klienten. Diese Stellungnahme erschien dieser Fachgesellschaft offensichtlich u.a. deswegen erforderlich, weil die Familienaufstellung als eine systemische Therapie sich repräsentiert. Bernt Hellinger, heißt es weiter in der Stellungnahme, postuliere die Existenz vorgegebener Grundordnungen und Hierarchien und vertritt seine Konzepte, Interpretationen und Interventionen immer wieder mit einer Absolutheit, die die Autonomie der Klientinnen und Klienten ernorm einschränke. Gleichzeitig entziehe er sich einer ernsthaften und kritischen Diskussion seiner Vorgehensweisen und scheint sich lieber von einer gläubigen „Anhängerschaft“ bewundern zu lassen. Viele systemische Grundprinzipien werden vernachlässigt, so etwa die Neutralität und Allparteilichkeit gegenüber Personen und Ideen. Darüber hinaus seien Familienaufstellungen in Großgruppen mit dem Ziel des Publikumseffektes ohnehin unethisch und abzulehnen. Nicht Bernt Hellinger als Norm setzender Guru, sondern ein breiter wissenschaftlicher Diskurs von Fachleuten innerhalb der Systemischen Therapie und Beratung sollte die Methodik der Familienaufstellung definieren.
Dennoch, weder solche, sonst so effektive mediale Kritik, wie von Martin Buchholz in der ZEIT noch wissenschaftliche Stellungnahmen scheinen den Publikumserfolg von Bernt Hellinger zu beeinträchtigen. Das ist aber nicht der Grund, warum ich mich entschlossen habe, mit dieser Thematik und mit dem Phänomen Bernt Hellinger mich zu beschäftigen – solche Moden sind in der Postmoderne nicht selten und werden von Soziologen in mehr kompetenter Weise, als ich es kann, untersucht und analysiert.
Was mich vielmehr motiviert hat, ist die Tatsache, dass viele mir persönlich bekannte und gut ausgebildete Psychotherapeuten, die sogar psychotische Patienten in Behandlung haben, neben ihrer sonstigen Tätigkeit auch Familienaufstellungen bieten und teilweise von den Möglichkeiten der Methode sehr angetan sind. Besonders überrascht wurde ich darüber hinaus, als vor ca. 3 Jahren eine Gruppe von solchen Kollegen und einigen hinzugekommenden Sozialwissenschaftlern mich aufsuchten und fragten, ob ich Interesse hätte als Außenstehender ihre Arbeit in Familienaufstellung mit ihnen zusammen zu beobachten und zu diskutieren. Sie wären interessiert zu hören, was ich vom psychoanalytischen Standpunkt aus denke, wie ich womöglich dieses Verfahren psychoanalytisch verstehe. Einige Sitzungen, die dann stattgefunden haben, waren für mich sehr interessant und informationsreich. Wir konnten das beabsichtigte Ziel nicht weiter verfolgen, aber nicht etwa, weil die Psychonalyse nichts dazu zu sagen hätte, sondern aus dem einfachen Grund, dass die Betreffenden selbst sich sehr uneinig in ihren Ansichten über die Familientherapie waren. Ich habe aber den Kontakt aufrechterhalten und mir auch Gedanken über die positiv zu beurteilenden Anteile dieser Methode gemacht. Hinzu kam auch die Tatsache, dass mehrere Patienten von mir zum Teil etwas verschämt, nachträglich mir anvertrauten, dass sie eine Familienaufstellung bei sich machen ließen. Dies läßt übrigens die Angabe von Martin Buchholz, dass zur Zeit in Deutschland wahrscheinlich 2000 Familienaufsteller am Werke sind, doch glaubhaft erscheinen, zumal auch andere psychoanalytische Kollegen mir von Familienaufstellungen bei ihren Patienten berichteten. Es gibt Menschen, bei denen das Familienaufstellen zum wöchentlichen Programm gehört, um einen interessanten Abend zu verbringen, der unter günstigen Bedingu g n e n n u r ¬ 1 5 , - - T e i l n a h m e g e b ü h r k o s t e t !
A u f d e r a n d e r e n S e i t e g a b e s K o l l e g e n , d i e m i r b e r i c h t e t e n , s i e h a b e n P a t i e n t e n g e s e h e n , d i e n a c h e i n e r F a m i l i e n a u f s t e l l u n g p s y c h o t i s c h w u r d e n . D a b i n i c h a b e r v o r s i c h t i g . E s g i b t P a t i e n t e n v o n m i r , d i e e i n S t ü c k T herapie bei mir hatten und trotzdem einen psychotichen Rückfall erlitten. Böswillige Beobachter könnten hier auf eine Kausalität zwischen Therapie und Psychose schließen!
Aber jetzt zu der Hauptrage: Wie ist die Familienufstellung zu verstehen und einzuschätzen?
Statt dass ich Ihnen meine Hypothesen in Bezug auf das, was ich in Videos gesehen habe, in systematischer Weise vorführe, möchte ich Ihnen einige meiner spontanen Assoziationen und Bilder verraten, welche ja indirekt auf solche potenzielle Hypothesen hinweisen. Übrigens distanzieren sich viele der mir bekannten Familienaufsteller in der letzten Zeit, wenigstens inoffiziell, von Bernt Hellinger, was die Art seines Auftretens betrifft, sie glauben jedoch weiterhin an die großen Möglichkeiten der Methode, gerade auch bei Psychose-Patienten.
Wo ist der Pope?
Als ich vieles gesehen und gehört habe über das Suchen nach dem noch nicht aufgedeckten „Geheimnis“, dessen Aufdeckung die sofortige Lösung bringen und den Patienten befreien würde, hatte ich zunächst Assoziationen mit Krimiserien, Erwecken der Neugierde bei der suche nach XY und entsprechende Erhöhung der Einschalt-quoten. Noch bösartiger war aber meine folgende Assoziation. Die bezog sich auf ein zumindest 60 Jahre altes Bild aus dem großen Markt in Athen der 40er Jahre. Es wurde dort auf dem Markt ein Spiel angeboten, (was, wie ich jetzt erfuhr, dem in Deutschland bekannten und von der Polizei verbotenen Spiel mit den Hütchen entspricht), bei dem man angeblich ganz schön Geld verdienen könne. Der Meister sitzt vor einem Tablett und er läßt eine Münze, einen Knopf, einen Würfel, den sogenannten „Popen“ mit undurchsichtigen kleinen Kappen abwechselnd zudecken. Diese 4 oder 5 Kappen wurden mit großer Geschwindigkeit unter seinen sehr geschickten Fingern getauscht. Der Spieler (wie sich herausstellte, das Opfer) der einen bestimmten Betrag zur Teilnahme am Spiel hinterlegen mußte, sollte, wenn die Hände des Meisters ruhig blieben sagen, wo denn der „Pope“ sei. Wo ist der Pope, hier, dort oder doch wieder zurück? Das Interessante ist, dass neben diesem Meister und in der Gruppe von Neugierigen, die sich dann ansammelten, drei oder vier Komparsen als angeblich fremde, unbeteiligte Beobachter standen, die das Opfer durch kurze Nebenbemerkungen in eine bestimmte Richtung beeinflussten. Das Ganze war aber so geschickt arrangiert, dass der Betreffende, also das zukünftige Opfer, zunächst Erfolg hatte und dadurch motiviert war, noch einmal, jetzt mit einem größeren Betrag ins Spiel einzusteigen, um dann selbstverständlich zu verlieren und zwar wieder unter dem Einfluß der Nebenpersonen, die ihn in die falsche Richtung beeinflußten.
Nun wird in der Familienaufstellung nicht der Pope, sondern das Geheimnis in der Familie gesucht. Und der Grund, warum ich auf diese zugegebenerweise bösartige Assoziation aus der Kindheit kam, war, dass mir bei verschiedenen Aufstellungen das endliche Auffinden des Geheimnisses gelegentlich als ein suggestiv unter zur Hilfenahme der Anwesenden herbeigezauberte Erfolg erschien. Nachdem ich aber mehrere Aufsteller kennen gelernt habe und bei allen die Überzeugung gewonnen habe, dass sie keine Betrüger sind – ich glaube dies auch in Bezug auf Bernt Hellinger, der trotz aller seiner schwierigen Ecken einen ehrlichen autentischen Eindruck macht - habe ich die mit dieser Erinnerung zusammenhängende Hypothese der Geldmacherei fallen gelassen.
Die hysterische Inszenierung
Als ich einmal eine der Großveranstaltungen (im Viedeo) die zahlreichen Teilnehmer gesehen habe, die gebannt auf die Worte und Haltung des großen Meisters auf der Bühne starrten gesehen habe, assoziierte ich den großen Pariser Neurologen Charcot aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und zwar wieder in einem Bild: Dazu muß ich folgendes berichten:
Vor 23 Jahren erhielt ich in einem Brief 2 Theaterkarten, die ich nicht bestellt hatte, für das TAT, ein damals avagardistisches Theater in Frankfurt,. Im begleitenden Brief bat man mich um Entschuldigung, dass man mich erst nachträglich darüber informieren wollte, dass im Programm eines jetzt laufenden Theaterstückes mit dem Titel „Hysterie“ große Teile aus meinem eben erschienenen Buch über Hysterie übernommen und zitiert wurden. Als Entlohnung erhielt ich die Theaterkarten. Es ging um die Inszenierung eines Stückes einer südamerikanischen Gruppe, das so gut war, dass es bei der Biennale in Venedig den ersten Preis erhielt. Die Bühne wurde in zwei Teile während der Gesamtvorführung geteilt, rechts wurde die Salpetriere und zwar eine intenive Station des berühmten Pariser Psychiatrischen Krankenhauses dargestellt, auf der linken Seite war die Villa vom großen Chef Charcot zu sehen, wo öfters abends berühmte Opernsängerinnen für ein erlesenes Publikum weibliche Opernarien sangen. Morgens bei der Chefvisite boten die hysterischen Patientinnen alles was sie noch konnten, sie dehnten ihren Körper zu einem hysterischen Bogen oder sie lagen auf dem Boden und schrien oder sie umarmten den Professor usw. Links wurden die Stimmen der Opernsängerinnen immer schriller und schriller, so dass zum Schluß man nicht links von rechts richtig unterscheiden konnte. Das Beste war aber der goße Professor, unberührt und erhaben, in beiden Fällen majestätisch, langsam sich bewegend, befahl er das Aufhören der Symptomatik bei der einen Patientin oder ......... sich mit Handlung bei den Sängerinnen auf der linken Seite. Er war selbst sozusagen die höchste Form einer hysterischen Inszenierung eines großartigen Neurologen, der sogar offenbar auch Sigmund Freud für 6 Monate fasziniert hatte, als er, also Charcot, mit Hypnose reihenweise wie in einem Familienaufstellungsseminar hysterische Patientinnen heilte. Ein großes Publikum von Studenten, aber auch sonst von der Pariser Gesellschaft war dabei.
Nun, Sie wissen, dass ich ein großer Bewunderer des hysterischen Modus der Konfliktverarbeitung bin – so dass dies alles keineswegs nur negativ oder ironisch zu verstehen wäre. Dennoch auch diese Assoziation, die ja die Deutung der gesamten Familienaufstellung und des gesamten Primboriums bei den Riesenveranstaltungen als eine hysterische Inszenierung und anschließende hysterische Epidemie nahe liegt, war mir ebenfalls nach langem Überlegen nicht so überzeugend. Außerdem, auch wenn ein großer Teil dessen, was wir dabei beobachten können, tatsächlich induzierte hysterischen Inszenierung sein sollten, so what? Ich halte viel von Hysterie und von der hysterischen Begabung und von der Fähigkeit des potenziell hysterischen Patienten (modernerweise heißt es histrionisch) halbbewußt oder unbewußte Zusammenhänge intuitiv zu erfassen und sie in Szene zu setzen. Dahinter steht aber immer eine sehr ernst zunehmende Angelegenheit, eine schmerzliche Realität.
Kurze zusätzliche Information: Vor einigen Jahren ist in einer Volksschule in der Nähe von Washington bei einer Abschlußfeier der Schüler aus der letzten Klasse und die Abschiednahme folgendes passiert: Während der Vorführung des Stückes fiel aus Versehen einer der Schüler auf den Boden, so dass er auf die Nase schlug und blutete. Man hat ihn aufgerichtet und irgendwie konnte das Spiel weiterlaufen, aber nach drei oder vier Minuten fingen mehrere Schüler an, im gefüllten Saal umzufallen, sie wurden halb bewußtlos, man vermutete irgendwelche giftigen Gase. Es gab großen Alarm, die Polizei kam. 35 Kinder mußten in Krankenhaus eingeliefert werden und nach ein paar Stunden entlassen werden. Es handelte sich also um eine moderne hysterische Epidemie. Das wichtigste kommt aber jetzt erst. Zwei gewiefte Assistenten haben die Gelegenheit sofort beim Schopf ergriffen und haben daraus eine Doktorarbeit gemacht. Sie haben die 35 Kinder gründlich untersucht und eine gleich große Gruppe von Kindern, die nicht umgefallen sind, ebenfalls in Bezug auf Anamnese und mit einigen Tests untersucht worden. Der Vergleich der zwei Gruppen ergab, dass die Kinder, die umgefallen sind, signifikant häufiger Trennungen, Verluste und andere schwerwiegende Ereignisse in ihrer Familie erlebt hatten!
Also, auch wenn ein Teil der Vorkommnisse auf der Bernt Hellinger-Bühne hysterische Phänomene sein sollten, sie stehen doch in Zusammenhang mit tatsächlich stattgefundenen Traumatisierungen und Ereignisse in der Familie zusammen.
Meine dritte Assoziation führte weit zurück bis zur Antike, bis zum griechischen Theater, das bekanntlich eine der wichtigsten Wurzeln solcher therapeutischer Verfahren, wie die Familienaufstellung darstellt. In beiden Fällen geht es nicht nur um die sprachliche, sondern auch um die räumliche, szenische Darstellung verwickelter Beziehungen von Familiendramen, wobei oft auch ein oder mehrere Geheimnisse im Hintergrund eine große Rolle spielen und wo die Darsteller (die Schauspieler oder die Stellvertreter) nach Möglichkeit nicht ihre eigenen Probleme in den interaktionellen Prozess mit hineinbringen sollen (vgl. die entsprechende Aufforderung von Hellinger an die Stellvertreter und der anderen Seite im antiken Theater, die Tatsache, dass die Schauspieler Masken getragen haben. Schließlich - und dies erscheint mir besonders bemerkenswert - hat auch im antiken Theater die Positionierung der Akteure und ihre Bewegung im Raum eine Rolle gespielt, die ja in der Familienaufstellung eines der Hauptprinzipien darstellt: Die Positionen der Stellvertreter und insbesondere die räumliche Relation der Positionen und das im Laufe der Aufstellung sich verändernde Muster der einzelnen Positionen ist die Hauptbedingung um sozusagen experimentiell das Affekte auslösende und Spannung erhöhende, aber dann auch andererseits das Entlastende und um mit Bernt Hellinger zu sprechen, die richtige Ordnung zu finden.
Übrigens über die Ordnungen der Liebe und des Lebens im Metaphysischen oder Theologischen, wie sie Hellinger versteht, will ich mich hier nicht ausbreiten. Sie sind für mich als subjektive und mehr oder weniger dogmatisch behauptete Glaubenssätze zwar zu respektieren, aber sie können ohne weiterführende, auf Erfahrung begründete Untermauerung, nicht allgemein fähige Akzeptanz beanspruchen. Von Respekt spreche ich trotzdem, weil wir alle unsere direkten und indirekten,bewußte oder unbewußte Annahmen in Bezug auf gewisse als gut, gelungen, gesund zu bezeichnenden Situationen, Entwicklungen, Regelungen haben, so z.B. ich selbst, wenn ich in meinem Bipolaritätsmodell diejenigen Lösungen als gelungen dialektisch und gesund betrachte, die zu einer Integration und zu einer Befriedigung, sowohl von selbstbezogenen, als auch objektbezogenen Tendenzen führen.
Forcierte Symbolisierung auf dem psychosozialen Feld und die Suche nach dem Geheimnis
Wenn ich engagierte, tüchtige Leiter bei Familienaufstellungen beobachte, so fallen mir Ähnlichkeiten mit der Arbeit eines Bildhauers, eines Musikers, eines Malers, überhaupt eines Künstlers auf. Zwar wirkt manchmal die Emsigkeit, mit der temperamentvolle Leiter (und nicht kühle Naturen wie Hellinger) die Stellvertreterpositionen immer wieder ändern und mal dies und mal jenes ausprobieren, wie ein übertriebender oder künstlich dramatisierender Aktionismus; insgesamt gewinnt man aber wenigstens bei den ernstzunehmenden Vertretern den Eindruck, dass es sich dabei um echte authentische Bemühungen, um die Suche nach optimalen Lösungen geht, um die Herstellung einer befriedigenden Gestalt in einem für das Leben der Betreffenden wichtigen Puzzle. Gerade dieses gleichzeitig ernste und spielerische Herumprobieren zusammen mit der intensiven Suche nach dem „Geheimnis“ in der Eltern- und Großelterngeneration erzeugt auch die Spannung bei den Zuschauern, die mit der Spannung bei einem Krimi vor der Aufdeckung des Täters erinnert, wobei in beiden Fällen eine Süchtigkeit, ein immer mehr von dem selben haben wollen, sich einstellen kann.
Dies alles, zusammen mit den zum Teil realistischen, zum Teil desinformierenden Berichte über Bernt Hellinger könnten den falschen Eindruck enstehen lassen, er sei eigentlich nicht für den Patienten als solchen interessiert, ihm ging es nicht an erster Stelle um das Wohl des Patienten, sondern um die Bestätigung der etwas esoterisch anmutenden Ordnungen der Liebe oder wie es bei ihm in den letzten Jahren zu hören ist, um die Bewegungen der Seele.
Dies entspricht nicht meinem Eindruck: Im Gegenteil, insbesondere auch beim psychotischen Patienten erlebe ich Hellinger als sehr umsichtig, einfühlsam und sehr darauf bedacht, den Patienten z.B. mit kurzen Bemerkungen narzisstisch zu stärken.
Ich zitiere kurz aus einem Transskript: Der Hellinger sagt zu dem jungen schizophrenen Patienten ganz am Anfang: Du bist ganz schön mutig, Dich dem hier so zu stellen. Oder in einem anderen ähnlichen Fall, ebenfalls einem jungen Patienten, halb ernst, halb scherzhaft: Du scheinst hier der Schlaueste zu stein, ein Schlauberger (dabei indirekt andeutend, sie beide, der junge Patient und Hellinger selbst seien die Schlauberger hier, also eine Art symbiotische Omnipotenz a la Kahn). Auch wenn kurz danach Sätze kommen, die dem Patienten etwas abrupt wieder auf den Boden der Realität bringen, so hat man das Gefühl, dass dies auch gutwillig geschieht und sozusagen als eine erste Vorübung zu dem programmatisch mehr oder weniger dann erfolgenden „Schaukeln“ zwischen den Bindungen zu anderen Personen oder aber zu sich selbst, zu der eigenen Selbsteinschätzung, Schaukeln innerhalb des Gegensatzes selbst und Fremdidealisierung versus Selbst- und Fremdablehnung.
Also das oft vermittelte Bild eines überheblichen, eigensinnigen, indirekt sadistischen, rücksichtslosen Hellingers, der die Patienten mit seiner Autorität und seinen Bemerkungen zur Verzweiflung oder sogar zum Selbstmord bringen kann, entspricht nach meinen Erfahrungen und Informationen nicht der Realität, obwohl manchmal, selten, einiges in die Richtung Verdächtiges nicht von der Hand zu weisen ist.
Hat die Familienaufstellung eine relevante therapeutische Wirkung und wenn ja, auf welche Weise kommt diese therapeutische Wirkung zustande?
Die oben aufgezählten spontanen Assoziationen von mir zur Thematik der Familienaufstellung entsprechen direkt oder indirekt vier Hypothesen zur Erklärung des Phänomens Familienaufstellung: Die erste Hypothese, es ginge um Betrug, Geldmacherei, Scharlatanerie, medienwirksame Selbstdarstellung etc. habe ich schon vorhin, wenigstens in Bezug auf die ernst zu nehmenden Leiter und Teilnehmer verworfen.
Die zweite Hypothese, die Familienaufstellung biete in exellenter Weise geeignete Bedingungen zur Herstellung von hysterischen (histrionischen) Inszenierungen innerhalb deren zwar eine gewisse Entladung von aufgestauten Affekten und eine Quasiaufdeckung stattfindet, wobei aber das Eigentliche, also der intrapsychische Gegensatz, der Konflikt oder das Dilemma weiterhin verdrängt bleibt und somit kein entscheidender Fortschritt erreicht wird.
Diese meine Kritik ist nur beschränkt richtig. Die mit Geheimnislüftung, aber auch ohne sie indirekt stattfindende einsicht in der ungeheuren Macht der Familienbindungen (zum Guten und zum Schlechten) ist m. E. nicht zu leugnen und macht den gewichtigsten therapeutischen Faktor aus.
Die Ausdruckgebung des Familiendramas, sogar gerade auch in den voran gehenden Generationen und gerade ohne viele Worte, sondern nur durch die Positionierung und die Bewegung möglicher in ähnlicher Weise wie in der antiken Tragödie eine sonst nicht ohne weiteres zu erreichende Parzipation und Kartharsis und u. U. auch bleibende Einsicht.
Die Ernsthaftigkeit und das authentische echte Engagement des Leiters, aber auch die tragende sorgende teilnehmende Gruppe ermöglichen dem Patienten eine neue Beziehungserfahrung, die gerade durch die Direktheit der vorwiegend räumlichen Nähe und Distanz die Verfälschungen und Desinformationen und Heucheleien der Sprache vermeidet und ihm in ähnlicher Weise, wie bei der uns bekannten Psychosenbehandlung mit Hilfe des Handlungsdialogs eine Lockerung der psychotischen Dilemmatik ermöglicht. Der Patient macht also die Erfahrung, dass er in einer intensiven Beziehung teilnehmen kann (mit Hilfe der Vertretung und der Stütze des Leiters auf dem Rücken) ohne deswegen seine Autonomie und seine Selbstidentität zu verlieren.
Diese letzte Hypothese und Position ist selbstverständlich meine eigene, sicher überoptimistische Sichtweise auf der Grundlage des eigenen Psychose- und Psychosentherapiekonzeptes. Sie vernachlässigt viele wichtige Annahmen und Handlungsweisen der Familienaufsteller, die durch diese Hypothese nicht gedeckt werden. Gemeint sind hier insbesondere drei Sachverhalte:
In der Familienaufstellung suchen alle, man könnte fast sagen, manchmal wie besessen, nach dem Geheimnis. Ich dagegen versuche ich vielmehr den Konflikt, das Dilemma zu finden und eine geeignete Formulierung, die es in seiner spezifischen Form bei dem Patienten erfaßt, zu finden. Man könnte zwar behaupten, das Geheimnis und seine Aufdeckung enthalten implizit den Konflikt bzw. das Dilemma. Ich hielte es aber sinnvoller und effektiver, wenn Schuldgefühle, daraus resultierender Haß und Selbsthaß und insbesondere die Ambivalenz eindeutiger zur Sprache kämen. Gegen Ende jeder Familienaufstellung und sobald der Leiter glaubt, die sogenannte „Lösung“ gefunden zu haben, formuliert er bestimmte Sätze, die einige der Stellvertreter selbst und dann die fast regelmäßig auf die Bühne geholten Patienten selbst aussprechen müssen. Es sind eindeutig suggestive Sätze, etwa im Stil: Du bist meine Mutter, ich ehre und liebe Dich, aber mein Leben gehört mir und ich habe mein Leben für mich zu leben. Deine Probleme habe ich nicht zu tragen.
Dabei handelt es sich zwar immer um solche Sätze, die gerade die oben angedeutete Problematik und Dilemmatik (Selbstbezogenheit, Objektbezogenheit) berühren, so dass man mir sagen könnte, ich sollte mich damit zufrieden geben, dem Beobachter - und mir – erscheint. Aber höchst unwahrscheinlich, dass solche tiefergehenden Probleme mit zwei, drei suggestiven Sätzen ein für allemal zu erledigen wären. Es ist kaum vorstellbar, dass eine einmalige Familienaufstellung, auch wenn sie im idealen Fall die geschilderte Ausdrucksgebung und die Einsicht in das Problem (mit und ohne Geheimnis) ermöglicht, in der Lage ist, das Auftreten psychotischer Lösungen entbehrlich zu machen. Eine parallel laufende Behandlung erscheint mir unbedingt erforderlich. Zu diskutieren ist nur die Frage, ob eine oder mehrere Familienaufstellungen des Patienten förderlich in dieser Behandlung sein können. Übrigens haben Psychosetherapeuten, die gleichzeitig Familienaufstellungen machen, den Eindruck geäußert, dass die psychotischen Patienten vorwiegend als Vertreter in solchen Familienaufstellungen profitieren können. Dass sie selbst ihre Familie aufstellen, kommt selten vor, ist schwierig und kann auch zu Komplikationen führen. Das sind aber offenbar zunächst Erfahrungen von einzelnen Therpeuten.
Insgesamt erscheint mir trotz der oben ausführlich geschilderten negativen Aspekte und Gefahren nicht berechtigt, Familienaufstellungen schon a priori als indiskutabel abzulehnen; im Gegenteil, erscheint mir als ziemlich wahrscheinlich, dass sowohl allgemein, als auch bei Psychosen die Förderung des symbolischen Erfassens des bis dahin nicht anschaulich faßbaren gefördert werden kann. In meiner Prognose in Bezug auf die Methode würde ich eher dazu tendieren, zu sagen: Auch wenn die Mode der dramatischen großen Veranstaltungen oder der gewohnheitsmäßigen Familienaufstellung im Stil des Happenings in absehbarer Zeit vielleicht abnehmen und dann verschwinden, so wird, hoffe ich, ein positiver Einfluß dauerhaft zurück bleiben und zwar nicht nur im Sinne eines in der breiten Öffentlichkeit geweckten Interesses für Familiedynamik und transgenerationellen Zusammenhänge, sondern auch für die Fachleute, also für uns alle Psychotherapeuten und Psychoanalytiker, als Anreiz zur Ausnutzung und weitere Entwicklung von Techniken, die die anschauliche Symbolisierung intrapsychischer und interpersoneller Vorgänge fördern, was ja, wie wir wissen, gerade für unsere psychotischen Patienten von großem Nutzen sein können.
Diesen Aufsatz schickte ich an Prof. Mentzos mit folgendem Begleitbrief:
From: "Dr.med.E.R.Langlotz" <praxis@e-r-langlotz.de> To: "Prof. Dr. Mentzos" Subject: Symbiose und Psychose Date: Sat, 9 Jul 2005
Lieber Prof. Dr. Mentzos, mit großem Interesse habe ich Ihren Aufsatz zu Therapie von Psychosen gelesen. Ich bin davon fasziniert, dass Sie den Grundkonflikt bei Psychosen im Dilemma zwischen Nähe zum anderen und der eigenen Autonomie sehen.
Auch ich verstehe den Grundkonflikt beim - von mir so bezeichneten "Verschmelzungssyndrom" in der subjektiven Unvereinbarkeit von Nähe zum Anderen und gleichzeitigem Kontakt zu sich selbst. Wie Sie in meinem Aufsatz sehen, glaube ich, drei unterschiedliche ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN FÜR DAS Verschmelzungs-Syndrom ausmachen zu können: 1. die übergriffige Mutter ("Infektion durch die symbiotische Mutter") 2. der nicht erreichbare Vater ("umgekehrte Empathie") 3.die unbewußte verschmelzende Bindung an ein unbekanntes Geschwister.
Diese frühen Bindungserfahrungen, werden zum "Modell" für spätere Beziehungen, zum Partner, zum Kind, zur Arbeit, etc. Bei einigen Patienten scheinen alle drei Bedingungen vorzuliegen! Wie Sie verstehe ich das Verschmelzungs-syndrom als Anpassung an eine Mangelsituation und die resultierenden Symptome als Kompensationsversuch, mit einem Verschmelzungssyndrom zu überleben.
Das Familienstellen erlaubt einen unmittelbaren Zugang zu den frühen prägenden Bindungserfahrungen. Ich hatte mehrmals die Chance, innerhalb eines Aufstellungsseminars je die HERKUNFTSFAMILIE des Psychosepatienten und der begleitenden Eltern aufzustellen.Dabei zeigte es sich, dass bereits beide Eltern mit einem eigenen Elternteil "verschmolzen " waren und der Klient seinerseits mit beiden Eltern verschmolzen war. Dies erklärt die Eingeschränkte Identitätsentwicklung, aber auch die Übernahme traumatisierender Erlebnisse über Generationen weg von Großvater zu Enkel,die einen Teil des "psychotischen Erlebens" ausmachen. Beim Familienstellen wird diese "Verschmelzung" auf drastische Art deutlich: ich stelle den Klienten an den Platz seiner Mutter. Dort kennt er sich aus -mehr als bei sich selbst, so als habe er die ganze Zeit noch "in der Mutter gesteckt", "die Welt durch Mutters Augen gesehen". Zur Lösung führt ein Ritual von eindrücklicher Psycho-Dramatik: er "steigt" aus der Mutter aus, sagt die Identitäts-stiftenden Sätze: Du bist Du, Ich bin Ich, Du hast Dein Schicksal, ich habe meines, Du gehst Deinen Weg, ich den meinen- und ich bleibe immer Dein Sohn." Unterstützend für diesen "INDIVIDUATIONS-PROZESS" wirken weitere RITUALE; das Zurückgeben von "verlorenen Seelenanteilen" (vom Elternteil zum Kind), und das Zurückgeben übernommener Last (vom = Kind zum Elternteil) . Beides wirkt sehr tief auf einer unbewußten = Ebene.
Ein wesentlicher Faktor für die ENTSTEHUNG DES Verschmelzungssyndroms scheint darin zu bestehen, dass bereits die Eltern sich von früh verstorbenen Angehörigen nicht verabschieden konnten, dadurch "Seelenanteile" verloren haben, sich dem Partner (Trennung) und dem Kind nicht zuwenden konnten, ihn nicht als das sehen können , was er ist, als Kind. So bietet das Kind dem Elternteil seine Seelenanteile "als Ersatz" an und glaubt, ihm fehlende Angehörige ersetzen zu müCssen, um die Illusion von Nähe, Verbindung, Bedeutsamkeit zu ihm zu haben. So entwickelt es eine "falsche Identität", ein brüchiges Selbstgefühl, schwankend zwischen grandioser Selbstüberschätzung und dem Gefühl des Versagens. Abschieds- und Abgrenzungs-Rituale sind daher bei meiner Art des FAmilienstellens zentral. Übrigens finde ich das Verschmelzungs-Syndrom" in leichterer Ausprägung bei 70-90% meiner Klienten! Durch den Symbiose-Fragebogen ist es möglich, das Ausmaß von Abgrenzungs- und Selbstwahrnehmungsschwäche sowie die Kompensationsmechanismen "Überabgrenznung" und "dominantes Verschmelzen"quantitativ zu erfassen, was auch eine Effizienzkontrolle ermöglicht. Bitte entschuldigen Sie meinen Enthousiasmus.Da ich bei meinen Aufstellerkollegen wenig Resonanz für meine Beobachtungen finde, freut es mich umsomehr, einem erfahrenen Therapeuten zu begegnen, der ähnliche Vorstellungen entwickelt hat. Natürlich ist das Familienstellen kein Allheilmittel gegen Psychosen, ich verstehe es als wichtiges diagnostisches aber auch therapeutisches Instrument, um die Aufmerksamkeit des Klienten auf diese Dynamiken zu lenken und ihm eine andere, befreite Erfahrung möglich zu machen, sodass er motiviert ist, sich therapeutische Hilfe zu holen.
Zum Schluß muss ich noch erwähnen, dass ich niedergelassener Psychiater bin, mich von den unterschiedlichen Psychotherapieverfahren - zum Teil wegen ihrer den Klienten abwertenden = Terminologie - nicht angesprochen fühlte und über die Initiatische Therapie Karlfried Dürckheims zu eigener therapeutischer Tätigkeit = kam. Daher meine geringe Kenntnis der Therapeuten-Szene.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Ernst R. Langlotz
Und ich erhielt von ihm diese Antwort:
5.2.2006
Lieber Herr Dr. Langlotz,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben und den Vortrag, den ich ausgesprochen treffend finden, weil er direkt das Wesentliche knapp, aber sehr klar erfasst. Sie können sich vorstellen, dass ich mich sehr gefreut habe, dass mein Konzept von einer anderen Seite positiv betrachtet wird und zwar mit Formulierungen und sprachlich gekonnten Umschreibungen, Erweiterungen und origi= nellen Bemerkungen - man fühlt sich verstanden und bereichert und das tut gut!
Gut fand ich auch, dass Sie die sicher bei mir vorhandenen Bedenken (betreffend die Methode und insbesondere die rituellen therapeutischen Interventionen) vorwegnehmend berücksichtigen.
Diese Bedenken sind zwar nicht weg - was erwarten Sie auch von einem Psycho= analytiker! - die sind aber deutlich schwächer geworden, insbesondere auch durch die Unterscheidung zwischen direktiv und auoritär.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
DIES IST EIN DOKUMENT AUS MEINEM "ARCHIV" SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION – Die Lösung des Dilemmas Bindung – Freiheit?
by Ero Langlotz | 3. Jul 2008 | einführende Texte zur Systemaufstellung
LEBEN EINZELN UND FREI WIE EIN BAUM UND BRÜDERLICH WIE EIN WALD DAS IST UNSERE SEHNSUCHT!
[Nazim Hikmet]
Stavros Mentzos1 geht in seinem “Bipolaritäts-Modell” von zwei Grundbedürfnissen des Menschen aus:
dem nach Nähe und Bindung, und dem nach Autonomie und Freiheit.
Mentzos findet bei Klienten mit schizophrenen und depressiven Störungen eine Unfähigkeit, diese beiden Bedürfnisse miteinander zu verbinden. Die Symptome dieser psychischer Störungen versteht er als Kompensationsversuche für dieses „DILEMMA“, und nicht als Defizit! Die folgenden Beobachtungen und Überlegungen scheinen geeignet, dieses DILEMMA als Ausdruck einer rigiden, destruktiven Symbiose zu begreifen. Das eröffnet neue Lösungs-Strategien.
Symbiose und Selbst-Entfremdung Selbst-Entfremdung und Selbst-Verlust können verstanden werden als Folge symbiotischer Anpassungs-Strategien eines traumatisierten Familiensystems, die über Generationen hinweg weitergegeben werden. Wenn Eltern auf Grund eigener Gewalt-oder Verlusterfahrungen für ihre Kinder als Eltern nicht erreichbar sind, dann können Kinder nicht Kinder sein. Um jedoch das Grundbedürfnis nach Nähe und Bindung zu stillen, identifizieren sie sich mit dem, was die Eltern in ihnen sehen, von ihnen erwarten („falsches Selbst“, Winnikott, „Persona“ als Teil der „kollektiven Psyche“ bei C.G.Jung). Sie glauben dann unbewusst, den Eltern früh verstorbene Angehörige oder den Partner ersetzen zu sollen – z.B. Parentisierung – oder ihnen ihre Last, ihre Trauer, Schmerz oder Schuld abnehmen zu müssen. Um sich derart symbiotisch an die Eltern anpassen zu können, müssen sie jedoch ihr zweites Grundbedürfnis, das nach Autonomie und Freiheit zurückstellen. Sie unterdrücken eigene zentrale Selbst-Anteile, spalten kindliche Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse und die lebenswichtigen Aggressions-Impulse ab, verlieren damit ihre Abgrenzungsfähigkeit. Diese rigide Symbiose, die immer mit Selbst-Entfremdung verbunden ist, muss als destruktiv bezeichnet werden, im Unterschied zu flexiblen, vorübergehenden symbiotischen Phasen einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung. Wenn diese zentralen Selbst-Anteile nicht mehr zur Verfügung stehen, die zusammen so etwas wie eine eigene Orientierungs-Instanz ausmachen, ist keine eigene „autonome“ Orientierung mehr möglich, Auseinandersetzung, Identitätsfindung und persönliches Wachstum sind blockiert. Das verstärkt wiederum, im Sinne eines Teufelskreises, die Tendenz zu symbiotischer Anpassung, zu symbiotischem Verschmelzen mit dem Gegenüber und umgekehrt! Das ist das DILEMMA: die Betroffenen können in der Nähe zum Gegenüber sich selbst nicht mehr spüren. Um bei sich selbst sein zu können, müssen sie auf die Nähe zum Gegenüber verzichten. Sie können nicht die beiden Grundbedürfnisse mit einander verbinden, sie können sich nicht im Kontakt abgrenzen!
„Kollektive Symbiose“….. Symbiosemuster werden oft von Generation zu Generation weitergegeben. Wenn Klienten „nicht Kind sein konnten“, dann erwarten sie oft unbewusst von ihren Kindern den Halt, die Sicherheit, die Orientierung, die sie von ihren Eltern nicht bekommen konnten. Sie können ihren Kindern den Halt von Grenzen nicht geben. Es sind besonders traumatisierte Familiensysteme, die so zu einem symbiotischen Kollektiv werden. Sie entwickeln eigene, selbst-stabilisierende Mechanismen, ein eigenes Werte- und Glaubens-System, welches das Bewusstsein der Familien-Mitglieder bestimmt. Erwünscht ist eine Haltung des „für die anderen zur Verfügung stehen“, „Prothese“ zu sein für die „Amputationswunden“ eines anderen. Das Leid der Symbiose wird so zur Tugend der „Loyalität“ umgedeutet: Selbst-Losigkeit und unabgegrenztes Mit-Leiden werden als Zeichen von Liebe verstanden. Abgrenzung, Selbst-Bestimmung, Autonomie werden als Verrat, als egoistisch, als verrückt diffamiert. Das stiftet eine zusätzliche Verwirrung und erschwert die Wahrnehmung des Symbiose-Komplexes. Dies Phänomen der Kollektiven Symbiose finden sich auch ausserhalb der Familie, in Betrieben, Therapie-Schulen, Sekten, ja in ganzen traumatisierten Volksgemeinschaften. Staatlicher Terror kann die individuelle Autonomie brechen, – „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“- führt zu Anpassung und Unterwerfung, zur kollektiven Selbst-Entfremdung. Das verstärkt auch die familiären Symbiose-Muster.
als Überlebens-Strategie? Eine „kollektive Symbiose“, dies „symbiotische“ Selbstverständnis, dass der Clan vor dem einzelnen Mitglied Vorrang hat, war vielleicht für die Familienverbände unter den Extrembedingungen der menschlichen Frühzeit eine Überlebensstrategie. Seit dreitausend Jahren entwickelt sich jedoch etwas Neues: ein vom Clan abgegrenztes Ich-Bewusstsein. Der griechische Held Odysseus ist ein Beispiel für dieses neue Bewusstsein. Vielleicht kann das Auftreten der „kollektiven Symbiose“ in traumatisierten Systemen als eine Art von „Regression“ verstanden werden, als Rückfall in ein entwicklungsgeschichtlich früheres Stadium. Das Glaubens-System der kollektiven Symbiose verstärkt die Verwirrung und Selbst-Entfremdung der symbiotischen Familien-Systeme und belastet noch nach Generationen das „Aussteigen“ des Einzelnen mit massiven Schuldgefühlen („Abgrenzungsverbot“).
Das zweite Grundbedürfnis, das nach Autonomie, lässt sich jedoch auf die Dauer nicht unterdrücken. Die abgespaltenen Selbst-Anteile sind nicht einfach weg. Ungezähmt brechen sie ins Bewusstsein, stören die brüchige Harmonie, den „faulen“ Frieden und werden deshalb als zerstörerisch erlebt und noch stärker unterdrückt. Abgrenzung und Aggression richten sich immer mehr gegen eigene Selbst-Anteile. Das führt zu akuten Krisen, zur Zerrissenheit, zu einem Identitäts-Stress, zu psychosomatischen und somatischen Erkrankungen, zu einer spezifischen symbiotischen Verwirrung: Die Betroffenen identifizieren sich mit dem Gegenüber – anstatt mit den eigenen Selbst-Anteilen. Und anstatt vom Gegenüber grenzen sie sich von den eigenen Selbst-Anteilen ab.
Dieser Symbiosekomplex mit den Aspekten Anpassungstendenzen, Selbst-Entfremdung und Aggressionshemmung ist – so scheint es – die gemeinsame zentrale Ursache für Beziehungsstörungen, für seelische und körperliche Erkrankungen.
Vervollständigt wird dieser Symbiosekomplex noch durch spezifische Kompensations-Strategien: Um Verletzungen und Abhängigkeit zu vermeiden entwickeln manche eine Haltung der Überabgrenzung, der „Pseudo-Autonomie“. Sie lassen sich auf Nähe nicht mehr ein, unterdrücken ihr Mitgefühl, werden bitter, egoistisch, böse. Andere, vitalere Naturen versuchen das Dilemma dadurch zu lösen, dass sie andere manipulieren, von sich abhängig zu machen, um ihre eigene Abhängigkeit nicht zu spüren. Diese Menschen entwickeln Macht, sie finden sich in den „oberen Etagen“ von Wirtschaft und Finanzwelt, suchen nur selten therapeutische Hilfe. Aber wenn der manipulierte Partner sich befreit, merken auch sie, wie abhängig sie eigentlich waren. Diese Kompensations-Strategien können in unterschiedlicher Ausprägung und Mischungsverhältnissen auftreten.
LÖSUNG DURCH SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION Mit Hilfe von Repräsentanten (Satir, Hellinger) 2 3 stellt der Klient seine Kern-Familie auf. Die stellvertretende Wahrnehmung der Repräsentanten ermöglicht es, das Beziehungsgefüge der Familie mit seinen Verwerfungen zu rekonstruieren und erlaubt es, Generationen übergreifende Symbiosemuster bewusst zu machen, genauer zu erforschen und Lösungsstrategien quasi experimentell zu erproben. Der Klient stellt auch einen Repräsentanten für die Selbst-Anteile auf, die zwar zu seiner „Grundausstattung“ gehören, mit denen er aber nicht verbunden ist, die ihm zur Vollständigkeit fehlen, abgekürzt für sein „Selbst“. Meist stellt der Klient dieses „Selbst“ weit entfernt von sich auf. Zunächst wird deutlich, dass der Klient für einen oder beide – traumatisierte- Eltern fehlende Personen ersetzen wollte, dass er ihnen das Schwere abnehmen zu müsse glaubte, ja dass er mit einem oder gar beiden Eltern symbiotisch verschmolzen war. Offensichtlich war er auf dem „Boot“ des Elternteils „blinder Passagier“ oder gar „Lotse“ – mit oder ohne „Auftrag“! Das hinderte ihn daran, auf dem eigenen Boot „Kapitän“ zu sein, mit seinen eigenen Selbst-Anteilen – seinem „Bordcomputer“ – verbunden zu sein. Der Leiter erklärt dem Klienten die Zusammenhänge und weist ihn darauf hin, dass er das Recht hat, aus dem Boot des Elternteils „auszusteigen“ und die übernommene Schicksals-Lasten wieder mit Achtung zurück zu geben. Das ist nicht immer leicht, da der Klient die Symbiosemuster als „Liebe“ miss-versteht, und das „Aussteigen“ aus dem Symbiosemuster als lieblos und undankbar – „Unbewusstes Abgrenzungsverbot“. Er konnte bisher nicht sehen, dass er dadurch an Achtung verloren hat, für den Elternteil, aber auch für sich selbst! Archaische Lösungs- und Rückgabe-Rituale können, da sie direkt auf einer unbewussten Ebene wirken, diesen Lösung-Prozess erleichtern. Meist spürt der Klient nach diesem Lösungsschritt erstmals Verbindung und Interesse zu seinem „Selbst“. Aber er kann sich ihm noch nicht nähern.
Grenze und innerer Raum Durch die symbiotische Verschmelzung mit dem Elternteil gab es keine Grenze. Im Kontakt zu dem Elternteil war der innere Raum, wenn überhaupt vorhanden, eingenommen von den Themen des Elternteils. Für eigene Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, für das eigene „Selbst“ gab es buchstäblich keinen – oder zu wenig – Raum. Offensichtlich fühlt sich auch das „Selbst“ (Stellvertreter) beim Klienten erst dann „sicher“, wenn dieser den Raum schützen kann, auch und besonders gegenüber dem Elternteil!
Abgrenzungsritual In einem Ritual „schiebt“ der Klient den Repräsentanten des Elternteils über eine symbolische Grenze, aus seinem eigenen Raum heraus. Er mobilisiert seine blockierte Aggression und setzt sie konstruktiv in der Abgrenzung ein. Meist wird hier erneut das „unbewusste Abgrenzungsverbot“ sichtbar, der Kern des Symbiosekomplexes? Wenn es dem Klienten gelingt, sich selbst diese Abgrenzung zu erlauben, dann geschieht ein erstaunlicher Wandel: Haltung und Gesichtsausdruck wandeln sich wie mit einem Schlag, Lächeln und Würde und Gelassenheit entstehen, der Klient gewinnt seine Handlungsfähigkeit zurück. Anscheinend kommt es hier zu einer entscheidenden Richtungs-Umkehr der Aggression: statt destruktiv gegen das Selbst nun konstruktiv gegen das Gegenüber, um den inneren Raum und das eigene Selbst zu schützen. Der verlorene „Selbstschutz-Reflex“ ist wieder installiert. Das destruktiv gewordene Aggressions-Potential wird entlastet, dadurch, dass der „konstruktive“ Kanal in der Abgrenzung wieder eröffnet ist. Bei jedem Lösungsschritt wird der Klient gefragt, ob er dazu bereit ist. Das fordert und stärkt die Instanz in ihm, die sich entscheiden und Verantwortung übernehmen kann.
Diese Verfahrensweise hat eine hohe therapeutische Effizienz, die sich z.B. mit Hilfe des VEI/PAI Fragebogens testpsychologisch nachweisen liess.4
Zusammenfassung Die Verwendung von Repräsentanten mit ihrer stellvertretenden Wahrnehmung erlaubt es, die prägenden Kindheitsbeziehungen zu rekonstruieren und zu erforschen. So konnte das sich gegenseitig verstärkende Zusammenwirken von Symbiosetendenzen und Selbst-Entfremdung entdeckt werden, das Symbiose zu einer Falle macht, zu dem DILEMMA führt, das Mentzos in seinem Bipolaritäts-Modell beschreibt! Diese Sichtweise ermöglicht auch eine Lösung des DILEMMA’s, und zwar an der Wurzel! Die Annäherung an das „Selbst“ und das Lösen aus der Symbiose und der Aggressionshemmung sind einzeln nur schwer zu bewältigen. Mit dem Konzept der SYSTEMISCHEN SELBST-INTEGRATION lassen sich alle drei Aspekte in einem einzigen Prozess lösen, das ist wahrscheinlich der „Trick“ zur Lösung dieses Dilemma’s?! Der Stellvertreter für das „Selbst“ erweist sich dabei als wichtige Ressource und gleichzeitig als Katalysator für den Prozess. Die Betroffenen lernen, sich auch in einer Beziehung abzugrenzen, bei sich selbst zu bleiben, ohne Schuldgefühle. Freiheit und Bindung schliessen sich nicht mehr aus! So kann es in Beziehungen zu Begegnung, zu Auseinandersetzung, Veränderung und Wachstum kommen. Die Verbindung zu abgespaltenen Selbstanteilen ermöglicht wieder eine eigene autonome Orientierung, Selbst-Organisation, Identität.
Es wird deutlich, dass neben der Nähe und Bindung an die Eltern eine weitere Kraftquelle existiert: das eigene autonome Selbst, das auch dann da ist, wenn es abgespalten wurde. Diese Ressource ist vor allem dann wesentlich, wenn die Eltern so extrem verwirrt oder gewalttätig waren, dass eine Nähe zu ihnen für den Klienten nicht mehr möglich ist. Das eröffnet auch für die Traumatherapie neue Perspektiven.5
Solange Familiensteller nach Hellinger, das Symbiosethema und die Ressource des „Selbst“ systematisch ausblenden, laufen sie Gefahr, die Spaltungs-Tendenzen ihrer traumatisierten Klienten durch Versöhnungs-Strategien noch zu verstärken, sie erneut zu traumatisieren, bis hin zur suizidalen oder psychotischen Krise.
Das hier beschriebene therapeutische Konzept bedarf weiterer Differenzierung. Es ermöglicht ein umfassenderes Verständnis des Symbiose-Komplexes und eröffnet neue Lösungs-Strategien.
Dr.med. Ernst Robert Langlotz, Praxis für Psychiatrie und Systemtherapie, München, 03.07.08
Literatur:
1Stavros Mentzos, Psychotherapie in der Behandlung von chronisch schizophrenen Patienten, Psychotherapie im Dialog, September 2003, S. 223-229
2Nerin, Wiliam F. (1989) Familienkonstruktion in Aktion. Virginia Satir’s Methode in der Praxis, Paderborn
3Bert Hellinger (1994) Ordnungen der Liebe, Carl-Auer-Verlag, Heidelberg.
4Ernst R. Langlotz, “Zur Theorie der Aufstellungsarbeit, zur Effizienz des Familienstellens”, Praxis der Systemaufstellung, 2005; Heft 1 (S. 91)
5Ernst R. Langlotz, “Destruktion und Autonomieentwicklung – Ein Beitrag zum Verständnis und zur Behandlung destruktiven Verhaltens”, Praxis der Systemaufstellung, 2006, Heft 1 (S. 46)
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Vom „Falschen Selbst“ zur Selbst-integrierenden Trauma-Aufstellung
Fassung 14.8.24
Falsches Selbst Donald Winnikott, ein bekannter englisch-amerikanischer Psychoanalytiker behandelte vor 60 Jahren Kinder, und später die Kinder dieser Kinder. Für mich sympathisch: Er orientierte sich mehr an seiner Wahrnehmung, als an den analytischen Theorien. So beobachtete er bei seinen kleinen Patienten, dass manche Kinder in ihren ersten Beziehungen zu ihren Eltern mit ihren Bedürfnissen und Gefühlen nicht wahrgenommen wurden, ja dass sie dafür abgelehnt oder – mehr oder weniger subtil bestraft wurden. Diese Kinder passten sich an diese widrige emotionale Realität an – um zu überleben, um weitere Verletzungen zu vermeiden. Sie lernten schon als Baby, also unbewusst, diejenigen „spontanen Gesten“ – Ausdruck ihres „wahres Selbst“ – zu unterdrücken, die nicht erwünscht waren, und stattdessen ein „falsches Selbst“ zu entwickeln, das besser den Erwartungen und Bedürfnissen der Eltern entsprach. Offensichtlich identifizierten sie sich später mit diesem falschen Selbst, sodass es ihr eigenes Selbstbild, aber auch ihre Verhalten gegenüber den eigenen Kindern bestimmte – ohne dass ihnen das zunächst bewusst war. Obwohl sie es ja eigentlich „besser“ machen wollten als die eigenen Eltern! Das war das für manche sehr schmerzlich. Wenn sie dann erkannten, dass sie ihre eigenes Verhalten nur schwer ändern konnte, belastete das ihr ohnehin schon gemindertes Selbstwertgefühl, und sie holten sich therapeutische Hilfe. Warum konnte das Überlebensprogramm des Kleinkindes später das Erleben und Verhalten des Erwachsenen bestimmen?
Die Mandelkerne-Teil des limbische Systems Josph LeDoux, ein US-amerikanischer Hirnnforscher, erkannte vor 30 Jahren, dass es einen entwicklungsgeschichtlich sehr frühen Gehirnanteil gibt, der diese Erfahrungen (Traumata) und das daraus entstandene Programm speichert: die Amygdala (deutsch die Mandelkerne), ein Teil des so genannten limbische Systems. Diesen Gehirnanteil haben wir gemeinsam mit allen Säugetieren, sogar mit den Reptilien! Hier sind auch die angeborenen instinktiven Verhaltensmuster gespeichert, die für das Überleben einer Spezies wichtig sind. Zu diesem Überlebens-Instinkt gehört es, Reflexartig diejenigen Verhaltens Impulse, Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken, die von Bezugspersonen abgelehnt oder bestraft werden, und stattdessen Verhaltensweisen zu entwickeln für die man Zuwendung oder Belohnung erhält. Und wenn sich diese erlernten Verhaltensweisen über Generationen als überlebenswichtig zeigen, dann werden auch sie so „sicher“ gespeichert, wie die angeborenen Instinkte, in den Amygdala. Diese Gedächtnis-Instanz des Wolfes machte es der Spezies Mensch möglich, ein Wildtier wie den Wolf so zu zähmen, zu domestizieren, dass er heute als Hund für viele ein treuer Gefährte ist. Die gleiche Gedächtnis-Instanz, welche die Domestikation des Hundes ermöglicht, finden wir auch beim Menschen: die Amygdala – oder das „Körpergedächtnis“ - steuert auch die Entwicklung des falschen Selbst beim Menschen.
Daher sind diese belastenden Erfahrungen gespeichert, aber zugleich dem Bewusstsein nicht zugänglich (abgespalten). Das Programm wirkt sozusagen am Bewusstsein vorbei. Die Betroffenen erleben das als Zwang. Die Auswirkung dieses Programms beziehen sich daher mehr auf den Körper. Wird dies Programm durch äussere Reize (Trigger) aktiviert, dann können körperliche Symptome auftreten, wie Stress, Panikattacken, aber auch psychosomatische Erkrankungen. Der Körper – nicht das Bewusstsein! - ist sozusagen Projektionsfläche oder Resonanzkörper für die Amygdala. Umgekehrt können körperorientierte Behandlungen (Körperspür-Übungen, Osteopathie) den Stress mindern. Bisweilen werden dabei auch bisher abgespaltene Details der Traumata bewusst. So entstand die Vorstellungen und der Begriffe eines „Körpergedächtnis“. (Und einer Körperorientierten Therapie.) Obwohl dieser Begriff anatomisch nicht korrekt ist und zudem geeignet ist, die zentrale Instanz der Amygdala zu verschleiern, verwende auch ich diesen Begriff in Anführungszeichen.
Gedächtnis-Rekonsolidierung Bis vor 20 Jahren galt noch als Dogma „Die Amygdala vergessen nichts“. In zwischen trat ein Paradigmenwechsel ein. Die neuere Gedächtnisforschung hat herausgefunden, dass und wie diese frühen Programme aus dem Gedächtnis buchstäblich gelöscht werden können. Diese angeborene Fähigkeit der Selbstheilung bis ins hohe Alter wird als Gedächtnis-Rekonsolidierung bezeichnet. Neuere Therapiekonzepte wie EMDR (Thomas Hensel) und die Kohärenztherapie (Ecker et al.) benutzen dies Prinzip und beschreiben die Vorgehensweise.
Das Grundprinzip ist relativ einfach. Wenn es gelingt, den Zusammenhang des Problems von heute mit dem verursachenden Beziehungstrauma von damals bewusst zu machen, dann kann der Klient erkennen, dass seine Strategien damals sinnvoll waren. So wie es für einen Nichtschwimmer sinnvoll ist, sich an einen Rettungsreifen zu klammern. Dann wird ihm auch klar, dass er diesen lebensrettenden Rettungsreifen heute nicht mehr braucht – weil er ja schwimmen kann. Dann kann er sich bewusst und angstfrei von diesen alten Strategien verabschieden. Ohne sich selber dafür abzuwerten – sie waren ja damals überlebenswichtig. Und ohne sie festhalten zu müssen – z.B. Perfektionismus, Helfer-Syndrom oder Über-Empathie – weil sie ihm vielleicht - bis zuletzt - Anerkennung und Bewunderung einbracht haben.
Beziehungstraumen in Systemaufstellungen Symbiosemuster . . Vor 10 Jahren beschrieb ich in „Symbiose in Systemaufstellungen“ ein systemisches Konzept der destruktiven Symbiose, die ich bei allen meinem psychiatrischen – aber bei mir selbst! - als krankmachendes Beziehungsmuster entdeckte. Offensichtlich landet man bei bestimmten Traumata immer in der Psychiatrie! Wenn man Glück hat „im weissen Psychiatermantel“. (Langlotz) Die Aufstellungsmethode half mir, dies Muster genauer zu beschreiben und zu verstehen, als Folge früher Beziehungstraumen. Inzwischen arbeite ich nicht mehr mit Personen (Seminarteilnehmern) als Repräsentanten, sondern nur noch mit kleinen farbigen, unterschiedlich geformten Holzklötzchen. Sie erwiesen sich als hervorragend geeignet, nicht nur um Beziehungen zu Personen zu klären, sondern auch um frühe Beziehungstraumen und die damals entwickelten Anpassungsreflexe symbolisch zu rekonstruieren. . . als Überlebensprogramm bei Beziehungstrauma Ich beobachtete, dass in belastenden Beziehungen der unbewusste Überlebenswille von Kindern sie dazu veranlasst, diejenigen „spontanen Gesten“, diejenigen Äusserungen ihres wahren Selbst zu unterdrücken und zu verleugnen oder abzuspalten, die von ihren Bezugspersonen abgelehnt oder sogar durch seelische oder körperliche Verletzungen bestraft werden. Dieser unterdrückte Teil des wahren Selbst beinhaltet emotionale und vitale Aspekte eines gesunden Kindes. Daher bezeichnete ich das als kindlich-emotionales Selbst (KieS). Da durch die Abspaltung die Orientierung an eigenen Gefühlen – sozusagen der eigene innere Kompass – ausgeschaltet ist, orientieren sich die Betroffenen an den Bedürfnissen und Erwartungen anderer. Um so mehr, wenn sie dadurch das Gefühl bekommen, beachtet, oder sogar wertgeschätzt – da nützlich zu sein. Das nennen wir die magisch-grandiosen Anpassungsstrategien eines Kindes. Das dadurch gewonnene Selbstwertgefühl ist extrinsisch – durch Leistung bedingt. Und es ist brüchig. Da es durch Selbstüberforderung (Tendenz zu Perfektionismus und Kontrolle) entsteht (Selbsterhöhung), die nur scheitern kann, folgen Erschöpfung und Selbstabwertung. Klienten rekonstruieren diese Strategie mit den Symbolen folgendermassen: zu unterst liegt (unterdrückt) ihr KieS (grüner Quader) darauf liegt das belastende frühe Trauma (ein roter Würfel) und zusätzlich die Traumata der Bezugsperson (blauer Würfel). Wenn ein Kind von einer Bezugsperson verletzt wird, spürt es die Ursache dafür: das eigene Trauma dieser Person. Das Alltags-Ich des Klienten („Fokus“ Symbol: roter Quader) stellt sich dann in die „erhöhte Position“. Das symbolisiert „magisch-grandiose“ Bewältigungsstrategien, mit folgenden Aspekten (ein Vorteil der Symbolsprache!): • Unterdrücken der eigenen Gefühle und Bedürfnisse, • Verantwortlich für die Probleme Anderer (Helfer-Syndrom), • Abspaltung der eigenen Gefühle (Verlust des eigenen Kompass). Statt dessen • Antennen nach aussen gerichtet, um sich nach den Bedürfnissen der anderen zu orientieren. („Extrinsischer“ Selbstwert durch Leistung für andere) • Überlegenheitsgefühl ( perfekter, selbstloser als die anderen) • brüchiges Selbstwertgefühl, weil Selbstüberforderung erkannt wird, folgt Selbstausbeutung (Erschöpfung) und Selbst-Abwertung.
Das Programm des falschen Selbst Diese in sich widersprüchlichen Strategien (Selbstverleugnung, magisch-grandiose Strategien mit brüchigem Selbstwertgefühl) sind erstaunlich stereotyp (archaisch). Sie konkretisieren und differenzieren das, was Donald Winnikott als falsches Selbst beschrieb. Dem Klienten sind diese Aspekte nicht bewusst, aber dennoch irgendwie vertraut. Offensichtlich versteht sein „Körpergedächtnis“ die Symbol-Sprache der Klötzchen, die man ja auch anfassen kann, sodass er auch die sprachliche Umschreibung nachvollziehen kann. Dann kann er erkennen, dass er sich unbewusst mit diesem Programm identifiziert hat. Bisweilen hält er es irrtümlich für einen Teil seiner Identität, seines Charakters. Wenn die magisch-grandiosen Aspekte zu sozialem Ansehen geführt haben, dann ist er darauf bisweilen sogar stolz, den andere überlegen, und kann dadurch zum bösartigen Narzissten werden – abgeschnitten von jeder Empathie, für andere, aber auch für sich selbst. Häufiger jedoch leiden die Betroffenen unter der Selbstverleugnung, der Selbst-Überforderung mit Erschöpfung und Burnout und massivem Selbstwertverlust. Und sie werten sich selber dafür ab – als wären sie selber Schuld an ihrem Leid, als hätten sie selber dies Leid verhindern können. Wenn die Betroffenen diese Zusammenhänge erkennen, dann können sie sich heute von diesem „toxischen“ Überlebensprogramm verabschieden. Wenn sie ihren inneren Raum befreien von diesem Trauma-Introjekt, dann können sie heute das Glück der Selbstverbindung erleben. Das ist unsere Variante der Gedächtnis-Rekonsolidierung:
Trauma-Aufstellungen als Zugang zum „Körpergedächtnis“ Oben habe ich erklärt, dass das in den Amygdala gespeicherte Trauma mit dem dazu gehörigen Überlebensprogramm dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Das ist ja der Grund dafür, dass die Überlebensstrategie des Kleinkindes für den Erwachsenen nur noch Stress erzeugt, und zum Verlust der Selbstachtung führen kann, weil er sich selber dafür abwertet. Offensichtlich besteht der Wert der Aufstellungsmethode darin, dass sie dem Klienten – und dem Therapeuten – einen unmittelbaren Zugang zu den Amygdala ermöglicht, und zwar über den Körper: Körpergefühl und „Körpergedächtnis“. Das „Körpergedächtnis“ wirkt bei dem • Aufstellungsbild, sowohl bei Beziehungsklärung als auch bei Trauma-Aufstellungen: der Klient stellt es spontan auf, orientiert an seinem (Körper-) Gefühl. • Abgrenzung: Der Klient spürt beim Abgrenzen körperlich eine Hemmung, ein Verbot. Das entspricht dem als Kind gespeicherte Verbot, das eigene Trauma, seine Bewältigungsstrategien oder das „falsche Selbst“ der Bezugsperson abzugrenzen. • Selbst-Verbindung. Wenn er als Erwachsener es wagt, das Verbotene von damals heute zu tun, dann erlebt er eine Freiheit, dann spürt er – auch körperlich! - wieder seine Kraft, die durch das Programm „verboten waren“. Dann spürt er wieder Verbindung mit seinem gesunden Wesenskern, seine wahren Selbst.
Orientierung am (erwachsenen) wahren Selbst (ES) Mit Donald Winnikott nehmen wir an, dass die kindlichen Anpassungsstrategien bzw. das falsche Selbst die Auswirkung eines Lebenswillens sind, den wir im gesunden Wesenskern verorten, das wir als „erwachsenes wahres Selbst“ bezeichnen. Dieses wahre Selbst ist unsere Essenz, unser Potential – unverlierbar und unzerstörbar. Allerdings muss dies Potential erst „geweckt“ werden durch die absichtslose Liebe der Bezugspersonen. Häufig ist es jedoch überlagert oder verdrängt durch eigene oder fremde Traumen, die irrtümlich als Introjekt abgespeichert sind. Dennoch haben die meisten Klienten eine tiefe Sehnsucht nach diesem wahren Selbst - nach dieser inneren Würde. Viele haben das Glück der Selbstverbindung auch schon erlebt – in der Natur, im Ausland oder bei spirituellen Übungen. In der Trauma-Aufstellung vollzieht der Klient schrittweise eine Abgrenzung aller „toxischer“ Trauma-Introjekte. Parallel dazu erlebt er eine schrittweise Annäherung an sein wahres Selbst. Beide Vorgänge, die sich gegenseitig verstärken, verändern sein Körpergedächtnis. Der Klient spürt - nicht selten zum ersten Mal – das Glück der Selbstverbindung: ein bisher unbekanntes Körpergefühl der Ruhe und Freiheit. Und er spürt seine Kraft, die nicht mehr durch das „Ertragen des Unerträglichen“ gebunden ist, sodass er sie gezielt für sich selber einsetzen kann. Für den Klienten, der bisher von seinem Trauma-Programm fremdgesteuert wurde, ist dies Neue ist noch nicht vertraut. Ja die Unberechenbarkeit – eigentlich das „Gewürz des Lebens“ - kann ihn verunsichern. Um einem Rückfall in das alte Muster vorzubeugen, bietet sich die „Gegenabgrenzung“ an: Er stellt sich vor, dass er – symbolisiert durch den roten Quader – „aus alter Gewohnheit“ zurück geht, zu den Aspekten des Trauma-Konglomerates, beginnend mit dem eigenen Trauma von damals. Und sein wahres Selbst – der gelbe Quader, in der anderen Hand – stoppt ihn kraftvoll: “das ist vorbei! Das gehört nicht mehr zu dir!“ Diese Aktivierung der eigenen Kraft ist sehr wirksam. Das lässt uns annehmen, dass sie, verbunden mit dem körperlich spürbaren STOPP über das „Köpergedächtnis“ wahrgenommen und in den Amygdala gespeichert werden. Sodass das alte Programm gelöscht wird?
„Körpergedächtnis“ als Zugang zu einem unbekannten Trauma Wenn ein Klient mit einem quälenden Problem kommt, und ihm ist kein verursachendes Trauma bekannt, dann hat sich zur Lösung ein besonderes Aufstellungs- Format bewährt. Wir nennen es das Format „Blockierendes Element“. Es setzt zwei Annahmen voraus: • Wenn der Klient mit seinem Selbst verbunden wäre, gäbe es kein quälendes Problem. • Wenn er das Problem hat, dann muss in diesen Situationen seine Verbindung mit seinem Selbst blockiert sein. Dieses „blockierende Element“ kann der Klient durch die Aufstellung erkennen, es benennen und auf die bewährte Weise auflösen. Meist handelt es sich um ein eigenes – oder ein übernommenes Trauma.
Aufstellungsprozess „blockierendes Element“ Der Klient stellt das blockierende Element in Bezug zu seinem Fokus und den beiden Selbst-Anteilen (ES und KieS), wie es seinem „Körpergedächtnis“ entspricht (Aufstellungsbild). Er legt einen Finger auf den Fokus und spürt nach, wie es diesem in dieser Konstellation geht. Meist entspricht das, was er körperlich spürt, genau seinem Gefühl in dieser Situation. Nun legt er ein Symbol für eine Grenze seines Raumes, und setzt das blockierende Element beherzt aus seinem Raum heraus, und spürt noch einmal nach. Das Gefühl kann unterschiedlich sein: „befreiend“, „jetzt fehlt etwas“, oder beides zugleich. Als nächstes legt er einen Finger auf das blockierende Element (roter Würfel) und benutzt sein „Körpergedächtnis“ indem er in seinen Körper hineinspürt. „Was taucht auf: ein Körpergefühl, ein Gefühl, ein Bild, eine Person, ein Satz. Alles was auftaucht, kann wichtig sein.“ Wenn nicht gleich ein frühes Trauma auftaucht, sondern z.B. Körper-Gefühle von Druck, Angst, Übelkeit, dann gibt es die Frage: Gehört das ursächliche Ereignis für diese Gefühle zu ihrer Biografie – oder in das System von Mutter oder Vater? Wenn das ursächliche Ereignis in ihr Leben gehört: wie alt waren sie da? Und fällt ihnen zu dieser Zeit ein Ereignis ein, das solche Gefühle auslösen kann?
Meist taucht dann ein eigenes – oder übernommenes Trauma auf, dass erstaunlich gut passt, zu dem quälenden Problem bzw. zu der jeweils auslösenden Situation (Trigger). Hier benützen wir die unbewussten Verbindungsbahnen von den Amygdala zum Körper in der umgekehrten Richtung, um ein vergessenes abgespaltenes Ereignis erkennen, benennen und bearbeiten zu können.
Das „Körpergedächtnis“ als Zugang zu vorgeburtlichen Traumen
Als mir das Thema verlorener Zwilling zum ersten Mal begegnete – vielleicht vor 25 Jahren? - da konnte ich es als Arzt und Naturwissenschaftler mir nicht vorstellen, dass der frühe Verlust eines Zwillings-Geschwisters in der 8.-12. Woche so gravierende Folgen haben könnte, für ein Kind und später für einen Erwachsenen. Inzwischen aber bin ich davon überzeugt, dass 30-40% von uns zu Beginn der Schwangerschaft nicht alleine im Mutterleib waren, sondern zusammen mit einem Zwilling – seltener auch mit zwei Drillingen. Und dass die Betroffenen diesen „Zwillingsmodus“ - diese harmonische Zweisamkeit – so gespeichert haben, als wäre das ihre eigentliche Identität. Daher war der frühe Verlust dieses Zwillings ein existenziell bedrohliches Trauma, wie Amputation ohne Narkose.
Körpergedächtnis und Zwillingsverlust Die Aufstellungsmethode ist besonders gut geeignet, dieses vorgeburtliche – und daher auch vorsprachliche Trauma zu überprüfen, da sie sich der „Symbolsprache“ der Klötzchen bedient, die dem „Körpergedächtnis“ verständlich ist. Da dies Verlusttrauma den Betroffenen – Mutter und Kind – meistens nicht bewusst ist, ist der „Zugang“ zu diesem Trauma über das Körpergedächtnis der einzig mögliche. Der Klient stellt nach seinem „Körpergedächtnis“ – nicht nach seinem Verstand! - für den vermuteten Zwilling und für seinen eigenen Wesenskern (sein „Wahres Selbst“) Stellvertreter oder Symbole auf. Meist steht er dann dem vermuteten Zwilling näher als seinem wahren Selbst! Nicht selten ist er selber davon überrascht! Dann überprüfe ich - sozusagen experimentell - durch die Aufstellung, ob die Begegnung und dann der Abschied von diesem vermuteten Zwilling eine emotionale Reaktion auslöst. Wenn dann sehr heftige Gefühle, Schmerz, und Trauer den Klienten überfluten, wenn er dann „Rotz und Wasser heult“ – zu seiner eigenen Überraschung! - dann ist auch für einen zunächst skeptischen Klienten die Hypothese eines verlorenen Zwillings bewiesen.
Der „Zwillingsmodus“ als Identität Um dies Phänomen zu erklären, muss man annehmen, dass die Existenz eines Zwillingswesens im Mutterleib vom Klienten bereits als Embryo im „Körpergedächtnis“ abgespeichert wurde, so als gehöre dies Wesen unverlierbar zu ihm. So als könne er nur in diesem „Zwillingsmodus“ glücklich und vollständig sein. Denn den Modus „vollständig alleine im Mutterleib“ konnte er in seinem“Körpergedächtnis“ nicht abspeichern.
Zwillingsverlust wie Amputation Dann wird nachvollziehbar, wie sehr der frühe Verlust dieses Zwillings dessen Identitätsgefühl bedroht hat. Daher die Sehnsucht nach einer verschmelzenden Beziehung. Aber auch der existentiell bedrohlichen Schmerz, wie bei einer Amputation „ohne Narkose“, wurde im „Körpergedächtnis“ gespeichert, ohne dass das dem Klienten bewusst werden konnte.
Vorgeburtliche Erfahrungen sind vorsprachlich und werden daher im Körper abgespeichert Da dies Ereignis pränatal, also in einer vorsprachlichen Entwicklungsstufe stattfand, konnte es nur als Gefühl im Körper abgespeichert werden. Die Hirnrinde, die sprachliche Inhalte speichern kann, war noch nicht entwickelt. Spätere Erfahrungen von Trennung oder Verlassen-werden können offensichtlich dieses Verlusttrauma „triggern“, sodass der Klient überflutet wird von den damaligen Gefühlen: einer tiefen Trauer, nicht selten verbunden mit Schuldgefühlen, Verzweiflung und Wut.
Die Symptome des „überlebenden“ Zwillings habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben 1)
„Körpergedächtnis“ – als „High-Tech“- Forschungsobjekt
Frau Dr. Esther Kühn, Magdeburg versucht, psychologische Vorgänge mit biologischen Methoden zu beschreiben. Mit Ihrer Forschung zum „BodyMemory“, dem Körpergedächtnis, untersucht sie die Frage, wie man körperliche Erfahrungen, beispielsweise Berührungen, abspeichert und wie diese die Psyche beeinflussen. Dazu verwendet die Forscherin hochmoderne Technik, wie eine 7-Tesla-Magnetresonanztomographen (MRT) am DZNE, um tief ins Innerste des Gehirns ihrer Probanden schauen.
Wir haben kein High-Tech-Labor zu Verfügung. Wir arbeiten online im „Home-Labor“. Der Klient benennt sein Anliegen. Wir stellen ihm das Instrument „Aufstellungen mit Symbolen“ zu Verfügung. Die Symbolsprache der Aufstellung ermöglicht es seinem Körpergedächtnisses, die eigentliche Ursache seines aktuellen Problems erkennen, zu benennen. Mit Symbolen kann er sein damaliges Trauma und die der Bezugspersonen rekonstruieren, zusammen mit seinen damals gespeicherten Anpassungs-Reflexen.
Jetzt kann er erkennen, dass sein Überlebensprogramm für das Kind von damals lebensrettend war. Daher muss er sich heute dafür nicht schämen oder abwerten. Wenn er erkennt, dass dies Programm für ihn als Erwachsenen mit Selbst-Überforderung, Erschöpfung und Selbst-Abwertung verbunden ist, kann er es löschen.
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
liebe Freunde liebe Kolleginnen und Kollegen, der gerade veröffentlichte Beitrag zum zwillingsthema hat bei mir Überlegungen angestoßen zur Rolle des Körpergedächtnis bei unserer Art von Systemaufstellung. Das beginnt ja schon damit wenn Klienten mit Klötzchen ihr Thema aufstellen dass sie da nach ihrem Körpergefühl diese Klötzchen zueinander in Beziehung Stellen. offenbar gibt es ein im Körper abgespeichtertes Gefühl für die Nähe oder Ferne zu den einzelnen Elementen: zum eigenen Selbst, zum Elternteil, zum Geschwistert. Da taucht im Grunde dieses Körpergedächtnis schon auf, dies Körpergefühl. Und weiter verwenden wir es dann wenn wir z.B testen bei Beziehungs Klärung , welche Rollen der Klient im Raum der Mutter z.B übernommen hat. Wenn er dann dieses Klötzchen stellt hinter die Mutter so als müsste er der Mutter das ersetzen was der als Kind gefehlt hat. Dann kann er spüren wenn er ein Finger auf dieses klötzchen legt ob er diesen Platz kennt das heißt er hat in seinem Körper abgespeichert dieses Gefühl für die Mutter verantwortlich zu sein, wie ihr den Rücken zu stärken, oder wenn die Mutter den Partner real oder emotional gar nicht an ihrer Seite hatte dann ist es ja gar nicht selten dass ein Klient der Mutter versucht diesen Partner zu ersetzen. Das kann man auf dieser Symbolebene überprüfen. Auch da spielt das Körpergefühl eine Rolle. Das hat aber noch ganz andere Aspekte. Wenn eine Mutter z.B früh selber ein Geschwister verloren hat und diesem Geschwister noch nachtrauert so als wäre es eigentlich ein Teil von ihr. Wenn sozusagen dieses verlorene Geschwister sie daran hindert mit ihrem eigenen SELBST verbunden zu sein - dass sich vollständig fühlt auch ohne dieses Geschwister - dann kann man auch das überprüfen indem man ein Klötzchen an die Stelle von diesem verlorenen Geschwister der Mutter stellt . Dann spürt der Klient ob er diesen Platz einnimmt oder nicht. Da spielt vielleicht ein persönliches eigenes Thema eine Rolle: wie meine Mutter mit mir schwanger war verlor sie ihren geliebten Bruder Robert und sie nannte mich nach ihm!und ihr könnt euch vorstellen was für ein "Programm" damit verbunden war und erst nach und nach ist mir das bewusst geworden. Also: etwas was verbal zunächst mal gar nicht so leicht zugänglich ist kann man auf diese Art und Weise in der Aufstellung körperlich spüren und dann auch lösen. Das ist eben das Wichtige. Auf diese Art und Weise können wir uns auch erklären warum z.B eine Mutter die einen Zwilling verloren hat dann manchmal zu einem Kind eine besondere besonders enge Beziehung findet umso mehr wenn dieses Kind möglicherweise selber einen Zwilling verloren hat. Dieses Phänomen zu beschreiben ist noch ein bisschen ungewohnt. Man könnte es so versuchen dass man sagt der Mutter fehlt ihr verlorener Zwilling und dann projiziert sie auf ein Kind diesen verlorenen Zwilling. Und dieses Kind das spürt diese Projektionen. Es spürt dass es in dieser Rolle des verlorenen Zwillings der Mutter für die Mutter eine besondere Wertigkeit hat! Und diese besondere Wichtigkeit hindert vielleicht dieses Kind daran seine eigene Identität zu entwickeln, es selber zu sein. Aber es hat halt, dadurch diese Illusion für die Mutter besonders wichtig zu sein und so eine sehr besondere Beziehung zu dieser Mutter zu haben. Man könnte diese Art von Trauma auch als Projektionstrauma bezeichnen: Die Mutter projiziert sozusagen den fehlenden Bruder auf das Kind und das Kind identifiziert sich mit dieser Projektion und macht es sozusagen zu seiner Identität. Das ist natürlich eine falsche Identität. Da erinnern wir uns an Winnikot mit seinem Vorstellung von dem falschen Selbst. So bezeichnet er ja dieses bekannte Phänomen, das sehr verbreitet ist. Wenn ein Kind spürt dass bestimmte Seiten von ihm gar nicht wahrgenommen werden von den Eltern oder gar nicht erwünscht sind dann lernt es diese Aspekte zu unterdrücken. Wenn es spürt dass andere Aspekte von den Eltern sehr erwünscht sind dann entwickelt es eben Antennen um diese Erwartungen der Eltern zu spüren, um diese Projektion der Eltern zu spüren, um sich dann damit identifizieren zu können Damit es auf diese Art und Weise zumindestens die Illusion hat wichtig für die Elter zu sein. Auch wenn das natürlich dann die eigene Identität die eigene wahre Identität die eigene Authentizität beeinträchtigt. Diese Gedanken wollte ich mit euch teilen und ich fordere euch auf mir entweder als Kommentar oder auch auf meinem Forum dazu eure Beobachtungen oder eure Überlegungen mitzuteilen!
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
VORGEBURTLICHES TRAUMA (ZWILLINGSVERLUST) UND DAS KÖRPERGEDÄCHTNIS Selbst-integrierende Auflösung eines Pränatalen Verlusttrauma´s Ero Langlotz, 2.8.2024
Als mir das Thema verlorener Zwilling zum ersten Mal begegnete – vielleicht vor 25 Jahren? - da konnte ich es als Arzt und Naturwissenschaftler mir nicht vorstellen, dass der frühe Verlust eines Zwillings-Geschwisters in der 8.-12. Woche so gravierende Folgen haben könnte, für ein Kind und später für einen Erwachsenen. Um so mehr als die Tatsache eines solchen Geschehens im Nachhinein nicht bewiesen werden kann. War das nicht alles esoterische Verwirrung, ähnlich wie die Vorstellung einer „Seelenverwandschaft“? Zumal sich ja in der Regel weder die Mutter-und schon gar nicht das Kind an dies Ereignis erinnern können! Inzwischen aber bin ich davon überzeugt, dass 30-40% von uns zu Beginn der Schwangerschaft nicht alleine im Mutterleib waren, sondern zusammen mit einem Zwilling – seltener auch mit zwei Drillingen. Und dass die Betroffenen diesen „Zwillingsmodus“ - diese harmonische Zweisamkeit – so gespeichert haben, als wäre das ihre eigentliche Identität. Daher war der frühe Verlust dieses Zwillings ein existenziell bedrohliches Trauma.
Zwillingsverlust...zunächst nur eine Hypothese Wenn heute ein Klient mit diesem Thema kommt, bzw. wenn ich auf Grund bestimmter, weiter unten erläuterter „Indizien“ einen frühen Zwillingsverlust annehme, dann behandle ich das zunächst als Hypothese. Die Aufstellungsmethode ist besonders gut geeignet, diese Hypothese zu überprüfen, da sie die Phänomene Raum und Grenze unmittelbar symbolisiert, und daher körperlich spürbar machen kann.
Der Klient stellt nach seinem Gefühl – nicht nach seinem Verstand! - für den vermuteten Zwilling und für seinen eigenen Wesenskern (sein „Wahres Selbst“) Stellvertreter oder Symbole auf. Meist steht er dann dem vermuteten Zwilling näher als seinem wahren Selbst! Nicht selten ist er selber davon überrascht! Das ist für mich der erste Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um einen verlorenen Zwilling handeln könnte. Dann überprüfe ich - sozusagen experimentell - durch die Aufstellung, ob die Begegnung und dann der Abschied von diesem vermuteten Zwilling eine emotionale Reaktion auslöst. Wenn dann sehr heftige Gefühle, Schmerz, und Trauer den Klienten überfluten, wenn er dann „Rotz und Wasser heult“ – zu seiner eigenen Überraschung! - dann ist für mich die Hypothese eines verlorenen Zwillings bewiesen.
Der „Zwillingsmodus“ als Identität Um dies Phänomen zu erklären, muss man annehmen, dass die Existenz eines Zwillingswesens im Mutterleib vom Klienten bereits als Embryo im Körper abgespeichert wurde, so als gehöre dies Wesen unverlierbar zu ihm. So als könne er nur in diesem „Zwillingsmodus“ glücklich und vollständig sein. Denn den Modus „zufrieden alleine im Mutterleib“ hatte er ja nie kennen gelernt!
Zwillingsverlust wie Amputation Dann wird nachvollziehbar, wie sehr der frühe Verlust dieses Zwillings dessen Identitätsgefühl bedroht hat. Anscheinend löste der Verlust einen existentiell bedrohlichen Schmerz aus, wie bei einer Amputation „ohne Narkose“. Und dieser Schmerz wurde im Körper gespeichert, ohne dass das dem Klienten bewusst werden konnte. Zusammen mit einer tiefen Trauer, dem Gefühl, alleine gelassen worden zu sein. Nicht selten auch mit großen Schuldgefühlen. Betroffene Klienten kennen diese bisher unerklärlichen Schuldgefühle und können sie heute sprachlich formulieren: „als hätte ich ihn retten müssen.“ „Als hätte ich sein Ende verschuldet“ oder „Als hätte ich ihm in den Tod folgen müssen – damit wir beide nicht getrennt werden durch den Tod!“
Bisweilen können Klienten im Aufstellungsprozess spüren, ob der Zwilling ein Bruder oder eine Schwester war. Der Verlust eines Zwillingsbruders kann dann für eine Klientin besonders belastend sein, wenn deren Eltern sich so dringend einen Sohn gewünscht hätten. Dann kann sich – unbewusst!! - eine Vorstellung einprägen: „besser wäre ich an seiner Stelle gestorben!“ Oder „dann muss ich für meine Eltern diesen gewünschten Sohn ersetzen!“ Das Wieder-Erkennen dieser vorsprachlich entstandenen Glaubenssätze heute ist für die Klienten sehr bewegend – und entlastend. Endlich versteht er diese Gefühle, diese Glaubenssätze, die bisher für ihn selber – und für andere – so unverständlich waren, ja vielleicht sogar „verrückt“ erschienen.
Vorgeburtliche Erfahrungen sind vorsprachlich und werden daher im Körper abgespeichert Da dies Ereignis pränatal, also in einer vorsprachlichen Entwicklungsstufe stattfand, konnte es nur als Gefühl im Körper abgespeichert werden. Die Hirnrinde, die sprachliche Inhalte speichern kann, war noch nicht entwickelt. Spätere Erfahrungen von Trennung oder Verlassen-werden können offensichtlich diesen Schmerz „triggern“, sodass der Klient überflutet wird von den damaligen Gefühlen: einer tiefen Trauer, nicht selten verbunden mit Schuldgefühlen, Verzweiflung und Wut.
Symptome des „überlebenden“ Zwillings Kinder mit diesem vorgeburtlichen Verlust-Trauma schreien oft – anscheinend ohne Grund : „Schreikinder“. Sie klammern sich ängstlich an ihre Bezugspersonen – um sie nicht zu verlieren? Und sie suchen den nahen Hautkontakt. Oft können sie alleine gar nicht einschlafen. Sie fühlen sich oft unsagbar alleine und verlassen. Bisweilen spüren sie unerklärliche Schuldgefühle, so als hätten sie selber nicht das Recht zu leben, als hätten sie den Zwilling retten sollen - oder als hätten sie vielleicht sogar selber sein Verschwinden verursacht. Sie spüren eine tiefe Sehnsucht nach einer verschmelzenden und ausschliesslichen Beziehung zu einem anderen Wesen, um den früheren „Zwillingsmodus“ wieder herzustellen. Das kann die Mutter betreffen, ein Geschwister, oder eine Freundin. Später den Partner, ein eigenes Kind. Nicht selten tritt auch ein innig geliebtes Tier an die Stelle des verlorenen Zwillings! Selbst dann, wenn die Betroffenen endlich diese verschmelzende Bindung gefunden zu haben glauben, kann nicht selten eine heftige Verlustangst auftreten. Diese – zusammen mit dem Bedürfnis nach Ausschliesslichkeit der Beziehung – kann dann heftige Eifersuchtsgefühle auslösen.
Diese Gefühle können in unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlichen Kombinationen auftreten. Besonders intensiv sind sie bei sensiblen und sehr Fantasie-begabten Menschen.
Bisweilen haben Betroffene auch das Gefühl, ihren richtigen Platz nicht zu finden, in der Familie, in der Gesellschaft – vielleicht aus einer unbewussten „Identifizierung“ mit dem verstorbenen Zwilling, der auch keinen Platz in der Familie und in der Welt finden konnte?
Da sie sich nur mit dem Zwilling vollständig und glücklich gefühlt haben („Zwillingsmodus“) konnten sie keine Wahrnehmung für eigene aber auch für fremde Grenzen entwickeln. Sie konnten auch ihr wahres Selbst, das sich alleine vollständig fühlen kann, nicht kennen lernen. Sie haben sozusagen den (sterblichen) Zwilling verwechselt mit ihrem (unverlierbaren!) Selbst. Das erklärt ihr symbiotisches Beziehungsmuster, mit Tendenzen zu Übergriffigkeit (Helfersyndrom) oder der Bereitschaft, sich von anderen benutzen zu lassen. In traumatisierten Familien kann das bewirken, dass die Betroffenen sich für die Probleme der belasteten Familienmitglieder zuständig fühlen.
Diese unterschiedlichen Gefühle können das Selbstwertgefühl und die Fröhlichkeit der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Umso mehr, da sie scheinbar grundlos auftreten, bzw. da den Betroffenen die eigentliche Ursache ihrer Gefühle unbekannt ist. Daher tendieren sie dazu, diese widersprüchlichen Gefühle als Teil ihrer Identität zu verstehen, so als gehöre das zu ihrem Charakter dazu.
Die Stärken der überlebenden Zwillinge Manche Betroffene entwickeln ausgeprägte mediale Fähigkeiten - auch das eine Folge einer eingeschränkten Abgrenzungsfähigkeit? - und wenden sich dann einem Heil(er)-Beruf zu. Nicht selten fühlen sie sich angezogen von „Parallelwelten“, von Spiritualität oder von der geistigen Welt, oder von der Welt der Verstorbenen. Zuvor wurden von mir die leidvollen Symptome ausführlich dargestellt. Daher möchte ich ausdrücklich auf positive Aspekte hinweisen, die ich regelmässig bei überlebenden Zwillingen gefunden habe. Trotz ihrer offensichtlichen tiefen Verwirrung: • Sie sind sehr ehrlich und offen. • Sie haben etwas sehr Redliches, sie möchten nichts falsch machen. • Sie haben ein sicheres Gefühl, für das, was stimmig ist. • Sie haben „ein Gespür für Qualität“. Und • sie geben nicht auf-trotz heftigster Widrigkeiten! Vielleicht weil sie so früh schon eine Zweierbeziehung erlebt haben, die damals NUR beglückend war?
Bewältigungsstrategien, um das Getriggert-werden zu vermeiden Die bisher aufgezählten Symptome könnte man als „primäre“ Symptome bezeichnen. Wenn mehrere dieser Symptome vorhanden sind, verstehe ich das als ein Indiz für einen vorgeburtlichen Zwillingsverlust. Auch deshalb habe ich versucht, sie so präzise wie möglich zu beschreiben! Dazu kommen dann „sekundäre“ Symptome, die durch Bewältigungsstrategien entstehen. Die primären Symptome verstärken sich, wenn sie „getriggert“ werden durch Aspekte des frühen Verlusttrauma´s: Trennung, Abschied, Verlassen werden. Auch wenn die Betroffenen selber weniger beachtet werden, z.B. weil eine andere Person Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bisweilen kann sogar das „Glück“ einer ausschliesslichen Zweisamkeit massive Verlust-Ängste auslösen. Das ist für die Betroffenen – und deren Beziehungspartner – völlig unverständlich und verwirrend. Und es belastet zunehmend die soziale Beziehungen.
Verständlich, dass gerade intelligente Betroffene Vermeidungsstrategien entwickeln, um sich - und ihrer Umgebung - diese Gefühlsausbrüche zu ersparen. Sie versuchen daher, die Situationen, die sie triggern, zu vermeiden, durch Kontroll-Tendenzen, durch Rituale, die bizarre Formen annehmen und wie Zwangs-Symptome erscheinen können. Sie entstehen unbewusst, und daher können sie auch durch rationale Erörterungen wenig oder gar nicht beeinflusst werden.
Primäre und sekundäre Symptome haben eine Tendenz, sich zu verstärken. Das belastet die sozialen Beziehungen, und kann bis zum emotionalen und sozialen Rückzug führen. Daher suchen die Betroffenen bisweilen Hilfe bei Fachleuten.
Zusätzliche Taumatisierung durch eine Diagnosen-orientierte Therapie Leider ist es immer noch so, dass die meisten Therapeuten vorgeburtliche Traumen und damit auch den frühen Zwillingsverlust nicht kennen, da es dafür lange keine wissenschaftlichen Beweise gab. Diesen Standpunkt hatte ja ich selber früher vertreten. Daher können sie nicht eine Therapie anbieten, die an den Ursachen orientiert ist. Umso mehr, da bis vor 20 Jahren das „Dogma“ verbreitet war: gespeicherte Traumata können nicht gelöscht werden, selbst wenn sie bewusst sind. Unter „Therapie“ wurde daher allgemein verstanden, • die richtige Diagnose zu finden (orientiert an den Symptomen – etwaige verursachende Traumen waren irrelevant), und dann • geeignete Massnahmen anzuwenden, um die störenden Verhaltensweisen zu unterbinden. Dabei gab es im Wesentlichen • zwei Methoden: die tiefenpsychologische, und die Verhaltenstherapeutische.
Für die Betroffenen konnte das sehr belastend sein: ihr bereits bestehendes Gefühl, irgendwie „falsch“ zu sein wurde zusätzlich verstärkt, indem ihnen eine – meist „psychiatrische“ Diagnose zugeordnet wurde. Wenn dann die Therapie keine Wirkung zeigte – weil ja die eigentliche Ursache ihrer Probleme nicht erkannt und schon gar nicht aufgelöst wurde - dann erlebten die Betroffenen das als erneutes „Versagen“, das ihr negatives Selbstbild noch weiter verstärkte.
Eine Trauma-orientierte Therapie Inzwischen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Gedächtnisforscher haben vor ca. 20 Jahren ein angeborenes Selbstheilungspotential entdeckt: auch früh gespeicherte Traumen können „gelöscht“ werden, bis ins hohe Alter – durch Aktivierung dieses Potentials der REKONSOLIDIERUNG. Seitdem haben sich mehrere Therapiemethode entwickelt, die mit Hilfe dieses Prinzips rasche und anhaltende Wirkungen erzielen. Dazu gehören unter anderem GEDÄCHTNIS-REKONSOLIDIERUNG ( Bruce Ecker, Robin Ticic, Laurel Hulley) und EMDR (Thomas Hensel, „Stressorbasierte Therapie“). Unabhängig davon habe ich seit ca. 15 Jahren unter Verwendung des Aufstellungs-Settings das Konzept der „Systemischen Selbst-Integration“ entwickelt. Es gelang mir ein gemeinsames Grundmuster hinter der verwirrenden Vielfalt psychischer und somatischer Störungen zu erkennen und zu beschreiben: das Beziehungsmuster der destruktiven Symbiose. Weiter zeigte sich, dass dies Muster immer durch ein Selbstwert-beschädigendes Trauma ausgelöst wird – meist durch mehrere. Das von mir verwendete Aufstellungs-Setting war dazu besonders geeignet,da es den Klienten ermöglichte, unmittelbar körperlich spüren, wie verwirrend sich fehlende Grenzen auswirken: Ohne Grenzen kein eigener Raum. Ohne eigenen Raum keine Selbstverbindung, kein Selbstbestimmtes,kein authentisches Leben. UND die Klienten konnten körperlich spüren, wie aktive gezielte Abgrenzung sich zunächst verboten anfühlte – „Abgrenzungsverbot“ als Verwirrung durch das Trauma. Wenn sie sich dennoch die Abgrenzung erlaubten, dann erlebten sei eine bisher unbekannte Befreiung. Endlich konnten sie ihre „gesunde“ Kraft konstruktiv für sich selber einsetzen. Wenn sie alles „Ich-Fremde“ aus ihrem Raum entfernten, konnten sie das Glück der Selbst-Verbindung erleben.
Schon früh erkannte ich – wie oben angedeutet – dass sich dies Konzept auch zur Abklärung und zur Behandlung vorgeburtlicher Traumata einsetzen lässt. Beim frühen Zwillings-Verlusttrauma sind dazu folgende Schritte für den Klienten erforderlich: • Den Zwilling – den er sich unbewusst quasi „einverleibt“ hatte - wahrzunehmen als eigenständiges und in sich vollständiges Wesen, das sein eigenes Schicksal hatte. • Es würdigen, dass er den Klienten auf diese Welt begleitet hatte, sodass dieser nicht alleine war, sondern schon so früh eine wunderbare Beziehung erleben konnte. • Erkennen, dass das bisherige unbewusste „Festhalten“ des inzwischen verstorbenen Zwillings für beide belastend ist. Den Zwilling hindert es daran, seinen Frieden zu finden. Den Klienten hat es daran gehindert, in sein eigenes unbeschwertes Leben zu gehen. • Der Abschied vom Zwilling, und ihn loslassen – „dahin wo er endlich seinen Frieden findet.“ Dieser Schritt kann heftigen Trennungsschmerz auslösen – aber dieser Abschiedsschmerz ist doppelt heilsam: • Der Klient lernt, seine Grenzen und seinen eigenen Raum wahrzunehmen. • Das ist die Voraussetzung, um wieder mit seinem Wesenskern zu verschmelzen – statt wie bisher irrtümlich mit seinem Zwilling.
Diese aktuelle Vorgehensweise – inzwischen nur noch online, mit Symbolen statt mit Repräsentanten – können sie in diesem Video erleben: https://youtu.be/Qe3GSo6tljQ
Thema von ero langlotz im Forum ZUKUNFTSORIENTIERT - S...
Deutschland hat gerade 1:2 gegen England verloren. Die Deutschen sind enttäuscht und werfen dem Schiri vor, ein Handspiel nicht gewertet zu haben. Nagelsmann, der Trainer der Nationalmannschaft betont mit Recht: entscheidend sei doch das hervorragende Zusammenspiel unserer Mannschaft gewesen. Und diese „Symbiose“ wäre auch in anderen Lebensbereichen sehr wertvoll. Wir verstehen in unserem Gebiet Symbiose als etwas negatives, als das Fehlen von Autonomie. Diese unterschiedlichen Bewertung von „Symbiose“ ist sehr verwirrend – das erlebe ich jeden Tag. Daher versuche ich heute, möglichst knapp die unterschiedlichen Formen von Symbiose zu definieren. Hilfreich für diese Differenzierungen sind zwei Gesichtspunkte: 1. handelt es sich um ebenbürtige Partner oder besteht ein naturgegebenes „Autonomie-Gefälle“ (z.B.Mutter-Säugling) 2. nützt diese Beziehung beiden Partnern, oder nur einem? Schadet sie vielleicht beiden, oder zerstört sie sogar den anderen?
1. Symbiose als Win-Win Wenn Nagelsmann von Symbiose spricht, dann meint er das weit verbreitete Beziehungs-Phänomen, bei dem alle Beteiligten einen Gewinn haben, und keiner benachteiligt wird. Auf „Neudeutsch“ eine Win-Win-Situation. Diese Form finden wir zum Beispiel, im Verhältnis der Ameisen zu den Blattläusen. Sie legen „Blattlauskolonien“ an und nähren sich von derem Sekret. Oder unser Verhältnis zu bestimmten Bakterien, die unseren Darm besiedeln, und uns beim Aufschliessen von Nahrungsmitteln wertvolle Dienste leisten.
2. Mutter-Kind-Symbiose Hier besteht ein ausgeprägtes Autonomie-Gefälle. Da das Neugeborene alleine nicht lebensfähig ist, orientiert sich die Mutter nach den Bedürfnissen des Kindes – und muss dabei eigene Bedürfnisse zurückstellen. Je mehr das Kind eigene Fähigkeiten entwickelt – und diese auch anwenden will – desto mehr kann und muss die Mutter sich wieder nach den eigenen Bedürfnissen orientieren. Diese naturgegebene Autonomie-Entwicklung des Kindes könnte zur Auflösung der Mutter-Kind-Symbiose führen. Wir alle wissen, dass das heutzutage nicht immer gelingt. Manche Mütter, die selber wenig Selbstwert und Autonomie entwickeln konnten, halten diese „Überfürsorge“ irrtümlich für „Liebe“ zu der sie sich verpflichtet fühlen - um sich als „gute Mutter“ wertvoll zu fühlen. Sie reagieren gekränkt und vorwurfsvoll auf die – bisweilen ungestümen – Autonomiebewegungen des Kindes. Dadurch kann es zu Kontakt-Abbruch kommen – oder auch zu lebenslanger Unterwerfung und Abhängigkeit des Kindes.
3. Autonomie Als Autonomie wird die Fähigkeit bezeichnet, sein Leben SELBST-bestimmt – statt FREMD-bestimmt führen zu können. Entscheidend sind die ersten „prägenden“ Beziehungen. Wenn ein Kind gelernt hat, dass es wert ist, beachtet, versorgt und geliebt zu werden, einfach weil es da ist – unabhängig davon, ob es nützlich ist durch Leistung oder Gehorsam, dann entwickelt es ein Selbstwert-Gefühl. Dazu gehört das Recht, sich immer mehr nach der eigenen Wahrnehmung, nach eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu orientieren. Durch diesen Selbstwert, durch diesen eigenen „Kompass“ kann sich auch eine Struktur entwickeln: Die Wahrnehmung für den eigenen Raum und die eigenen Grenzen, die geschützt werden dürfen, wenn sich Fremde ungebeten einmischen wollen. Die Wahrnehmung und der Respekt für fremde Grenzen, Räume und Interessen, die verletzt werden, wenn man sich ungefragt einmischen zu müssen glaubt. Diese Struktur ermöglicht es, die gesunde Kraft- auch die gesunde Wut – gerichtet einzusetzen, statt sie zu unterdrücken und destruktiv gegen sich und andere zu lenken. Der eigene Selbstwert, die eigene Würde erlaubt auch, absichtslose Liebe von anderen anzunehmen – und selber zu schenken. Das Selbstwertgefühl macht es möglich, sich zu zeigen, wie man wirklich ist. Das macht authentisch und das wirkt anziehend auf andere – die genau das schätzen. So entsteht gegenseitige Anziehung, und dadurch Bindung. Diese „erwachsene“ Bindung ist primär unabhängig von Leistung oder Gehorsam.
4. Wenn ein Beziehungstrauma die Autonomie-Entwicklung blockiert . . .
Der frühe Verlust einer wichtigen Bezugsperson – z.B. Eltern oder Geschwister – aber auch die Erfahrung, ignoriert, abgelehnt – oder benutzt zu werden, kann die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls blockieren oder verhindern. Um dennoch zu überleben, aktivieren die Betroffenen angeborene Anpassungs-Reflexe. Sie erkennen, welche eigenen Gefühle, Bedürfnisse oder Wahrnehmungen ignoriert oder gar als „falsch“ abgelehnt werden, um diese dann selber zu unterdrücken oder zu verleugnen. Ohne diese „innere Orientierung“ entwickeln sie eine spezielle Wahrnehmung („Antennen“) für die Bedürfnisse, Gefühle und Überzeugungen anderer, um von ihnen geduldet, oder vielleicht sogar als „nützlich“ anerkannt zu werden. Diese „magisch-grandiosen“ Tendenzen vermitteln ein „extrinsisches“ Selbstwertgefühl, begründet auf Leistung und Gehorsam. Aber dies Selbstwertgefühl ist brüchig, es schwankt zwischen grandioser Selbst-Überschätzung und brutaler Selbstabwertung.
5. . . entsteht ein „destruktives“ Symbiosemuster Abhängigkeit Die Betroffenen neigen dazu sich nach den Ansichten und Bedürfnissen des jeweiligen Gegenübers zu orientieren, um Konflikte zu vermeiden. Umso mehr, da sie ihre „gesunde“ Wut lieber unterdrücken, als sie an die richtige Adresse zu richten: sie sind wenig konfliktfähig. Sie neigen dazu, sich in fremden Räumen zuständig zu fühlen – ohne Auftrag – und riskieren Erschöpfung und Burnout für die Illusion, wertvoll zu sein für andere.
Lose-Lose-Situation Da sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht spüren, können sie nicht gut für sich selber sorgen. Sie sind angewiesen auf andere, die – so wie sie – sich wertvoll fühlen, wenn sie gebraucht werden. So entsteht die Ko-Abhängigkeit, die symbiotische Beziehung zwischen zwei Abhängigen. Fatal, dass auch sie ihre Bereitschaft, sich vom anderen benutzen zu lassen, irrtümlich für „Liebe“ halten. Dass gibt dieser sehr verbreiteten Verwirrung so etwas Scheinheiliges - wie einen „Heiligenschein“. Verstärkt wird dies Muster noch durch eine (kirchliche) Doktrin, die Gehorsam und Selbstlosigkeit als „Tugend“ verklärt.
6. destruktiver (toxischer) Narzissmus Manche, denen als Kind ihr Selbstwertgefühl so gründlich ausgeprügelt wurde, dass sie sich selber für „böse“ halten, sind davon überzeugt, dass sie nicht liebenswert sind. In ihrer verzweifelten Einsamkeit entwickeln sie perfekte Strategien, um dennoch die ersehnte Nähe zum Gegenüber zu erzwingen, indem sie sich für den anderen unentbehrlich machen, indem sie – fälschlich - vorgeben, nur das Beste für den anderen zu wollen, durch Geschenke und Versprechungen, und/oder notfalls auch durch Androhungen und Gewalt. So entstehen Lose-Win- Beziehungen, bei der nur die eine Partei gewinnt, auf Kosten der anderen. Dieses Beziehungsmuster kann verglichen werden mit einer Krebserkrankung. Alle Zellen eines Organismus sind so programmiert, dass sie das Überleben des Gesamtorganismus sichern. Bisweilen „entarten“ einzelne Zellen, das heisst, sie orientieren sich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Programm, eine bestimmte Funktion zu erfüllen. Sie koppeln sich ab und vermehren sich hemmungslos. Dabei zerstören sie die Nachbarorgane und damit den Gesamtorganismus. Sie nehmen auch den eigenen Untergang in Kauf, und versuchen, bis zum Schluss noch davon zu profitieren! Diese bösartige „karzinomatöse“ Variante des Narzissmus ist gerade dabei, die Schlüsselpositionen der Macht zu erobern, um diese Macht für die eigenen Interessen zu missbrauchen – auf Kosten des Gemeinwohls. Dabei verschleiern sie ihre wahren Ziele, und geben vor, die Interessen der Menschen zu vertreten.
7. Die aktuellen Krisen Dieser – meist perfekt verschleierte – Machtmissbrauch ist die eigentliche Ursache für die aktuellen Krisen, welche die Zukunft unserer Kinder und Enkel bedroht. In der Menschheitsgeschichte gab es mehrmals Krisen - Seuchen, Hungersnöte, Waldsterben - die das Überleben der Spezies homo sapiens gefährdet haben. Doch das Erkennen dieser Zusammenhänge und die nötigen Konsequenzen haben das Überleben der Menschheit bis heute ermöglicht. Immer mehr wird deutlich, dass die Superreichen die Demokratie und damit den sozialen Frieden gefährden. Siehe dazu Bedrohen Superreiche die Demokratie? | 42 - Die Antwort auf fast alles | ARTE https://www.youtube.com/watch?v=fVdS0N3rz6Y
Statt die Aktivisten der letzten Generation zu kriminalisieren und vorbeugend zu inhaftieren, sollte dieser zerstörerische Machtmissbrauch als Verbrechen gebrandmarkt werden und die Betroffenen als Verbrecher vor Gericht gestellt werden. Aber das wird erst geschehen, wenn wir unsere natürliche Vernunft benutzen, um genauer zu unterscheiden zwischen grandiosen Versprechungen und Not-wendenden Zukunfts-Perspektiven – auch wenn sie schmerzlich sind. Dann werden wir andere Politiker wählen als Söder, Merz und Lindner. Dazu sollen diese Überlegungen einen Beitrag leisten!
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Die zahlreichen Aufstellungsbeispielen auf diesem Kanal zeigen eindrücklich unsere Vorgehensweise und deren unmittelbare Auswirkungen. Da diese Vorgehensweise manchen anfangs etwas starr und direktiv erscheint, skizziere ich hier so kurz und knapp wie möglich unseren theoretischen Hintergrund.
In unserer Gesellschaft sind Kinder schon früh Selbstwert-Verletzungen ausgesetzt: subtil durch Ignorieren und Vernachlässigen, oder massiv, durch Abwertung, Ablehnung oder Gewalt. Um dennoch zu überleben, aktivieren sie angeborene, „archaische“ Anpassungsreflexe: sie verleugnen ihr authentisches, wahres Selbst: Gefühle, Bedürfnisse, Wahrnehmungen. Dadurch verlieren sie ihr „intrinsisches“ Selbstwertgefühl, verlieren auch ihre innere Orientierung, ihren „Kompass“. Stattdessen orientieren sie sich nach aussen, nach den Erwartungen und Bedürfnissen anderer. Gehorsam und Leistung verhelfen ihnen zwar zu einem „extrinsischem“ Selbstwertgefühl, da sie dann wahrgenommen und geschätzt werden und sich nützlich fühlen. Aber das wahre Selbst wehrt sich immer wieder gegen das „falsche“ Selbst, das erzeugt eine innere Zerrissenheit und Verwirrung.
Dieser Widerspruch zwischen Selbst-Verleugnung und „falschem“ Selbst wird unbewusst als „Notprogramm“ gespeichert, sodass die Betroffenen sich unbewusst damit identifizieren, als wäre das ihre wahre Identität. So entsteht der „Stressor“ der lebenslang ihr Erleben und Verhalten bestimmt.
Die fehlende Orientierung am inneren Kompass erklärt auch die verwirrenden Beziehungsmuster, die wir als Symbiosemuster bezeichnen. Die sichere Unterscheidung zwischen Ich und Du, zwischen eigenem und fremden Raum geht verloren. Die eigenen Grenzen können nicht wahrgenommen und geschützt werden („Abgrenzungs-Verbot“). Aber auch fremde Grenzen werden nicht respektiert (Übergriffigkeit, Helfer-Syndrom). Ohne diese Orientierung kann auch die Kraft nicht gesund eingesetzt werden, um sich zu schützen (mangelnde Selbst-Fürsorge), oder eigene Ziele zu verfolgen. Sie ist blockiert und richtet sich destruktiv gegen sich selbst – oder gegen andere (Selbst-Hass, Depression, Erkrankungen).
Da diese Vorgänge unbewusst ablaufen, können die Betroffenen diese Zusammenhänge nicht erkennen und ihr „Programm“ nicht löschen. Im Gegenteil, je mehr sie spüren, dass dies „Programm“, das sie als Kleinkind gerettet hat, im Erwachsenenalter mit Stress und Leid verbunden ist, desto mehr neigen sie dazu, sich selber dafür die Schuld zu geben. Das verstärkt den Teufelskreis der Selbstabwertung.
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, greifen wir zurück auf uralte Vorstellungen von einem wahren Selbst, das unzerstörbar ist und unverlierbar. Wenn wir uns bewusst machen, dass die Erde uns hervorgebracht hat, dass wir Teil sind eines grösseren schöpferischen Ganzen, das uns trägt und nährt, bedingungslos, dann gibt uns das eine unzerstörbare eigene Würde. Unabhängig von Leistung oder Anerkennung durch andere. Dieses „intrinsische Selbstwertgefühl“ kann zu einem inneren Kompass werden. Dies gibt uns eine Orientierung: Wir können erkennen: das Trauma und die Überlebensstrategien sind unvereinbar mit diesem Selbst. Und: nur durch diese Anpassungsreflexe konnten wir damals überleben. Also gibt es keinen Grund, uns heute dafür abzuwerten!
Durch den Aufstellungsprozess erkennen und würdigen die Betroffenen, dass die frühen Anpassungs-Reflexe des Kleinkindes damals für das Überleben existentiell wichtig waren, aber heute nicht mehr erforderlich sind. Ja dass sie im Gegenteil nur noch hinderlich sind. Dann können sie die früh gespeicherten Trauma-Inhalte „löschen“- ohne sich heute dafür selber abwerten zu müssen. So wird es ihnen wieder möglich, sich nach ihrem inneren Kompass, ihrem gesunden Wesenskern, dem wahren Selbst zu orientieren. Diese Orientierung befreit auch wieder ihre Kraft, die bisher gebunden war durch das Ertragen des Unerträglichen. Nun können sie diese Kraft wieder gezielt einsetzen, für sich, statt gegen sich. Statt dem bisherigen Gefühl der Lähmung nun die Erfahrung wirksam und handlungsfähig zu sein. Und ein „artgerechtes“ Leben zu führen durch Beziehungen, die nicht bestimmt sind durch gegenseitige Abhängigkeit, sondern durch gegenseitige Anziehung.
Inzwischen verstehen wir immer besser, warum diese Vorgehensweise so rasch und tief wirkt. Wir aktivieren ein angeborenes Selbstheilungsprinzip, das die Gedächtnisforschung als Gedächtnis-Rekonsolidierung bezeichnet. Auch andere modernere Therapieverfahren wie EMDR (Hensel, „Stressorbasierte Therapie“) und Kohärenz-Therapie (Bruce Ecker, Der Schlüsse zum emotionalen Gedächtnis) verwenden dieses Prinzip. Unser Konzept – wir bezeichnen es inzwischen als Selbst-integrierende Stressor-Auflösung - ist unabhängig von diesen Methoden entstanden. Wir verwenden das Aufstellungs-Setting mit seiner zweidimensionale Ebene und benutzen Symbole für Personen und deren Traumata. So werden den Betroffenen die komplexen Zusammenhänge zwischen Selbst, Grenzen und Raum unmittelbar sinnfällig. Durch „Probehandeln“ – wir bezeichnen es als „Struktur-Training“ - erlebt der Klient, das Trauma-bedingte Verbotsgefühl, sich abzugrenzen. Wenn er sich dazu entschliesst, sich nicht nach seinem verwirrten Gefühl, sondern nach seinem Verstand zu orientieren, dann setzt er seine bisher unterdrückte, destruktiv gewordene eigene Kraft wieder gezielt ein. Dabei erlebt er sofort eine innere Veränderung. Statt wie bisher gelähmt, fühlt er sich nun handlungsfähig. Und das löst Glücksgefühle aus und stärkt des Selbst-Vertrauen. Wenn so der „Kanal“ für die „gesunde Wut“ wieder geöffnet ist, dann kann sich auch das Herz wieder öffnen, um wahre absichtslose Liebe zu empfangen – und zu geben. Darüber hinaus können auch vorgeburtliche Traumen wie Abtreibungsversuch oder Verlust eines Zwillings geklärt werden. Werden diese frühen Traumen symbolisiert, dann zeigt sich, das bereits vor der Geburt Anpassungsreflexe aktiviert und gespeichert werden. Diese zu erkennen und zu löschen ist besonders wertvoll, da sie meist unbewusst sind, und – deswegen? - umso stärker wirken: Die eingeschränkte Abgrenzung begünstigt die Tendenz des Betroffenen, sich für die Probleme der Bezugspersonen zuständig zu fühlen und so deren Traumata zu übernehmen. Anders gesagt: Die Vulnerabilität wird erhöht, und damit die Tendenz, weitere Traumata zu erleben. Viareggio 23.6.24
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I Individuelle Beziehungsmuster I.1.Wahres – und falsches Selbst der Eltern Um die frühen Beziehungstraumen mit ihren Auswirkungen besser zu verstehen ist die Unterscheidung wichtig, zwischen einem wahren Selbst der Eltern, das dem Kind bedingungslose Liebe geben kann und so die Entstehung eines intrinsischen Selbstwertgefühls ermöglicht – und einem durch Traumata bedingten „falschen“ Überlebens-Selbst der Eltern, das die Ursache war für Verletzungen des Kindes: emotionales Verlassen, Benutzen und Überfordern, seelische oder körperliche Gewalt: Ignorieren, Ablehnen, Bestrafen.
2. Machtgefälle und Anpassungsreflexe Dieses destruktive Beziehungsmuster wird unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben. Täter waren immer früher selber Opfer. Kinder - seelisch und physisch abhängig von diesen Eltern (Machtgefälle) - entwickeln Überlebensreflexe, die als Programm gespeichert werden und unbewusst ihr Selbstbild, ihr Erleben und Verhalten bestimmen, einschliesslich der Wahl des Partners. Unbewusst suchen sie sich Partner, die ähnlich belastet sind wie die eigenen Eltern.
3. Selbstwert und Beziehungsmuster So wird das Muster des Macht-Missbrauchs über Generationen weiter gegeben und vergiftet die Beziehungen: Ohne Selbstwertgefühl entwickeln die Betroffenen ein extrinsisches Selbstwertgefühl durch Leistung, um die ersehnte Zuwendung und Anerkennung ihres Gegenübers gewinnen zu können. Das ist die depressive Variante: Workoholic, Helfersyndrom, depressive Erschöpfung. Oder sie versuchen mit allen Mitteln Macht zu entwickeln, um andere durch Versprechungen, Geschenke- aber auch durch Drohungen oder Gewalt zu manipulieren und von sich abhängig machen. Das ist die destruktiv-narzisstische Variante. Die Ursache ist immer das fehlende gesunde intrinsisches Selbstwertgefühl, das unabhängig macht von der Anerkennung durch andere. Ein Bewusstsein der eigenen Würde, das es erlaubt, sich dem Gegenüber echt und authentisch zu zeigen. So wird Bindung möglich durch gegenseitige Anziehung.
Diese Unterscheidung zwischen „wahrem“ und „falschen“ Selbst ermöglicht einen Lösungsprozess: Wenn die bisher unterdrückten „negativen“ Gefühle von Schmerz, Ohnmacht und Wut wieder zugelassen und gegen das „falsche“ Selbst „entladen“ werden können, dann wird der Blick frei auf das „wahre“ Selbst des Elternteils, von dem das Kind - in kostbaren seltenen Augenblicken – auch die so ersehnte und benötigte bedingungslose Liebe erleben konnte. Erst nachdem der Kanal für die gesunde Wut geöffnet wird kann sich auch der Kanal für die Liebe öffnen. Das Herz öffnet sich für die bedingungslose Liebe eines anderen.
II. Zur Entstehung der globalen Krisen II.1. Die Erfahrungen mit frühen Beziehungstraumen haben meinen Blick geschärft für kollektive Konflikte und Krisen. Unsere Gesellschaft ist immer noch – bzw. immer mehr - bestimmt von extremen Gegensätzen von Arm und Reich, von Macht und Ohnmacht. Über Jahrhunderte waren 90% unserer Vorfahren Leibeigene die kein eigenes Land und keine Rechte hatten. Nur die „Herren“ – der Adel und der Klerus – durften Land besitzen. Dies offensichtliche Unrecht war zur Gewohnheit geworden, sanktioniert durch die Macht der Gewalt. Die Besitzlosen – denen ein intrinsischer Selbstwert ausgeprügelt worden war, lernten sich unterzuordnen, fleissig und gehorsam zu sein. Sie überlebten, indem sie für die anderen nützlich waren. Das entspricht der depressiven Variante. Aber es gab auch die Unangepassten, die sich widersetzten - und dafür kriminalisiert wurden. Und andere, die ihre Intelligenz und alle Mittel nutzten, um selber zu Macht zu kommen, indem sie andere von sich abhängig machten. Narzisstische Variante.
II.2 Machtmissbrauch Die zentrale Ursache der eskalierenden Krisen scheint mir der Machtmissbrauch zu sein: wenn mächtige „Eliten“ ihre Machtmittel nicht für das Gemeinwohl einsetzen sondern ausschliesslich für die Vermehrung der eigenen Macht. Als Arzt erkenne ich sofort die Parallele zum „Programm“ einer Krebszelle. Jede Zelle im Organismus hat zunächst eine bestimmte Funktion, um das Leben des Organismus zu ermöglichen. Wenn eine Zelle sich vom Organismus abkoppelt und nur noch das eine Programm kennt: „Wachsen um jeden Preis“, dann wird sie zur Krebszelle. Dabei zerstört sie die Nachbarorgane, reisst alle Ressourcen an sich, sodass der Organismus stirbt, und damit auch das Krebsgeschwulst. Die Parallele zu dem ausschlieslich Profit-orientierten Verhalten der Konzerne und Einzelpersonen (wie gerade Rene Benko) ist offensichtlich.
II.3. Selbstheilungstendenzen Ein gesunder Organismus hat durch die Immunabwehr die Fähigkeit, Krebszellen im Frühstadium zu erkennen und unschädlich zu machen. Daher sehe ich das als hoffnungsvolles Zeichen, dass auch in der Gesellschaft die Kräfte zunehmen, die Machtmissbrauch als solchen benennen und ächten, offensichtlich ausgelöst durch die Krisen. Ich denke an die Missbrauchsskandale in den Kirchen, die nach jahrhundertelangem Vertuschen endlich wahrgenommen werden. Ebenso die Me-too-Bewegungen, welche den Machtmissbrauch in anderen Bereichen, in der Lehr, im Sport und in den Kulturorganisationen bewusst machen und zu Recht anprangern. Schon länger gibt es die Friedensbewegung und die Klimabewegung, welche durch gewaltfreie Aktionen das öffentliche Bewusstsein für das Unrecht schärfen möchte. Ghandi war es durch sein Beispiel des gewaltlosen Widerstand möglich, Indien von der britischen Kolonialmacht zu befreien. Dass die Mächtigen und die von ihnen abhängigen Gruppen das bekämpfen durch Verleumdung, Unterstellungen oder – wie in Bayern - durch Kriminalisierung, macht immer mehr Menschen bewusst, dass es Zeit wird, sich aus der Komfortzone herauszuwagen, wenn sie für sich und ihre Kinder eine lebenswerte Zukunft wünschen. Das zeigt nur, wie berechtigt und wie wichtig diese Auseinandersetzungen sind.
III Der Konflikt Israel-Palästina Auch die aktuellen Debatten über das Verbot Pro-palestinensischer Demonstrationen verstehe ich als dringend erforderlichen Klärungsprozess. Über Jahrzehnte ist ein Konflikt zwischen Israel und den Palestinensern eskaliert, angetrieben von extremen Fanatikern auf beiden Seiten, unterstützt durch Grossmächte, die sich so einen Stellvertreterkrieg leisten. Beide Seiten haben grobe Menschenrecht verletzende Verbrechen begangen. Und es ist gut, wenn gerade junge Menschen dagegen protestieren, weltweit, aber auch bei uns. Deutschland ist da wegen des monströsen Holocaust-Verbrechens an Millionen von Juden in einem Dilemma. Wenn aber eine israelische Regierung berechtigte Kritik an den eigenen Menschenrechtsverletzungen als „Antisemitismus“ zu diffamieren und abzubügeln versucht, dann erscheint mir das als zynisch und obszön. Auch Israel muss die Menschenrechte achten, es steht nicht über den Gesetzen. Oder pointiert formuliert: der erlittene Holocaust bedeutet keine Lizenz zum Töten Unschuldiger. Aus meinen Erfahrungen mit frühen Traumata weiss ich, dass aus Opfern nicht selten Täter werden. Daher ist es so wichtig, bei einer Person, aber auch bei einer Regierung zu unterscheiden zwischen dem „gesunden Wesenskern“ und einem Trauma-bedingten Fehlverhalten, das natürlich benannt und verurteilt werden darf. Auch und gerade von uns Deutschen, die durch unsere Geschichte eine besondere Beziehung zu Israel haben. Daher erscheinen mir eine nüchterne Debatte extrem wichtig, ohne sich von den aufgepeitschten Emotionen der Fanatiker auf beiden Seiten einschüchtern zu lassen.
IV Ein allmächtiger, männlicher Schöpfergott – ein toxisches Konstrukt? Es gab schon lange berechtigte Kritik an der Vorstellung eines männlichen Vatergottes, der die Welt erschaffen haben soll. Die Aufklärung und die Frauenbewegungen haben dazu zahlreiche Argumente beigetragen. Die Frau ist es doch, die seit Jahrtausenden täglich sich und ihren Körper für das neue Leben zu Verfügung stellt. Und da soll ausgerechnet ein männlicher Gott diese Welt erschaffen haben? Angesichts der grassierenden Zerstörung der Natur und der Umwelt erscheint auch der „Auftrag“ dieses Schöpfergottes: „Macht euch die Erde untertan!“ sehr merkwürdig. Und statt dem Satz: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde – und Eva aus Adams Rippe! - wäre es stimmiger zu sagen: „Der Mann, der sich den Frauen unterlegen fühlte, schuf sich einen Gott, nach seinem Bilde!“ Es scheint, dass dieses Gottesbild entstand, um den männlichen Machtmissbrauch – „von Gottes Gnaden“ – zu legitimieren. Und der Klerus – natürlich männliche Priester - durfte diese angemasste Macht teilen, weil die Amtskirche durch ihre Doktrin den Menschen eine angebliche Erbsünde zuschrieb. Damit sprach sie ihm seine „intrinsische Erb-Würde“ ab, und die Fähigkeit einer natürlichen Religiosität, die unmittelbar mit dem Transzendenten in Verbindung kommen kann. Diese Doktrin stellte zwar die Botschaft Jesu auf den Kopf, aber sie war ein Erfolgsrezept und wurde zum Modell für den Kapitalismus. Durch indoktrinierte Schuldgefühl ein Bedürfnis nach Erlösung zu wecken, und gleichzeitig selber ein Monopol zu besitzen für diese „Gnadenmittel“. Das hat über Jahrtausende eine Macht begründet. Wir bewundern die geistigen Errungenschaften und die grossartigen Kunstwerke, die von Menschen geschaffen wurden, die sich in den Dienst dieser Macht gestellt haben. Wir sind dankbar für die Dienste der Nächstenliebe, die von Menschen geleistet werden, die sich oft mehr dem Geist Jesu verpflichtet fühlen, als der Doktrin der Amtskirche. Und wir erleben gerade, wie diese Macht beginnt zu bröckeln, je deutlicher der Machtmissbrauch mit seinen krankmachenden Wirkungen sichtbar wird. Auch hier gilt: je deutlicher wir diese verwirrende destruktive Seite der kirchlichen Doktrin erkennen und benennen, umso deulicher wird die wahre Botschaft von Jesus, der zu den Benachteiligten und Ausgestossenen ging und ihnen die Liebe predigte: Ihr seit Gottes Kinder! Kann man einem Menschen eine grössere Würde zusprechen? Dieser Jesus wehrte sich gegen den Machtmissbrauch der Priester und der römischen Besatzer, und wurde deshalb kriminalisiert, verurteilt zum Foltertod am Kreuz! Die Umdeutung von Paulus, der Tod am Kreuz sei eine Heilstat Gottes, um uns Menschen von unserer Erbsünde zu erlösen entpuppt sich als geniale FAKE NEWS, um Menschen zu verwirren und zu Unterordnung und Gehorsam zu erziehen. Dank dieser Verfälschung konnte sich das Unrecht der Mächtigen für 2 weitere Jahrtausende halten. Diese Erkenntnis kann Kräfte freisetzen!
V Pfingsten ist das Fest des „heiligen Geistes“. Dieser Geist weht, wo er will und er richtet sich - mit Sicherheit! - nicht nach der kirchlichen Doktrin. Das ist der Geist Jesu, der Geist der Wahrheit, der die Verwirrungen der Gegenwart vertreibt. Möge dieser Geist uns alle erfassen, und uns helfen besser zu unterscheiden zwischen wahr und falsch. Vielleicht sind es ja gerade die Krisen, die diesen Geist in uns wecken.
Im Idealfall durchläuft eine gesunde Beziehung Phasen der Nähe und Distanz, die sich wie Ebbe und Flut abwechseln und eine Beziehung zu einem Tanz machen. Das schafft Freiraum und Verbundenheit und gibt eine Beziehung etwas Lebendiges, Organisches und Wachstumsfähiges.
Das bedeutet aber auch, Abgrenzung ist nichts Starres, sie "unduliert" flexibel zwischen Nähe und Distanz. Analog scheint es mir jetzt sehr stimmig, auch die Selbst-Verbindung nicht als etwas Starres, Festes zu verstehen, sondern ebenfalls als undulierend. In den Anforderungen des Alltags ist es ja unmöglich, ständig mit seinem Selbst verbunden zu sein?! Mir scheint jetzt eine andere Vorstellung viel stimmiger: zu wissen, dass es dies wahre Selbst gibt, und wie ich jederzeit mit ihm Verbindung bekommen kann. Z.B. indem ich in mir einen Raum schaffe für dieses Selbst - durch Meditation, durch Yoga oder TaiChi oder durch Autogenes Training - oder indem ich z.B. in die Natur gehe, um da mein Selbst zu spüren, dass sich als "Teil eines grösseren Ganzen" weiss.
Lieber Phil, danke für den Beitrag. Besonders wichtig scheinen mir die Sätze: Im Idealfall durchläuft eine gesunde Beziehung Phasen der Nähe und Distanz, die sich wie Ebbe und Flut abwechseln und eine Beziehung zu einem Tanz machen. Das schafft Freiraum und Verbundenheit und gibt eine Beziehung etwas Lebendiges, Organisches und Wachstumsfähiges. Voraussetzung für ein Selbst-bestimmtes Leben (Autonomie) ist ja die Verbindung mit dem eigenen Selbst – mit der „Essenz“ oder mit dem "göttlichen Funken" nach Jung. Wir wissen ja dass dazu die Fähigkeit zur Abgrenzung erforderlich ist, um ein Gefühl für einen eigenen Raum zu bekommen. Die Voraussetzungen dazu werden in den ersten Beziehungserfahrungen eines Kindes gelegt. Wenn die Mutter zu Kind eine sichere Bindung hat, dann kann das Kind spielerisch ausprobieren, wie es ist, sich zu entfernen, und dann wieder zurück zur Mutter zu kommen. Dein Beitrag macht mir bewusst, dass dazu offensichtlich auch gehört, dass ein Kind selber Nähe oder Distanz zu den Bezugspersonen bestimmen kann, ohne dafür durch Ablehnung oder Schuldgefühle belastet zu werden!