Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
DIE VERFÄLSCHUNG VON JESU´ BOTSCHAFT DURCH DIE KIRCHE ALS TRAUMA-BEDINGTES ÜBERLEBENSPROGRAMM UND KOLLEKTIVE TRAUMATISIERUNG DURCH EINE TOXISCHE KIRCHENDOKTRIN ?
Überlegungen eines sytemischen Trauma-Therapeuten
Einführung Die Existenz bedrohenden kollektiven Krisen der Gegenwart zwingen uns dazu, lange vertraute Überzeugungen kritisch zu hinterfragen - auch wenn der Abschied von Illusionen sehr schmerzlich ist. Als systemischer Traumatherapeut hatte ich Gelegenheit, die komplexen Mechanismen toxischer Beziehungsmuster genauer zu beobachten und zu verstehen, wie sie unbewusst das Erleben und Verhalten der Betroffenen prägen konnten. Dadurch geschult wage ich es, überkommene Machtstrukturen kritisch zu analysieren, um aufzuzeigen, wie wirkungsvoll sie durch geschickte Manipulationen ihre Macht vergrössern, auf Kosten des Gemeinwohls, und damit unsere Zukunftund die unserer Kinder gewissenlos aufs Spiel setzen.. Wenn sie, liebe ZuhörerInnen bereit sind, eigene liebgewordene Denkgewohnheiten zu hinterfragen, dann lade ich sie ein zu einer Reflexion. Wir spannen einen grossen Bogen, beginnend bei unseren Erkenntnissen zum frühen individuellen Bindungstrauma von heute, über den Menschen Jesus und seine revolutionäre Botschaft vor 2000 Jahren, über deren Veränderung durch die Amtskirche, um römische Staatsreligion werden zu können, bis zu deren noch heute traumatisierenden Doktrin. Diese Doktrin verstehen ich als Prototyp eines hierarchisch-narzisstisch geprägten Konstruktes, welches noch heute toxisch unsere Gesellschaft bestimmt. Das tiefere Verständnis dieser verwirrenden Zusammenhänge erlaubt eine bessere Orientierung.
I.Heutige Bindungstraumata I.1. Selbstwert durch die Erfahrung von Wertschätzung Als Traumatherapeut bin ich täglich konfrontiert mit den Verwirrungen meiner Klienten, die sich erklären lassen als Anpassungsreflexe an die Realität traumatisierender Eltern. Die Entwicklung eines gesunden, „intrinsisches“ Selbstwertgefühl erfordert, dass Eltern ihr Kind spüren lassen, dass es wert ist geliebt zu werden, so wie es ist. Dazu gehört, dass Eltern dessen Grenzen respektieren, und es nicht für eigene Probleme verantwortlich machen. Dann kann das Kind ein Bewusstsein entwickeln für einen eigenen Raum, Das ist dir Voraussetzung für Selbst-Verbindung und die Entwicklung von Selbst-Bestimmung: Autonomie. Eltern, die selber traumatisiert sind, und keine bedingungslose Liebe erfahren haben, können auch ihrem Kind nicht diese Zuwendung und Liebe geben. Im Gegenteil- sie erwarten oft vom Kind die Zuwendung und Anerkennung, die sie als Kind nicht bekommen haben („Parentisierung). Entweder fühlen sie sich durch die Bedürfnisse des Kindes überfordert , ziehen sich emotional zurück und machen das Kind für ihre Probleme verantwortlich, werten es ab, beschuldigen es oder stellen sein existenzrecht in Frage. Oder sie versuchen es besser zu machen als die eigene Eltern. Sie mischen sich übergriffig in die Angelegenheiten des Kindes ein und verwöhnen es, sodass es nicht lernen kann, eigenveranwortlich für sich selber zu sorgen.
I.2. „Falsches Selbst“ als Anpassung an eine traumatisierende Umgebung Unter diesen Gegebenheiten ist es für ein Kind unmöglich, ein gesundes intrinsisches Selbstwertgefühl zu entwickeln – ein verinnerlichtes „wahres Selbst“ an dem es sich orientieren kann. Da erzeugt dann ein Überlebens-Instinkt durch unbewusste Anpassungs-Reflexe ein „Überlebensprogramm“, das unbewusst im Stammhirn gespeichert wird. Es entspricht dem, was Winnicott1 „das falsche Selbst“ nannte. Es bestimmt – am Bewusstsein vorbei – das Selbstbild, das Erleben und das Verhalten – wie ein Instinkt. Daher lässt es sich nur mühsam verändern.
Diese individuellen Anpassungsreflexe sind erstaunlich stereotyp. Sie betreffen sowohl die emotional-kindliche Seite (und damit die rechte Hirn-Hemisphäre) als auch das „Alltags-Ich“ (Fokus, linke Hirn-Hemisphäre, die für das Bewusstsein zuständig ist). Aber in unterschiedlicher Weise.
I.2.1. Selbstverleugnung Ein Kind, angewiesen auf die freundliche Zuwendung seiner Bezugspersonen, lernt Reflex-mässig alles zu unterdrücken, was „nicht erwünscht“ oder sogar verboten ist. Das erklärt die massive Unterdrückung von „intrinsischem“ Selbst-Wert, von spontanen Gefühlen (Schmerz, Angst, Wut, Hass) und Bedürfnissen. Nicht selten wird auch die eigene unabhängige Wahrnehmung und die eigene Einsicht (Vernunft) als „verboten“ unterdrückt. Die Betroffenen verlieren dadurch ihren inneren Kompass, ihre „intrinsische“ Orientierung. Diese Aspekte fassen wir zusammen als „Selbst-Verleugnung“.
I.2.2. Magisch-grandiose Strategien Um dennoch die Zuwendung der Bezugspersonen zu gewinnen, lernt ein Kind „mit 1000 Antennen“ zu spüren, was die Bezugspersonen erwarten, was sie denken und fühlen, um sich besser an diese Erwartungen anpassen zu können. Das ist verbunden mit Unterordnung und vorauseilendem Autoritätsgehorsam. Wenn eine intrinsischen Orientierung nicht möglich ist, bedarf es einer extrinsischen Orientierung nach Aussen. Wenn die Betroffenen kein „intrinsisches“ Selbstwertgefühl entwickeln konnten, dann bietet ihnen dies Programm die Chance sich nützlich und wertvoll zu fühlen. Sie verlieren die Verbindung mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Damit verlassen sie den Boden der Realität und begeben sich auf „höhere Ebenen“: flüchten sich in Fantasie-Welten, oder in Parallelwelten, um das reale Elend nicht spüren zu müssen. Das ist der Boden, auf dem magisch-grandiose Helfer- und Retter-Fantasien entstehen, verbunden mit dem - heimlichen – Gefühl, den anderen überlegen zu sein. Da die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse „verboten“ ist - um für andere nützlich zu sein – kommt die gesunde Selbstfürsorge zu kurz.
I.3. Folgen dieses Überlebensprogramms I.3.1.Trauma-Bindung Ohne intrinsischen Selbstwert jedoch ist es unmöglich, wahre Liebe anzunehmen-oder zu geben. Daher ist eine Bindung durch wahre, absichtslose Liebe in diesen traumatisierten Familienkollektiven nicht möglich. An deren Stelle tritt dann eine „Bindung durch Leid“, oder Trauma-Bindung. Da gibt es mehrere Varianten: Ein eigenes Trauma – z.B. mit dem Vater - wird „festgehalten“, als wäre es ein Teil der eigenen Identität, als wäre es nur auf diese Weise möglich, mit dem Täter-Vater sich verbunden zu fühlen. Ein fremdes Trauma einer geliebten Bezugsperson wird übernommen – „verinnerlicht“ – um sich mit dieser Person verbunden zu fühlen. Das wird von den Beteiligten irrtümlich als Loyalität oder gar als „Liebe“ verstanden. Oder ein Kind „kreiert“ ein ähnliches Trauma wie die geliebte Bezugsperson, um sich ihr nahe und verbunden zu fühlen. Ein Beispiel zeigt diese bizarre Dynamik: Erlebte die liebe Oma auf der Flucht sexuelle Gewalt, dann geschieht der Enkelin ein ähnliches Trauma. Dahinter könnte die (meist) unausgesprochene Vorstellung wirken: „Jetzt bist du nicht mehr alleine mit deinem Trauma“, oder „jetzt bin ich wie du“.
I.3..2. Symbiosemuster, Depression, Verwirrung Ohne Selbstwertgefühl ist es unmöglich, dass eine Bindung durch gegenseitige Anziehung entsteht. Stattdessen sind Beziehungen geprägt durch Anpassung und gegenseitige Abhängigkeit. Die Wahrnehmung für Grenzen, eigene und fremde, ist nicht entwickelt. Übergriffiges Engagieren für die Bedürfnisse des Anderen wird als Empathie oder „Liebe“ missverstanden - und unausgesprochen vom Gegenüber als Ausgleich erwartet. Dadurch kommt es zu gegenseitigen Übergriffen. Berechtigter Ärger und Wut müssen unterdrückt werden, um die Illusion von „Harmonie“ nicht zu gefährden. Die gestaute Wut („Wutbombe“) kann jederzeit explodieren und sich destruktiv gegen unschuldige oder gegen sich selber richten.
Dies Programm ist verbunden mit Selbst-Überforderung, Erschöpfung bis zum Burnout, und Selbst-Abwertung. So entsteht Depression und Verwirrung.
I.3.3. Die narzisstische Variante Einige Betroffene verstehen es, diese Strategien so zu perfektionieren, dass sie zu Macht und Ansehen gelangen, trotz ihres traumatisch bedingten schlechten Selbstwertgefühls. Sie missbrauchen diese Macht, um sie rücksichtslos für eigene Vorteile zu nützen, auf Kosten der Allgemeinheit. Dabei verstehen sie es perfekt, sich als selbstlose Wohltäter der Allgemeinheit darzustellen. Sie entwickeln raffinierte Strategien, um sich für andere unentbehrlich zu machen, sodass diese von ihnen abhängig werden: Sie locken mit Versprechungen und wecken Bedürfnisse - und suggerieren, nur sie könnten diese Bedürfnisse befriedigen. Sie verstehen es subtil, das Vertrauen in die eigene Vernunft, in die eigenen Fähigkeiten in Frage zu stellen („Gaslighting“)- Sie schüren Ängste, um Andere zu verunsichern und so an sich zu binden. Sie können auch mit Gewalt drohen, um andere einzuschüchtern, damit sie ihnen nicht in die Quere kommen. Sie verstehen es, ihre Gegner zu verunglimpfen, lächerlich zu machen, zu Unrecht zu beschuldigen und scheuen dabei weder Verdrehungen noch Lügen. Wenn der andere sich wehren möchte, stellen sie sich als Opfer dar, das Empathie braucht. Gerade erleben wir es täglich, wie ein „Prachtexemplar“ dieser Variante gute Chancen hat, Präsident des mächtigsten demokratischen (!) Landes zu werden. So können wir die Wirksamkeit dieser toxischen Strategien beobachten und immer genauer erkennen.
II. Die Botschaft Jesu Jesu Leben und seine Lehre wird überliefert durch Schriften seiner Anhänger - die jedoch erst nach seinem Tod entstanden sind. Für seine Anhänger, die an das kommende Gottesreich glaubten, war es schockierend, dass er als Aufrührer von der römischen Besatzungsmacht zum Foltertod am Kreuz verurteilt wurde. Und auch sie wurden nun verfolgt als Anhänger eines verurteilten Aufrührers. Diese prekäre Lage beeinflusste natürlich die Darstellung vom Leben und Wirken des Menschen Jesus.
II.1. Zentrale Aspekte der Haltung und Botschaft Jesu Jesus war Mensch und er war ein Mann. Er hatte auch weibliche Schülerinnen, unter ihnen Maria Magdalena, von der es heisst, dass er sie liebte. Es gibt sogar ein Evangelium der Maria Magdalena. (Dass dieses später von der Amtskirche nicht anerkannt wurde und darüber hinaus Maria Magdalena als Prostituierte bezeichnet wurde, ist als Folge einer frauenfeindlichen Zensur durch eine nun patriarchale Kirche zu verstehen.) Jesus ging zu den Armen und Ausgestossenen, zu den sozial Verfemten um ihnen seine Botschaft zu bringen: „ihr seit Gottes Kinder! Was auch immer ihr getan habt, was auch immer andere von euch denken, Gott liebt euch!“ Ist das nicht so etwas wie eine „Erbwürde“? Eine grössere Würde kann man einem Menschen nicht zusprechen!
II.2. Das aramäische Vaterunser Hören wir seine Botschaft in dem Gebet, das er seine Schüler lehrte, und zwar in der von ihm gesprochenen Fassung. Hier der aramäische Originaltext seines „Vaterunser“: Mutter-Vater alles Geschaffenen. Dein Name tönt heilig durch Zeiten und Raum Dein göttliches Eins-Sein (er)schaffe in Liebe und Licht - ewig und jetzt Laß Deinen Willen durch meinen geschehen - wie im Geist, so in allem Geformten Gib uns Nahrung täglich - wie dem Körper, so der Seele Löse die Banden meiner Fehler - wie ich sie anderen löse. Laß mich nicht verloren gehen an Oberflächliches und Materielles Befreie mich von Unreife und von allem, was mich festhält und was ich festhalte. Denn Dein ist die Kraft und der Gesang des Universums - jetzt und hier und in Ewigkeit. Amen. 2
Der Inhalt unterscheidet sich wesentlich von dem uns vertrauten Text. Er orientiert sich nicht an der Vorstellung eines männlichen Schöpfergottes, der getrennt von seiner Schöpfung auf einer höheren allmächtigen Ebene existiert (Im Himmel). Durch diese Worte kommen wir in Verbindung mit dem Göttlich-Schöpferischen in uns selber. Gott und die Natur sind in Wahrheit eins.3 Gott und das Göttliche sind gar nicht getrennt von uns! In unserem Konzept der SSI verstehen wir das „wahre Selbst“ als unser Bewusstsein, dass uns die Erde, die Natur hervorgebracht hat, und trägt und nährt, bedingungslos. Dies Wissen gibt uns eine Würde, unabhängig von Leid oder Schuld der Eltern, unahängig auch von Leistung oder der Anerkennung durch Andere. In diesem Selbst-Bewusstsein wagte es Jesus, sich gegen die Mächtigen zu stellen, gegen die Hohenpriester, die ihre Macht missbrauchten, um im Namen der römischen Besatzungsmacht von der verarmten Bevölkerung den Zins einzutreiben. Und er vertrieb die Händler aus dem Tempel. Das war der Grund, warum die Menschen ihm und seiner Lehre folgten.
Und das war auch der Grund, warum die römische Besatzungsmacht ihn zum Foltertod am Kreuz verurteilte, und seine Anhänger über 300 Jahre verfolgte. Sein Tod am Kreuz zeigt, dass es damals – wie auch heute – lebensgefährlich sein kann, sich dem Machtmissbrauch der Mächtigen zu widersetzen. Umso wichtiger scheint es mir, die Würde dieser Haltung anzuerkennen. Sie ist heute notwendiger denn jemals.
III. Die Amtskirche und ihre Version von Jesus und seiner Botschaft. Ist es nicht geradezu ungeheuerlich, wie die kirchliche Doktrin die Lebensgeschichte Jesu völlig umdeutete, ja geradezu ins Gegenteil verkehrte? Aus Jesus, dem Revolutionär aus Liebe zu den Menschen wurde das willenlose Opferlamm Gottes. Aus dem demütigenden Foltertod am Kreuz für einen Aufrührer wurde eine Heilstat Gottes: der Gottes-Sohn musste am Kreuz sterben, um durch dieses Opfer die Sünden der Menschheit zu tilgen. Dazu wurde der Sündenfall aus der Schöpfungsgeschichte ausgegraben, um den Menschen eine Erb-Sünde zusprechen zu können - statt der von Jesus verkündeten Erb-Würde. Diese „Kreuzestheologie“ wirkt auf Unbefangene geradezu makaber. Umso erstaunlicher erscheint mir, dass sie weitgehend widerspruchslos akzeptiert wurde. Es gibt innerhalb der Theologen dazu nur wenige kritische Stimmen.4
III.1. Die kirchliche Doktrin als Traumabedingte Anpassungreaktion an die römische Macht? Angesichts der Christen-Verfolgungen jedoch ist diese „Umdeutung“ als Überlebensstrategie bei existentieller Bedrohung sehr verständlich. Die seitens der römischen Macht unerwünschte „aufrührerische“ Seite Jesu wurde unterdrückt, verschwiegen und geriet in den Hintergrund. Die Rolle der römischen Besatzungsmacht, der „Täter“ die Jesu Foltertod angeordnet hatte, wurde relativiert, ja geradezu gerechtfertigt, als unentbehrlich für den „göttlichen Heilsplan.“ Aus Sicht des Traumatherapeuten wäre das eine frühe Variante des „Stockholm-Syndroms“! Erst durch diese Verfälschung wurde die Doktrin der Kirche kompatibel mit der römischen Macht. Wahrscheinlich war es Paulus, der, theologisch geschult, die geschichtliche Wahrheit verfälschte. Dadurch wurde nicht nur das Dilemma gelöst, sondern die Kirche wurde „römisch“: So konnte sie 300 Jahre später zur römischen Staatsreligion werden! Das war genial! Das war spektakulär! Geradezu „jesuitisch“! Aber um welchen Preis!
Die Person und die Botschaft des Menschen Jesus wurden verfälscht, geradezu ins Gegenteil verdreht. Dieser „Christus“ der Kirche wehrt sich nicht gegen die Anmassungen der Mächtigen. Er wird zum wehrlosen, duldsamen „Opferlamm“. Und das schmähliche Ende des Menschen Jesus, seine Verurteilung als Aufrührer zum Tod am Kreuz wird umgedeutet zu einer Heils-Tat Gottes, der seinen einzigen Sohn opferte, um die Sünden der Menschheit zu tilgen. Man könnte das überspitzt so beschreiben: nachdem der Mensch Jesus von der römischen Besatzung am Kreuz ermordet wurde, war es die Kirche selber, die nun auch seine Botschaft vernichtete. Eine Kirche, die sich auf Christus beruft. Aus Trauma-dynamischer Sicht beobachten wir hier eine eigenartige Spaltung, wie wir sie auch beim individuellen Überlebensprogramm finden: einerseits Verleugnung des wahren Jesus, der es wagte sich gegen Unrecht zu wehren. Andrerseits die „magisch-grandiose Überhöhung“ eines „auferstandenen“ Christus, der sich nun auf einer höheren Ebene befindet als Gott, der an der Seite des allmächtigen Vatergottes die Welt regiert.
III.2. Die Verfälschung der Lehre Jesu als narzisstisch-patriarchale Doktrin
Erbsünde-statt Erbwürde Jesu zentrale Botschaft: „ihr seit Gottes geliebte Kinder“ wurde ins Gegenteil verkehrt: Ihr seit von Geburt an schuldig. Statt der beglückenden Botschaft Jesu: „Ihr seit Gottes Kinder!“ entstand so die angeblich „frohe Botschaft“ (eu-angelium) der Kirche: Der allmächtige Schöpfergott hat seinen eingeborenen Sohn geopfert, für euch, um eure Sünden zu tilgen!“
Warum spüren so wenige Menschen, wie unfroh eigentlich diese Botschaft ist? Wirkt da schon ein Verbot, die eigene Vernunft zu benutzen? Für diese „christliche Tugend“ gibt es sogar eine theologische Bezeichnung: „sacrificium intellectus“: das Opfer des eigenen Verstandes.
Unfroh und belastend ist diese Botschaft, weil sie • die Würde der Menschen beschädigt, da sie • Schuldgefühle erzeugt, und Menschen dazu bringt, • sich in vorauseilendem Gehorsam zu unterwerfen, und • sich für „höhere Ziele“ in den Dienst nehmen zu lassen! Der Begründer des Jesuitenordens – der „Gesellschaft Jesu“ - Ignatius von Loyola, formulierte für seine Ordensbrüder das als christliche Tugend des Gehorsams: „come un corpo muerto“. Wie ein lebloser, willenloser Körper sich dem göttlichen Willen zu unterwerfen.
Narzisstischer Machtmissbrauch Durch diese Botschaft der Erbsünde erzeugte die Kirche ein Bedürfnis nach Erlösung. Nur sie, die Kirche verfügte über die dazu erforderlichen „Gnadenmittel“: die Sakramente. Hier begegnen wir – zum ersten Mal? - einer narzisstischen Strategie: Bedürfnisse zu erzeugen, für die man selber das Monopol beansprucht. Diese Strategie verwendete auch das kapitalistische Wirtschaftssystem bis heute - mit unheimlichem Erfolg.
Das Sakrament des Abendmahls Dies Ritual eines gemeinsamen Mahls der Gemeinde soll an die Erlösung durch den Opfertod Christi erinnern. Verstärkt wird das durch die magische Vorstellung, dass sich durch das Ritual der Wandlung Brot und Wein in Fleisch und Blut des Geopferten verwandeln. Das gemeinsame Einverleiben von Fleisch und Blut Christi schafft eine Verbindung mit dem geopferten Christus. Das wird noch bekräftigt durch die Aussage, dass Christus „an unserer Stelle“ gesühnt habe, das eigentlich die Gläubigen den Kreuzestod verdient hätten. So lernen Menschen sich mit Christus, dem Opferlamm zu identifizieren. Statt mit dem „wahren“ Jesus, der sich gegen den Machtmissbrauch der Mächtige wehrte.
Dies regelmässig vollzogene Ritual hat eine unglaublich „hypnotische“ Wirkung. Über Jahrtausende vermittelte es Menschen von klein auf ein Bewusstsein von Schuld und Scham. So wurde ihnen die unschuldige Freude genommen. So wurden sie bereit, sich bedingungslos für die Interesse der Kirche - oder der Herren instrumentalisieren zu lassen. Bis vor 200 Jahren waren ca. 95% unserer Vorfahren rechtlose Leibeigene. Das Recht, Land zu besitzen hatten nur die „Herren“: der Adel und der Klerus.
Vertröstung auf die Zukunft Für die Machtentwicklung der Kirche war ein weiteres Prinzip entscheidend. Das „Jüngste Gericht“, die Bestrafung der Schuldigen und die Belohnung der Gläubigen wurde auf eine unbestimmte Zukunft verschoben. So konnte die Kirche zugleich die drastischen Strafen eines „Jüngsten Gerichts“ – und die Belohnungen der Frommen bildreich ausmalen, um die „Schäflein“ auf dem rechten Weg zu halten. Das sollte es ihnen leichter machen, das gegenwärtige Leid zu ertragen. Das erinnert an die oben erwähnte Überlebensstrategie, angesichts einer unerträglichen Alltag-Realität sich in Parallelwelten zu flüchten, um wenigstens die Illusion von Glück zu haben.
Der kleine feine Unterschied bestand jedoch darin, dass die „Herren“ schon im Diesseits, Hier und Heute feiern und prassen konnten.
Allianz von Adel und Klerus Durch diese Ausführungen hoffe ich zwei Aspekte deutlich zu machen, einerseits durch welche Strategien die verfolgte Christengemeinde der ersten Jahrhunderte überleben konnte, ja sogar zur römischen Staatsreligion werden konnte, indem sie die ursprüngliche Botschaft Jesu ins Gegenteil verkehrte. Dazu musste sie auch die Person Jesus verändern, vom „Revolutionär aus Liebe“ zum wehrlosen Opferlamm. Gleichzeitig wird deutlich, wie das damalige Überlebensprogramm der verfolgten Gemeinde zu einem wirksamen Werkzeug narzisstischen Machtmissbrauchs durch die Institution der Amts-Kirche wurde. Dieses toxische Programm bewirte eine kollektive Selbst-Entfremdung - bis heute!
Die Botschaft Jesu ist dennoch lebendig Es gibt zum Glück - auch innerhalb der Kirche – Menschen, die sich nach der ursprünglichen Botschaft Jesu orientieren, der Erbwürde eines jeden Menschen, besonders in den caritativen Bereichen. Sie tragen entscheidend zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei. Sie müssen nicht selten ertragen, dass ihre Tätigkeit von der Amtskirche als „Feigenblatt“ missbraucht wird, um deren Machtmissbrauch zu relativieren.
Der Feudalismus verschwand – der narzisstische Machtmissbrauch blieb Heute sind es andere Macht-Eliten, die es verstehen, die bereits bestehenden Verhaltensprogramme zu triggern, durch eine Mischung von Versprechungen, Drohungen und Verschleierung durch Lügen und Verdrehungen, und so bewirken, dass Menschen nicht erkennen, was Not-Wendig wäre, bzw. dass sie glauben, es wäre unmöglich, das zu erreichen.
Zum Schluss Es wird immer deutlicher: Die Vorstellung eines „allmächtigen Schöpfergottes“ ist widernatürlich und absurd. Es ist ein Konstrukt, geschaffen von einer patriarchalen Männergesellschaft, um ihren eigenen angemassten Macht-Missbrauch zu verschleiern und zu rechtfertigen. Es ist an der Zeit, diese Schleier zu zerreissen, damit dahinter die hässliche Fratze des patriarchalen Narzissmus sichtbar wird.
In Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ ist es ein Kind,, dessen Wahrnehmung noch unverstellt ist von den gesellschaftliche Verboten, sodass es sagen kann:
Der ist doch nackt! Sodass auf einmal alle das sehen konnten!
Heute ist es vielleicht ein 83 - jähriger Arzt, der euch die Sätze zuruft, die der bereits erwähnte Sufi-Meister IBN ARABI vor 700 Jahren formulierte: „Es gibt nur zwei Dinge zu tun; Das Not-Wendige – und das Unmögliche!“
Ich schliesse mit dem Gebet, das Jesus seine Schüler lehrte:
Du hast alles Erschaffene hervorgebracht, ohne Namen wirkst du heilig durch Zeiten und Räume. Dein göttliches Eins-Sein schafft in Liebe und Licht ewig und jetzt. Lass Deinen Willen durch meinen geschehen- im Geiste, wie im Körper. Gib uns täglich Nahrung - dem Körper, wie der Seele. Löse die Fesseln meiner Verfehlungen – wie ich sie anderen löse. Lass mich nicht verloren gehen in Oberflächlichem und Materiellen. Befreie mich von Unreife und von allem, was mich festhält, oder was ich festhalte. Denn allein Du bist die Kraft Du bist der Gesang des Universums- jetzt und hier, und in Ewigkeit. Amen
München, 28.10.2024 Ero Langlotz
--------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1 Diesen Begriff entwickelte der britischen Psychoanalytiker und Kinderarzt Donald Winnicott (1896–1971). entwickelt wurde. Dem falschen Selbst stellte Winnicott das wahre Selbst gegenüber. (Wikipedia) 2 Nach G. Lamsa (Evangelien aus aramäischer Sicht), engl. Bearbeitung: N. Douglas-Klotz, deutsche Bearbeitung: J.E. Berendt. 3 Diese Auffassung vertrat entschieden 1100 Jahre später Ibn al-ʿArabī (*1165 in Murcia, + 16. Nov 1240 in Damaskus, ein Philosoph und Mystiker. Er wird wegen seines großen Einflusses auf die allgemeine Entwicklung des Sufismus auch asch-schaich al-akbar („Der größte Meister“) bzw. latinisiert Magister Magnus genannt. Seine Lehre von der „Einheit des Seins“ geht davon aus, dass alle Dinge im Universum Manifestationen einer einzigen „Realität“ seien. 4 Ulrich Hedinger, Kritik der Kreuzestheologie: Wider den Mythos, Jesu Ermordung bedeute das Heil der Welt, 1993, Tübingen und Doris Strahm, „Vom Kreuz mit dem Kreuze, feministisch kritische Blicke auf die Kreuzestheologie“ Vortrag Basel 2003, https://www.doris-strahm.ch/Strahm_014.htm
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AUS DEM ARCHIV MENTZO´S AUSGEWOGENE SELLUNGNAHME ZU HELLINGER´S FAMILIENSTELLEN
Überregionale Weiterbildung in analytischer Psychosentherapie in München
Vortrag am 16.11.03
Familienaufstellungen: Versuch einer Kritik, aber auch einer Würdigung vom psychoanalytischen Gesichtspunkt aus
von S. Mentzos, Frankfurt am Main
Obwohl ich davon ausgehe, dass jeder von Ihnen, zumindest vom Hörensagen weiß, was Familienaufstellungen nach Bert Hellinger sind, beginne ich mit einer, allerdings kurzen Definition dieses therapeutischen Verfahrens zwecks einer Einführung in die Thematik und einer ersten Orientierung. Eine vollständige, geschweige eine auf allgemeine Zustimmung basierende Definition kann man ohnehin nicht zustande bringen, im Hinblick auf die inzwischen sich entwickelten Variationen des Verfahrens und angesichts der unterschiedlichen Schwerpunkte bei den einzelnen Leitern von Familienaufstellungen. Guntar Weber und Diana Drexler, die zu den am meisten akzeptierten, heutigen Vertreter der Familienaufstellung gehören, gaben letztes Jahr in der Zeitschrift „Psychotherapie im Dialog" folgenden kurzen geschichtlichen Überblick. Das Familienstellen wurde von Bert Hellinger seit den 80er Jahren entwickelt und breitete sich im deutschsprachigen Raum und in den letzten Jahren auch international schnell aus. Seine Wurzel habe es im Psychodrama Morenos und im Mehrgenerationenansatz der Familientherapie. Nachdem Bert Hellinger in den USA mit Vertretern der Familientherapie und in Deutschland mit der Skulpturarbeit in Kontakt kam, habe er Einsichten mit Vorgehensweisen aus der Skriptanalyse und der Aufstellungsarbeit zu einer Leiter orientierten Gruppenkurztherapie verdichtet.
Es geht um Gruppenveranstaltungen mit 12 – 24 Teilnehmern und ca. 10 teilnehmenden Beobachtern. Einer der Teilnehmer, meistens der therapeutisch hilfesuchende Patient, stellt eine der für ihn wichtigen Systeme (in der Sprache der systemischen Therapie, also vorwiegend die Ursprungsfamilie oder die gegenwärtige Familie oder aber auch berufliche Systeme) auf in der Art, dass für jedes der Mitglieder der zu aufstellenden Familie ein Vertreter aus den anwesenden Seminarteilnehmern bestimmt wird. Im Gegensatz zum Psychodrama, wo diese Vertreter direkt oder indirekt aufgefordert werden, in die jeweilige Rolle hinein zu schlüpfen, wird hier erwartet und verlangt, dass der Stellvertreter einfach die Position (in gewsser Hinsicht wortwörtlich die häusliche Position auf der Bühne) der zu repräsentierenden Person (Vater, Mutter usw. des Patienten) übernimmt und dann die aufgrund dieser seiner Positionierung, oder aufgrund der durch den Patienten oder den Leiter veranlaßten Positionsveränderungen entstehenden „gute“ oder „schlechte“ Gefühle und Körpersensationen auf Befragen angibt, also ob er (der Stellvertreter) sich dabei wohl oder unwohl fühlt. Er, der Stellvertreter weiß ja auch kaum etwas über die Anamnese des Patienten, bis auf die minimalen, am Anfang der Veranstaltung vom Leiter erfragten, „wichtigen Ereignisse", wie Tod, Abort, Verlust, Scheidung von wichtigen Angehörigen des Patienten. Das Überraschende für den Analytiker, der zum ersten Mal so etwas mitmacht, oder ein solches Video sich ansieht, ist dass hier weder vom Patienten, noch vom Leiter, noch von den Stellvertretern anamnestische Daten genauer nachgefragt und noch weniger darüber diskutiert wrden. Man sucht nicht nach psychogenetischen oder psychodynamischen Zusammenhängen. Allerdings sucht man intensiv doch nach Schuld oder Schmerz erzeugende Ereignisse, die meistens unbewusst verdeckt bleiben und dadurch die bei dem Verfahren der Familienaufstellung berühmten „Familiengeheimnisse" ausmachen. Täter und Opfer sind zunächst unsichtbar. Die Hinweise, dass hier doch etwas vorliegt, dass ein Geheimnis noch nicht ausgelüftet wurde erhält man jedoch nicht so sehr über sprachliche Äußerungen, sondern durch die Befindlichkeit, durch die Spannungen und affektive Körpersmanifestationen der Stellvertreter, welche durch die räumlichen Beziehungen, Nähe und Distanz zwischen den „Positionsinhabern“ und insbesondere durch die im Laufe der Aufstellung stattfindenden oder notwendig werdenden Bewegungen ausgelöst werden. Diese Bewegungen, diese Änderungen der räumlichen Relation zu den anderen beteiligten Personen oder das Entstehen von Grüppchen, die sich zueinander bewegen oder voneinander sich abwenden usw. wird aufgrund des Befindens der Betreffenden (erfragt vom Leiter) in Gang gesetzt. Oder häufiger, diese Bewegungen werden einfach vom Leiter veranlasst, der den einen dahin schiebt und den anderen in die andere Richtung zieht usw. Dieses Verändern und das Geschiebe erscheinen den Nichteingeweihten (und dazu gehörte ich auch bis vor kurzem) oft als eine willkürliche Polypragmasie oder ein Aktionismus ohne Sinn. Dem sei aber, so Hellinger und die Familienaufsteller überhaupt, nicht so. Es gehe um ein Experimentieren. Der Leiter versucht die Positionierungen herauszufinden, in denen die Betreffenden sich wohler fühlen, in denen ein Affektausbruch zustande kommt, in denen Spannung oder Entspannung durch diese eben neue Positionierung hervorgerufen werden usw. Es ist so, wie wenn man ein Puzzle zu lösen bzw. zuammenzustellen versucht. Die kurzen Bemerkungen des Leiters bei diesen Veränderungen des Gesamtbildes erscheinen dem Nichteingeweihten suggestiv, aber oft kommen auch spontane Äußerungen der Stellvertreter, dass sie sich wohl oder schlecht oder entleert oder ärgerlich usw. fühlen, die echt wirken. Die Tatsache, dass diese spontanen Erlebnisse und Äußerungen der Stellvertreter oft, wie sich später herausstellt, der geschichtlichen oder gegenwärtigen Realität der repräsentierten Personen (die ja dem Stellvertreter unbekannt sind) entsprechen, hat zur Entstehung dieses esoterischen Nimbus der Methode und der noch in der Öffentlichkeit teilweise bestehende Idealisierung ihres Erfinders Bert Hellinger beigetragen. Diese nicht nur von streng empirisch orientierten Psychologen und Soziologen, sondern auch von vielen anderen psychotherapeutischen Schulen nicht akzeptable Mythenbildung ist der eine Grund für die zunehmende Kritik gegen das Verfahren. Der andere bezieht sich auf die Person von Bert Hellinger selbst bzw. die Art der Präsentation und die verdächtige Vermarktung. Der Soziologe Oliver König beschreibt „die kritischen wie apologetischen Reaktionen auf Hellinger bzw. die Reaktionen auf diese Reaktionen, also Verteidigungsreden, Richtigstellung und persönliche Offenbarungen, z. B. in Form von Danksagungen" (König, S. 510) u.a. bezugnehmend auf Leserbriefe zu einem kritischen Artikel in „Psychologie Heute" 1998. Dort findet man in Bezug auf die Person von Bert Hellinger eine Mischung von „kritischen Charakterisierungen (autoritär, entmündigend, feindseliger Therapiestil, Verkünder letzter Wahrheiten, dogmatisch) und apologetischen (Annehmen, ein tief religiöser Mensch, ein Mensch mit großem und weitem Herzen), die die Spannungsbreite der Reaktionen nochmals verdeutlichen" (König 511). Dogmatisch wirkt Hellinger auch bei der Verkündung der von ihm behaupteten Ordnungen des Lebens und der Liebe – obwohl sonst seine Annahmen über die starken familiären Bindungen in vielen der modernen „BINDUNGSTHEORIEN“ enthalten sind.
Einen Höhepunkt erreichte die negative, kritische Welle gegen die Person von Bert Hellinger in dem bekannten langen Artikel in der „ZEIT“ vor ca. 2 Monaten (verfaßt von Martin Buchholz), ein Artikel, der mit einer Auswahl von Bildaufnahmen des Großmeisters in Aktion gespickt ist, die ihn tatsächlich in einem recht ungünstigen Licht präsentieren. Hellinger sei – so der Haupttenor dieser Reportage - in seiner Haltung nicht nur arrogant, übrheblich, pastroral und in seiner Interventionen nicht nur dogmatisch, suggestiv, willkürlich, uneinfühlsam, sondern letztlich auch gefährlich – so habe z. B. eine Patientin, aufgrund der sie vernichtenden Deutung von Hellinger – die sie aber akzeptierte – Selbstmord begangen.
Weniger dramatisierend und emotionalisierend, aber trotzdem eindeutig scharf kritisch, fällt auch das Urteil der Fachkollegen Bernt Hellingers von der „Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Forschung“ aus, die im Februar dieses Jahres eine Stellungnahme zum Thema Familienaufstellungen im Internet setzten, die heute noch jedem zugänglich ist: Die Familienaufstellung nach Bernt Hellinger, heißt es dort, stamme zwar aus wichtigen Bestandteilen der systemischen Therapie (Familienrekontruktionsarbeit und Familienstrukturen), ihre heutige Praxis gebe aber dem Vorstand der Gesellschaft Anlaß zu deutlicher Kritik und zu Befüchtungen bezüglich einer möglichen Gefährdung von Klientinnen und Klienten. Diese Stellungnahme erschien dieser Fachgesellschaft offensichtlich u.a. deswegen erforderlich, weil die Familienaufstellung als eine systemische Therapie sich repräsentiert. Bernt Hellinger, heißt es weiter in der Stellungnahme, postuliere die Existenz vorgegebener Grundordnungen und Hierarchien und vertritt seine Konzepte, Interpretationen und Interventionen immer wieder mit einer Absolutheit, die die Autonomie der Klientinnen und Klienten ernorm einschränke. Gleichzeitig entziehe er sich einer ernsthaften und kritischen Diskussion seiner Vorgehensweisen und scheint sich lieber von einer gläubigen „Anhängerschaft“ bewundern zu lassen. Viele systemische Grundprinzipien werden vernachlässigt, so etwa die Neutralität und Allparteilichkeit gegenüber Personen und Ideen. Darüber hinaus seien Familienaufstellungen in Großgruppen mit dem Ziel des Publikumseffektes ohnehin unethisch und abzulehnen. Nicht Bernt Hellinger als Norm setzender Guru, sondern ein breiter wissenschaftlicher Diskurs von Fachleuten innerhalb der Systemischen Therapie und Beratung sollte die Methodik der Familienaufstellung definieren.
Dennoch, weder solche, sonst so effektive mediale Kritik, wie von Martin Buchholz in der ZEIT noch wissenschaftliche Stellungnahmen scheinen den Publikumserfolg von Bernt Hellinger zu beeinträchtigen. Das ist aber nicht der Grund, warum ich mich entschlossen habe, mit dieser Thematik und mit dem Phänomen Bernt Hellinger mich zu beschäftigen – solche Moden sind in der Postmoderne nicht selten und werden von Soziologen in mehr kompetenter Weise, als ich es kann, untersucht und analysiert.
Was mich vielmehr motiviert hat, ist die Tatsache, dass viele mir persönlich bekannte und gut ausgebildete Psychotherapeuten, die sogar psychotische Patienten in Behandlung haben, neben ihrer sonstigen Tätigkeit auch Familienaufstellungen bieten und teilweise von den Möglichkeiten der Methode sehr angetan sind. Besonders überrascht wurde ich darüber hinaus, als vor ca. 3 Jahren eine Gruppe von solchen Kollegen und einigen hinzugekommenden Sozialwissenschaftlern mich aufsuchten und fragten, ob ich Interesse hätte als Außenstehender ihre Arbeit in Familienaufstellung mit ihnen zusammen zu beobachten und zu diskutieren. Sie wären interessiert zu hören, was ich vom psychoanalytischen Standpunkt aus denke, wie ich womöglich dieses Verfahren psychoanalytisch verstehe. Einige Sitzungen, die dann stattgefunden haben, waren für mich sehr interessant und informationsreich. Wir konnten das beabsichtigte Ziel nicht weiter verfolgen, aber nicht etwa, weil die Psychonalyse nichts dazu zu sagen hätte, sondern aus dem einfachen Grund, dass die Betreffenden selbst sich sehr uneinig in ihren Ansichten über die Familientherapie waren. Ich habe aber den Kontakt aufrechterhalten und mir auch Gedanken über die positiv zu beurteilenden Anteile dieser Methode gemacht. Hinzu kam auch die Tatsache, dass mehrere Patienten von mir zum Teil etwas verschämt, nachträglich mir anvertrauten, dass sie eine Familienaufstellung bei sich machen ließen. Dies läßt übrigens die Angabe von Martin Buchholz, dass zur Zeit in Deutschland wahrscheinlich 2000 Familienaufsteller am Werke sind, doch glaubhaft erscheinen, zumal auch andere psychoanalytische Kollegen mir von Familienaufstellungen bei ihren Patienten berichteten. Es gibt Menschen, bei denen das Familienaufstellen zum wöchentlichen Programm gehört, um einen interessanten Abend zu verbringen, der unter günstigen Bedingu g n e n n u r ¬ 1 5 , - - T e i l n a h m e g e b ü h r k o s t e t !
A u f d e r a n d e r e n S e i t e g a b e s K o l l e g e n , d i e m i r b e r i c h t e t e n , s i e h a b e n P a t i e n t e n g e s e h e n , d i e n a c h e i n e r F a m i l i e n a u f s t e l l u n g p s y c h o t i s c h w u r d e n . D a b i n i c h a b e r v o r s i c h t i g . E s g i b t P a t i e n t e n v o n m i r , d i e e i n S t ü c k T herapie bei mir hatten und trotzdem einen psychotichen Rückfall erlitten. Böswillige Beobachter könnten hier auf eine Kausalität zwischen Therapie und Psychose schließen!
Aber jetzt zu der Hauptrage: Wie ist die Familienufstellung zu verstehen und einzuschätzen?
Statt dass ich Ihnen meine Hypothesen in Bezug auf das, was ich in Videos gesehen habe, in systematischer Weise vorführe, möchte ich Ihnen einige meiner spontanen Assoziationen und Bilder verraten, welche ja indirekt auf solche potenzielle Hypothesen hinweisen. Übrigens distanzieren sich viele der mir bekannten Familienaufsteller in der letzten Zeit, wenigstens inoffiziell, von Bernt Hellinger, was die Art seines Auftretens betrifft, sie glauben jedoch weiterhin an die großen Möglichkeiten der Methode, gerade auch bei Psychose-Patienten.
Wo ist der Pope?
Als ich vieles gesehen und gehört habe über das Suchen nach dem noch nicht aufgedeckten „Geheimnis“, dessen Aufdeckung die sofortige Lösung bringen und den Patienten befreien würde, hatte ich zunächst Assoziationen mit Krimiserien, Erwecken der Neugierde bei der suche nach XY und entsprechende Erhöhung der Einschalt-quoten. Noch bösartiger war aber meine folgende Assoziation. Die bezog sich auf ein zumindest 60 Jahre altes Bild aus dem großen Markt in Athen der 40er Jahre. Es wurde dort auf dem Markt ein Spiel angeboten, (was, wie ich jetzt erfuhr, dem in Deutschland bekannten und von der Polizei verbotenen Spiel mit den Hütchen entspricht), bei dem man angeblich ganz schön Geld verdienen könne. Der Meister sitzt vor einem Tablett und er läßt eine Münze, einen Knopf, einen Würfel, den sogenannten „Popen“ mit undurchsichtigen kleinen Kappen abwechselnd zudecken. Diese 4 oder 5 Kappen wurden mit großer Geschwindigkeit unter seinen sehr geschickten Fingern getauscht. Der Spieler (wie sich herausstellte, das Opfer) der einen bestimmten Betrag zur Teilnahme am Spiel hinterlegen mußte, sollte, wenn die Hände des Meisters ruhig blieben sagen, wo denn der „Pope“ sei. Wo ist der Pope, hier, dort oder doch wieder zurück? Das Interessante ist, dass neben diesem Meister und in der Gruppe von Neugierigen, die sich dann ansammelten, drei oder vier Komparsen als angeblich fremde, unbeteiligte Beobachter standen, die das Opfer durch kurze Nebenbemerkungen in eine bestimmte Richtung beeinflussten. Das Ganze war aber so geschickt arrangiert, dass der Betreffende, also das zukünftige Opfer, zunächst Erfolg hatte und dadurch motiviert war, noch einmal, jetzt mit einem größeren Betrag ins Spiel einzusteigen, um dann selbstverständlich zu verlieren und zwar wieder unter dem Einfluß der Nebenpersonen, die ihn in die falsche Richtung beeinflußten.
Nun wird in der Familienaufstellung nicht der Pope, sondern das Geheimnis in der Familie gesucht. Und der Grund, warum ich auf diese zugegebenerweise bösartige Assoziation aus der Kindheit kam, war, dass mir bei verschiedenen Aufstellungen das endliche Auffinden des Geheimnisses gelegentlich als ein suggestiv unter zur Hilfenahme der Anwesenden herbeigezauberte Erfolg erschien. Nachdem ich aber mehrere Aufsteller kennen gelernt habe und bei allen die Überzeugung gewonnen habe, dass sie keine Betrüger sind – ich glaube dies auch in Bezug auf Bernt Hellinger, der trotz aller seiner schwierigen Ecken einen ehrlichen autentischen Eindruck macht - habe ich die mit dieser Erinnerung zusammenhängende Hypothese der Geldmacherei fallen gelassen.
Die hysterische Inszenierung
Als ich einmal eine der Großveranstaltungen (im Viedeo) die zahlreichen Teilnehmer gesehen habe, die gebannt auf die Worte und Haltung des großen Meisters auf der Bühne starrten gesehen habe, assoziierte ich den großen Pariser Neurologen Charcot aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und zwar wieder in einem Bild: Dazu muß ich folgendes berichten:
Vor 23 Jahren erhielt ich in einem Brief 2 Theaterkarten, die ich nicht bestellt hatte, für das TAT, ein damals avagardistisches Theater in Frankfurt,. Im begleitenden Brief bat man mich um Entschuldigung, dass man mich erst nachträglich darüber informieren wollte, dass im Programm eines jetzt laufenden Theaterstückes mit dem Titel „Hysterie“ große Teile aus meinem eben erschienenen Buch über Hysterie übernommen und zitiert wurden. Als Entlohnung erhielt ich die Theaterkarten. Es ging um die Inszenierung eines Stückes einer südamerikanischen Gruppe, das so gut war, dass es bei der Biennale in Venedig den ersten Preis erhielt. Die Bühne wurde in zwei Teile während der Gesamtvorführung geteilt, rechts wurde die Salpetriere und zwar eine intenive Station des berühmten Pariser Psychiatrischen Krankenhauses dargestellt, auf der linken Seite war die Villa vom großen Chef Charcot zu sehen, wo öfters abends berühmte Opernsängerinnen für ein erlesenes Publikum weibliche Opernarien sangen. Morgens bei der Chefvisite boten die hysterischen Patientinnen alles was sie noch konnten, sie dehnten ihren Körper zu einem hysterischen Bogen oder sie lagen auf dem Boden und schrien oder sie umarmten den Professor usw. Links wurden die Stimmen der Opernsängerinnen immer schriller und schriller, so dass zum Schluß man nicht links von rechts richtig unterscheiden konnte. Das Beste war aber der goße Professor, unberührt und erhaben, in beiden Fällen majestätisch, langsam sich bewegend, befahl er das Aufhören der Symptomatik bei der einen Patientin oder ......... sich mit Handlung bei den Sängerinnen auf der linken Seite. Er war selbst sozusagen die höchste Form einer hysterischen Inszenierung eines großartigen Neurologen, der sogar offenbar auch Sigmund Freud für 6 Monate fasziniert hatte, als er, also Charcot, mit Hypnose reihenweise wie in einem Familienaufstellungsseminar hysterische Patientinnen heilte. Ein großes Publikum von Studenten, aber auch sonst von der Pariser Gesellschaft war dabei.
Nun, Sie wissen, dass ich ein großer Bewunderer des hysterischen Modus der Konfliktverarbeitung bin – so dass dies alles keineswegs nur negativ oder ironisch zu verstehen wäre. Dennoch auch diese Assoziation, die ja die Deutung der gesamten Familienaufstellung und des gesamten Primboriums bei den Riesenveranstaltungen als eine hysterische Inszenierung und anschließende hysterische Epidemie nahe liegt, war mir ebenfalls nach langem Überlegen nicht so überzeugend. Außerdem, auch wenn ein großer Teil dessen, was wir dabei beobachten können, tatsächlich induzierte hysterischen Inszenierung sein sollten, so what? Ich halte viel von Hysterie und von der hysterischen Begabung und von der Fähigkeit des potenziell hysterischen Patienten (modernerweise heißt es histrionisch) halbbewußt oder unbewußte Zusammenhänge intuitiv zu erfassen und sie in Szene zu setzen. Dahinter steht aber immer eine sehr ernst zunehmende Angelegenheit, eine schmerzliche Realität.
Kurze zusätzliche Information: Vor einigen Jahren ist in einer Volksschule in der Nähe von Washington bei einer Abschlußfeier der Schüler aus der letzten Klasse und die Abschiednahme folgendes passiert: Während der Vorführung des Stückes fiel aus Versehen einer der Schüler auf den Boden, so dass er auf die Nase schlug und blutete. Man hat ihn aufgerichtet und irgendwie konnte das Spiel weiterlaufen, aber nach drei oder vier Minuten fingen mehrere Schüler an, im gefüllten Saal umzufallen, sie wurden halb bewußtlos, man vermutete irgendwelche giftigen Gase. Es gab großen Alarm, die Polizei kam. 35 Kinder mußten in Krankenhaus eingeliefert werden und nach ein paar Stunden entlassen werden. Es handelte sich also um eine moderne hysterische Epidemie. Das wichtigste kommt aber jetzt erst. Zwei gewiefte Assistenten haben die Gelegenheit sofort beim Schopf ergriffen und haben daraus eine Doktorarbeit gemacht. Sie haben die 35 Kinder gründlich untersucht und eine gleich große Gruppe von Kindern, die nicht umgefallen sind, ebenfalls in Bezug auf Anamnese und mit einigen Tests untersucht worden. Der Vergleich der zwei Gruppen ergab, dass die Kinder, die umgefallen sind, signifikant häufiger Trennungen, Verluste und andere schwerwiegende Ereignisse in ihrer Familie erlebt hatten!
Also, auch wenn ein Teil der Vorkommnisse auf der Bernt Hellinger-Bühne hysterische Phänomene sein sollten, sie stehen doch in Zusammenhang mit tatsächlich stattgefundenen Traumatisierungen und Ereignisse in der Familie zusammen.
Meine dritte Assoziation führte weit zurück bis zur Antike, bis zum griechischen Theater, das bekanntlich eine der wichtigsten Wurzeln solcher therapeutischer Verfahren, wie die Familienaufstellung darstellt. In beiden Fällen geht es nicht nur um die sprachliche, sondern auch um die räumliche, szenische Darstellung verwickelter Beziehungen von Familiendramen, wobei oft auch ein oder mehrere Geheimnisse im Hintergrund eine große Rolle spielen und wo die Darsteller (die Schauspieler oder die Stellvertreter) nach Möglichkeit nicht ihre eigenen Probleme in den interaktionellen Prozess mit hineinbringen sollen (vgl. die entsprechende Aufforderung von Hellinger an die Stellvertreter und der anderen Seite im antiken Theater, die Tatsache, dass die Schauspieler Masken getragen haben. Schließlich - und dies erscheint mir besonders bemerkenswert - hat auch im antiken Theater die Positionierung der Akteure und ihre Bewegung im Raum eine Rolle gespielt, die ja in der Familienaufstellung eines der Hauptprinzipien darstellt: Die Positionen der Stellvertreter und insbesondere die räumliche Relation der Positionen und das im Laufe der Aufstellung sich verändernde Muster der einzelnen Positionen ist die Hauptbedingung um sozusagen experimentiell das Affekte auslösende und Spannung erhöhende, aber dann auch andererseits das Entlastende und um mit Bernt Hellinger zu sprechen, die richtige Ordnung zu finden.
Übrigens über die Ordnungen der Liebe und des Lebens im Metaphysischen oder Theologischen, wie sie Hellinger versteht, will ich mich hier nicht ausbreiten. Sie sind für mich als subjektive und mehr oder weniger dogmatisch behauptete Glaubenssätze zwar zu respektieren, aber sie können ohne weiterführende, auf Erfahrung begründete Untermauerung, nicht allgemein fähige Akzeptanz beanspruchen. Von Respekt spreche ich trotzdem, weil wir alle unsere direkten und indirekten,bewußte oder unbewußte Annahmen in Bezug auf gewisse als gut, gelungen, gesund zu bezeichnenden Situationen, Entwicklungen, Regelungen haben, so z.B. ich selbst, wenn ich in meinem Bipolaritätsmodell diejenigen Lösungen als gelungen dialektisch und gesund betrachte, die zu einer Integration und zu einer Befriedigung, sowohl von selbstbezogenen, als auch objektbezogenen Tendenzen führen.
Forcierte Symbolisierung auf dem psychosozialen Feld und die Suche nach dem Geheimnis
Wenn ich engagierte, tüchtige Leiter bei Familienaufstellungen beobachte, so fallen mir Ähnlichkeiten mit der Arbeit eines Bildhauers, eines Musikers, eines Malers, überhaupt eines Künstlers auf. Zwar wirkt manchmal die Emsigkeit, mit der temperamentvolle Leiter (und nicht kühle Naturen wie Hellinger) die Stellvertreterpositionen immer wieder ändern und mal dies und mal jenes ausprobieren, wie ein übertriebender oder künstlich dramatisierender Aktionismus; insgesamt gewinnt man aber wenigstens bei den ernstzunehmenden Vertretern den Eindruck, dass es sich dabei um echte authentische Bemühungen, um die Suche nach optimalen Lösungen geht, um die Herstellung einer befriedigenden Gestalt in einem für das Leben der Betreffenden wichtigen Puzzle. Gerade dieses gleichzeitig ernste und spielerische Herumprobieren zusammen mit der intensiven Suche nach dem „Geheimnis“ in der Eltern- und Großelterngeneration erzeugt auch die Spannung bei den Zuschauern, die mit der Spannung bei einem Krimi vor der Aufdeckung des Täters erinnert, wobei in beiden Fällen eine Süchtigkeit, ein immer mehr von dem selben haben wollen, sich einstellen kann.
Dies alles, zusammen mit den zum Teil realistischen, zum Teil desinformierenden Berichte über Bernt Hellinger könnten den falschen Eindruck enstehen lassen, er sei eigentlich nicht für den Patienten als solchen interessiert, ihm ging es nicht an erster Stelle um das Wohl des Patienten, sondern um die Bestätigung der etwas esoterisch anmutenden Ordnungen der Liebe oder wie es bei ihm in den letzten Jahren zu hören ist, um die Bewegungen der Seele.
Dies entspricht nicht meinem Eindruck: Im Gegenteil, insbesondere auch beim psychotischen Patienten erlebe ich Hellinger als sehr umsichtig, einfühlsam und sehr darauf bedacht, den Patienten z.B. mit kurzen Bemerkungen narzisstisch zu stärken.
Ich zitiere kurz aus einem Transskript: Der Hellinger sagt zu dem jungen schizophrenen Patienten ganz am Anfang: Du bist ganz schön mutig, Dich dem hier so zu stellen. Oder in einem anderen ähnlichen Fall, ebenfalls einem jungen Patienten, halb ernst, halb scherzhaft: Du scheinst hier der Schlaueste zu stein, ein Schlauberger (dabei indirekt andeutend, sie beide, der junge Patient und Hellinger selbst seien die Schlauberger hier, also eine Art symbiotische Omnipotenz a la Kahn). Auch wenn kurz danach Sätze kommen, die dem Patienten etwas abrupt wieder auf den Boden der Realität bringen, so hat man das Gefühl, dass dies auch gutwillig geschieht und sozusagen als eine erste Vorübung zu dem programmatisch mehr oder weniger dann erfolgenden „Schaukeln“ zwischen den Bindungen zu anderen Personen oder aber zu sich selbst, zu der eigenen Selbsteinschätzung, Schaukeln innerhalb des Gegensatzes selbst und Fremdidealisierung versus Selbst- und Fremdablehnung.
Also das oft vermittelte Bild eines überheblichen, eigensinnigen, indirekt sadistischen, rücksichtslosen Hellingers, der die Patienten mit seiner Autorität und seinen Bemerkungen zur Verzweiflung oder sogar zum Selbstmord bringen kann, entspricht nach meinen Erfahrungen und Informationen nicht der Realität, obwohl manchmal, selten, einiges in die Richtung Verdächtiges nicht von der Hand zu weisen ist.
Hat die Familienaufstellung eine relevante therapeutische Wirkung und wenn ja, auf welche Weise kommt diese therapeutische Wirkung zustande?
Die oben aufgezählten spontanen Assoziationen von mir zur Thematik der Familienaufstellung entsprechen direkt oder indirekt vier Hypothesen zur Erklärung des Phänomens Familienaufstellung: Die erste Hypothese, es ginge um Betrug, Geldmacherei, Scharlatanerie, medienwirksame Selbstdarstellung etc. habe ich schon vorhin, wenigstens in Bezug auf die ernst zu nehmenden Leiter und Teilnehmer verworfen.
Die zweite Hypothese, die Familienaufstellung biete in exellenter Weise geeignete Bedingungen zur Herstellung von hysterischen (histrionischen) Inszenierungen innerhalb deren zwar eine gewisse Entladung von aufgestauten Affekten und eine Quasiaufdeckung stattfindet, wobei aber das Eigentliche, also der intrapsychische Gegensatz, der Konflikt oder das Dilemma weiterhin verdrängt bleibt und somit kein entscheidender Fortschritt erreicht wird.
Diese meine Kritik ist nur beschränkt richtig. Die mit Geheimnislüftung, aber auch ohne sie indirekt stattfindende einsicht in der ungeheuren Macht der Familienbindungen (zum Guten und zum Schlechten) ist m. E. nicht zu leugnen und macht den gewichtigsten therapeutischen Faktor aus.
Die Ausdruckgebung des Familiendramas, sogar gerade auch in den voran gehenden Generationen und gerade ohne viele Worte, sondern nur durch die Positionierung und die Bewegung möglicher in ähnlicher Weise wie in der antiken Tragödie eine sonst nicht ohne weiteres zu erreichende Parzipation und Kartharsis und u. U. auch bleibende Einsicht.
Die Ernsthaftigkeit und das authentische echte Engagement des Leiters, aber auch die tragende sorgende teilnehmende Gruppe ermöglichen dem Patienten eine neue Beziehungserfahrung, die gerade durch die Direktheit der vorwiegend räumlichen Nähe und Distanz die Verfälschungen und Desinformationen und Heucheleien der Sprache vermeidet und ihm in ähnlicher Weise, wie bei der uns bekannten Psychosenbehandlung mit Hilfe des Handlungsdialogs eine Lockerung der psychotischen Dilemmatik ermöglicht. Der Patient macht also die Erfahrung, dass er in einer intensiven Beziehung teilnehmen kann (mit Hilfe der Vertretung und der Stütze des Leiters auf dem Rücken) ohne deswegen seine Autonomie und seine Selbstidentität zu verlieren.
Diese letzte Hypothese und Position ist selbstverständlich meine eigene, sicher überoptimistische Sichtweise auf der Grundlage des eigenen Psychose- und Psychosentherapiekonzeptes. Sie vernachlässigt viele wichtige Annahmen und Handlungsweisen der Familienaufsteller, die durch diese Hypothese nicht gedeckt werden. Gemeint sind hier insbesondere drei Sachverhalte:
In der Familienaufstellung suchen alle, man könnte fast sagen, manchmal wie besessen, nach dem Geheimnis. Ich dagegen versuche ich vielmehr den Konflikt, das Dilemma zu finden und eine geeignete Formulierung, die es in seiner spezifischen Form bei dem Patienten erfaßt, zu finden. Man könnte zwar behaupten, das Geheimnis und seine Aufdeckung enthalten implizit den Konflikt bzw. das Dilemma. Ich hielte es aber sinnvoller und effektiver, wenn Schuldgefühle, daraus resultierender Haß und Selbsthaß und insbesondere die Ambivalenz eindeutiger zur Sprache kämen. Gegen Ende jeder Familienaufstellung und sobald der Leiter glaubt, die sogenannte „Lösung“ gefunden zu haben, formuliert er bestimmte Sätze, die einige der Stellvertreter selbst und dann die fast regelmäßig auf die Bühne geholten Patienten selbst aussprechen müssen. Es sind eindeutig suggestive Sätze, etwa im Stil: Du bist meine Mutter, ich ehre und liebe Dich, aber mein Leben gehört mir und ich habe mein Leben für mich zu leben. Deine Probleme habe ich nicht zu tragen.
Dabei handelt es sich zwar immer um solche Sätze, die gerade die oben angedeutete Problematik und Dilemmatik (Selbstbezogenheit, Objektbezogenheit) berühren, so dass man mir sagen könnte, ich sollte mich damit zufrieden geben, dem Beobachter - und mir – erscheint. Aber höchst unwahrscheinlich, dass solche tiefergehenden Probleme mit zwei, drei suggestiven Sätzen ein für allemal zu erledigen wären. Es ist kaum vorstellbar, dass eine einmalige Familienaufstellung, auch wenn sie im idealen Fall die geschilderte Ausdrucksgebung und die Einsicht in das Problem (mit und ohne Geheimnis) ermöglicht, in der Lage ist, das Auftreten psychotischer Lösungen entbehrlich zu machen. Eine parallel laufende Behandlung erscheint mir unbedingt erforderlich. Zu diskutieren ist nur die Frage, ob eine oder mehrere Familienaufstellungen des Patienten förderlich in dieser Behandlung sein können. Übrigens haben Psychosetherapeuten, die gleichzeitig Familienaufstellungen machen, den Eindruck geäußert, dass die psychotischen Patienten vorwiegend als Vertreter in solchen Familienaufstellungen profitieren können. Dass sie selbst ihre Familie aufstellen, kommt selten vor, ist schwierig und kann auch zu Komplikationen führen. Das sind aber offenbar zunächst Erfahrungen von einzelnen Therpeuten.
Insgesamt erscheint mir trotz der oben ausführlich geschilderten negativen Aspekte und Gefahren nicht berechtigt, Familienaufstellungen schon a priori als indiskutabel abzulehnen; im Gegenteil, erscheint mir als ziemlich wahrscheinlich, dass sowohl allgemein, als auch bei Psychosen die Förderung des symbolischen Erfassens des bis dahin nicht anschaulich faßbaren gefördert werden kann. In meiner Prognose in Bezug auf die Methode würde ich eher dazu tendieren, zu sagen: Auch wenn die Mode der dramatischen großen Veranstaltungen oder der gewohnheitsmäßigen Familienaufstellung im Stil des Happenings in absehbarer Zeit vielleicht abnehmen und dann verschwinden, so wird, hoffe ich, ein positiver Einfluß dauerhaft zurück bleiben und zwar nicht nur im Sinne eines in der breiten Öffentlichkeit geweckten Interesses für Familiedynamik und transgenerationellen Zusammenhänge, sondern auch für die Fachleute, also für uns alle Psychotherapeuten und Psychoanalytiker, als Anreiz zur Ausnutzung und weitere Entwicklung von Techniken, die die anschauliche Symbolisierung intrapsychischer und interpersoneller Vorgänge fördern, was ja, wie wir wissen, gerade für unsere psychotischen Patienten von großem Nutzen sein können.
Diesen Aufsatz schickte ich an Prof. Mentzos mit folgendem Begleitbrief:
From: "Dr.med.E.R.Langlotz" <praxis@e-r-langlotz.de> To: "Prof. Dr. Mentzos" Subject: Symbiose und Psychose Date: Sat, 9 Jul 2005
Lieber Prof. Dr. Mentzos, mit großem Interesse habe ich Ihren Aufsatz zu Therapie von Psychosen gelesen. Ich bin davon fasziniert, dass Sie den Grundkonflikt bei Psychosen im Dilemma zwischen Nähe zum anderen und der eigenen Autonomie sehen.
Auch ich verstehe den Grundkonflikt beim - von mir so bezeichneten "Verschmelzungssyndrom" in der subjektiven Unvereinbarkeit von Nähe zum Anderen und gleichzeitigem Kontakt zu sich selbst. Wie Sie in meinem Aufsatz sehen, glaube ich, drei unterschiedliche ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN FÜR DAS Verschmelzungs-Syndrom ausmachen zu können: 1. die übergriffige Mutter ("Infektion durch die symbiotische Mutter") 2. der nicht erreichbare Vater ("umgekehrte Empathie") 3.die unbewußte verschmelzende Bindung an ein unbekanntes Geschwister.
Diese frühen Bindungserfahrungen, werden zum "Modell" für spätere Beziehungen, zum Partner, zum Kind, zur Arbeit, etc. Bei einigen Patienten scheinen alle drei Bedingungen vorzuliegen! Wie Sie verstehe ich das Verschmelzungs-syndrom als Anpassung an eine Mangelsituation und die resultierenden Symptome als Kompensationsversuch, mit einem Verschmelzungssyndrom zu überleben.
Das Familienstellen erlaubt einen unmittelbaren Zugang zu den frühen prägenden Bindungserfahrungen. Ich hatte mehrmals die Chance, innerhalb eines Aufstellungsseminars je die HERKUNFTSFAMILIE des Psychosepatienten und der begleitenden Eltern aufzustellen.Dabei zeigte es sich, dass bereits beide Eltern mit einem eigenen Elternteil "verschmolzen " waren und der Klient seinerseits mit beiden Eltern verschmolzen war. Dies erklärt die Eingeschränkte Identitätsentwicklung, aber auch die Übernahme traumatisierender Erlebnisse über Generationen weg von Großvater zu Enkel,die einen Teil des "psychotischen Erlebens" ausmachen. Beim Familienstellen wird diese "Verschmelzung" auf drastische Art deutlich: ich stelle den Klienten an den Platz seiner Mutter. Dort kennt er sich aus -mehr als bei sich selbst, so als habe er die ganze Zeit noch "in der Mutter gesteckt", "die Welt durch Mutters Augen gesehen". Zur Lösung führt ein Ritual von eindrücklicher Psycho-Dramatik: er "steigt" aus der Mutter aus, sagt die Identitäts-stiftenden Sätze: Du bist Du, Ich bin Ich, Du hast Dein Schicksal, ich habe meines, Du gehst Deinen Weg, ich den meinen- und ich bleibe immer Dein Sohn." Unterstützend für diesen "INDIVIDUATIONS-PROZESS" wirken weitere RITUALE; das Zurückgeben von "verlorenen Seelenanteilen" (vom Elternteil zum Kind), und das Zurückgeben übernommener Last (vom = Kind zum Elternteil) . Beides wirkt sehr tief auf einer unbewußten = Ebene.
Ein wesentlicher Faktor für die ENTSTEHUNG DES Verschmelzungssyndroms scheint darin zu bestehen, dass bereits die Eltern sich von früh verstorbenen Angehörigen nicht verabschieden konnten, dadurch "Seelenanteile" verloren haben, sich dem Partner (Trennung) und dem Kind nicht zuwenden konnten, ihn nicht als das sehen können , was er ist, als Kind. So bietet das Kind dem Elternteil seine Seelenanteile "als Ersatz" an und glaubt, ihm fehlende Angehörige ersetzen zu müCssen, um die Illusion von Nähe, Verbindung, Bedeutsamkeit zu ihm zu haben. So entwickelt es eine "falsche Identität", ein brüchiges Selbstgefühl, schwankend zwischen grandioser Selbstüberschätzung und dem Gefühl des Versagens. Abschieds- und Abgrenzungs-Rituale sind daher bei meiner Art des FAmilienstellens zentral. Übrigens finde ich das Verschmelzungs-Syndrom" in leichterer Ausprägung bei 70-90% meiner Klienten! Durch den Symbiose-Fragebogen ist es möglich, das Ausmaß von Abgrenzungs- und Selbstwahrnehmungsschwäche sowie die Kompensationsmechanismen "Überabgrenznung" und "dominantes Verschmelzen"quantitativ zu erfassen, was auch eine Effizienzkontrolle ermöglicht. Bitte entschuldigen Sie meinen Enthousiasmus.Da ich bei meinen Aufstellerkollegen wenig Resonanz für meine Beobachtungen finde, freut es mich umsomehr, einem erfahrenen Therapeuten zu begegnen, der ähnliche Vorstellungen entwickelt hat. Natürlich ist das Familienstellen kein Allheilmittel gegen Psychosen, ich verstehe es als wichtiges diagnostisches aber auch therapeutisches Instrument, um die Aufmerksamkeit des Klienten auf diese Dynamiken zu lenken und ihm eine andere, befreite Erfahrung möglich zu machen, sodass er motiviert ist, sich therapeutische Hilfe zu holen.
Zum Schluß muss ich noch erwähnen, dass ich niedergelassener Psychiater bin, mich von den unterschiedlichen Psychotherapieverfahren - zum Teil wegen ihrer den Klienten abwertenden = Terminologie - nicht angesprochen fühlte und über die Initiatische Therapie Karlfried Dürckheims zu eigener therapeutischer Tätigkeit = kam. Daher meine geringe Kenntnis der Therapeuten-Szene.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Ernst R. Langlotz
Und ich erhielt von ihm diese Antwort:
5.2.2006
Lieber Herr Dr. Langlotz,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben und den Vortrag, den ich ausgesprochen treffend finden, weil er direkt das Wesentliche knapp, aber sehr klar erfasst. Sie können sich vorstellen, dass ich mich sehr gefreut habe, dass mein Konzept von einer anderen Seite positiv betrachtet wird und zwar mit Formulierungen und sprachlich gekonnten Umschreibungen, Erweiterungen und origi= nellen Bemerkungen - man fühlt sich verstanden und bereichert und das tut gut!
Gut fand ich auch, dass Sie die sicher bei mir vorhandenen Bedenken (betreffend die Methode und insbesondere die rituellen therapeutischen Interventionen) vorwegnehmend berücksichtigen.
Diese Bedenken sind zwar nicht weg - was erwarten Sie auch von einem Psycho= analytiker! - die sind aber deutlich schwächer geworden, insbesondere auch durch die Unterscheidung zwischen direktiv und auoritär.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
DIES IST EIN DOKUMENT AUS MEINEM "ARCHIV" SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION – Die Lösung des Dilemmas Bindung – Freiheit?
by Ero Langlotz | 3. Jul 2008 | einführende Texte zur Systemaufstellung
LEBEN EINZELN UND FREI WIE EIN BAUM UND BRÜDERLICH WIE EIN WALD DAS IST UNSERE SEHNSUCHT!
[Nazim Hikmet]
Stavros Mentzos1 geht in seinem “Bipolaritäts-Modell” von zwei Grundbedürfnissen des Menschen aus:
dem nach Nähe und Bindung, und dem nach Autonomie und Freiheit.
Mentzos findet bei Klienten mit schizophrenen und depressiven Störungen eine Unfähigkeit, diese beiden Bedürfnisse miteinander zu verbinden. Die Symptome dieser psychischer Störungen versteht er als Kompensationsversuche für dieses „DILEMMA“, und nicht als Defizit! Die folgenden Beobachtungen und Überlegungen scheinen geeignet, dieses DILEMMA als Ausdruck einer rigiden, destruktiven Symbiose zu begreifen. Das eröffnet neue Lösungs-Strategien.
Symbiose und Selbst-Entfremdung Selbst-Entfremdung und Selbst-Verlust können verstanden werden als Folge symbiotischer Anpassungs-Strategien eines traumatisierten Familiensystems, die über Generationen hinweg weitergegeben werden. Wenn Eltern auf Grund eigener Gewalt-oder Verlusterfahrungen für ihre Kinder als Eltern nicht erreichbar sind, dann können Kinder nicht Kinder sein. Um jedoch das Grundbedürfnis nach Nähe und Bindung zu stillen, identifizieren sie sich mit dem, was die Eltern in ihnen sehen, von ihnen erwarten („falsches Selbst“, Winnikott, „Persona“ als Teil der „kollektiven Psyche“ bei C.G.Jung). Sie glauben dann unbewusst, den Eltern früh verstorbene Angehörige oder den Partner ersetzen zu sollen – z.B. Parentisierung – oder ihnen ihre Last, ihre Trauer, Schmerz oder Schuld abnehmen zu müssen. Um sich derart symbiotisch an die Eltern anpassen zu können, müssen sie jedoch ihr zweites Grundbedürfnis, das nach Autonomie und Freiheit zurückstellen. Sie unterdrücken eigene zentrale Selbst-Anteile, spalten kindliche Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse und die lebenswichtigen Aggressions-Impulse ab, verlieren damit ihre Abgrenzungsfähigkeit. Diese rigide Symbiose, die immer mit Selbst-Entfremdung verbunden ist, muss als destruktiv bezeichnet werden, im Unterschied zu flexiblen, vorübergehenden symbiotischen Phasen einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung. Wenn diese zentralen Selbst-Anteile nicht mehr zur Verfügung stehen, die zusammen so etwas wie eine eigene Orientierungs-Instanz ausmachen, ist keine eigene „autonome“ Orientierung mehr möglich, Auseinandersetzung, Identitätsfindung und persönliches Wachstum sind blockiert. Das verstärkt wiederum, im Sinne eines Teufelskreises, die Tendenz zu symbiotischer Anpassung, zu symbiotischem Verschmelzen mit dem Gegenüber und umgekehrt! Das ist das DILEMMA: die Betroffenen können in der Nähe zum Gegenüber sich selbst nicht mehr spüren. Um bei sich selbst sein zu können, müssen sie auf die Nähe zum Gegenüber verzichten. Sie können nicht die beiden Grundbedürfnisse mit einander verbinden, sie können sich nicht im Kontakt abgrenzen!
„Kollektive Symbiose“….. Symbiosemuster werden oft von Generation zu Generation weitergegeben. Wenn Klienten „nicht Kind sein konnten“, dann erwarten sie oft unbewusst von ihren Kindern den Halt, die Sicherheit, die Orientierung, die sie von ihren Eltern nicht bekommen konnten. Sie können ihren Kindern den Halt von Grenzen nicht geben. Es sind besonders traumatisierte Familiensysteme, die so zu einem symbiotischen Kollektiv werden. Sie entwickeln eigene, selbst-stabilisierende Mechanismen, ein eigenes Werte- und Glaubens-System, welches das Bewusstsein der Familien-Mitglieder bestimmt. Erwünscht ist eine Haltung des „für die anderen zur Verfügung stehen“, „Prothese“ zu sein für die „Amputationswunden“ eines anderen. Das Leid der Symbiose wird so zur Tugend der „Loyalität“ umgedeutet: Selbst-Losigkeit und unabgegrenztes Mit-Leiden werden als Zeichen von Liebe verstanden. Abgrenzung, Selbst-Bestimmung, Autonomie werden als Verrat, als egoistisch, als verrückt diffamiert. Das stiftet eine zusätzliche Verwirrung und erschwert die Wahrnehmung des Symbiose-Komplexes. Dies Phänomen der Kollektiven Symbiose finden sich auch ausserhalb der Familie, in Betrieben, Therapie-Schulen, Sekten, ja in ganzen traumatisierten Volksgemeinschaften. Staatlicher Terror kann die individuelle Autonomie brechen, – „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“- führt zu Anpassung und Unterwerfung, zur kollektiven Selbst-Entfremdung. Das verstärkt auch die familiären Symbiose-Muster.
als Überlebens-Strategie? Eine „kollektive Symbiose“, dies „symbiotische“ Selbstverständnis, dass der Clan vor dem einzelnen Mitglied Vorrang hat, war vielleicht für die Familienverbände unter den Extrembedingungen der menschlichen Frühzeit eine Überlebensstrategie. Seit dreitausend Jahren entwickelt sich jedoch etwas Neues: ein vom Clan abgegrenztes Ich-Bewusstsein. Der griechische Held Odysseus ist ein Beispiel für dieses neue Bewusstsein. Vielleicht kann das Auftreten der „kollektiven Symbiose“ in traumatisierten Systemen als eine Art von „Regression“ verstanden werden, als Rückfall in ein entwicklungsgeschichtlich früheres Stadium. Das Glaubens-System der kollektiven Symbiose verstärkt die Verwirrung und Selbst-Entfremdung der symbiotischen Familien-Systeme und belastet noch nach Generationen das „Aussteigen“ des Einzelnen mit massiven Schuldgefühlen („Abgrenzungsverbot“).
Das zweite Grundbedürfnis, das nach Autonomie, lässt sich jedoch auf die Dauer nicht unterdrücken. Die abgespaltenen Selbst-Anteile sind nicht einfach weg. Ungezähmt brechen sie ins Bewusstsein, stören die brüchige Harmonie, den „faulen“ Frieden und werden deshalb als zerstörerisch erlebt und noch stärker unterdrückt. Abgrenzung und Aggression richten sich immer mehr gegen eigene Selbst-Anteile. Das führt zu akuten Krisen, zur Zerrissenheit, zu einem Identitäts-Stress, zu psychosomatischen und somatischen Erkrankungen, zu einer spezifischen symbiotischen Verwirrung: Die Betroffenen identifizieren sich mit dem Gegenüber – anstatt mit den eigenen Selbst-Anteilen. Und anstatt vom Gegenüber grenzen sie sich von den eigenen Selbst-Anteilen ab.
Dieser Symbiosekomplex mit den Aspekten Anpassungstendenzen, Selbst-Entfremdung und Aggressionshemmung ist – so scheint es – die gemeinsame zentrale Ursache für Beziehungsstörungen, für seelische und körperliche Erkrankungen.
Vervollständigt wird dieser Symbiosekomplex noch durch spezifische Kompensations-Strategien: Um Verletzungen und Abhängigkeit zu vermeiden entwickeln manche eine Haltung der Überabgrenzung, der „Pseudo-Autonomie“. Sie lassen sich auf Nähe nicht mehr ein, unterdrücken ihr Mitgefühl, werden bitter, egoistisch, böse. Andere, vitalere Naturen versuchen das Dilemma dadurch zu lösen, dass sie andere manipulieren, von sich abhängig zu machen, um ihre eigene Abhängigkeit nicht zu spüren. Diese Menschen entwickeln Macht, sie finden sich in den „oberen Etagen“ von Wirtschaft und Finanzwelt, suchen nur selten therapeutische Hilfe. Aber wenn der manipulierte Partner sich befreit, merken auch sie, wie abhängig sie eigentlich waren. Diese Kompensations-Strategien können in unterschiedlicher Ausprägung und Mischungsverhältnissen auftreten.
LÖSUNG DURCH SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION Mit Hilfe von Repräsentanten (Satir, Hellinger) 2 3 stellt der Klient seine Kern-Familie auf. Die stellvertretende Wahrnehmung der Repräsentanten ermöglicht es, das Beziehungsgefüge der Familie mit seinen Verwerfungen zu rekonstruieren und erlaubt es, Generationen übergreifende Symbiosemuster bewusst zu machen, genauer zu erforschen und Lösungsstrategien quasi experimentell zu erproben. Der Klient stellt auch einen Repräsentanten für die Selbst-Anteile auf, die zwar zu seiner „Grundausstattung“ gehören, mit denen er aber nicht verbunden ist, die ihm zur Vollständigkeit fehlen, abgekürzt für sein „Selbst“. Meist stellt der Klient dieses „Selbst“ weit entfernt von sich auf. Zunächst wird deutlich, dass der Klient für einen oder beide – traumatisierte- Eltern fehlende Personen ersetzen wollte, dass er ihnen das Schwere abnehmen zu müsse glaubte, ja dass er mit einem oder gar beiden Eltern symbiotisch verschmolzen war. Offensichtlich war er auf dem „Boot“ des Elternteils „blinder Passagier“ oder gar „Lotse“ – mit oder ohne „Auftrag“! Das hinderte ihn daran, auf dem eigenen Boot „Kapitän“ zu sein, mit seinen eigenen Selbst-Anteilen – seinem „Bordcomputer“ – verbunden zu sein. Der Leiter erklärt dem Klienten die Zusammenhänge und weist ihn darauf hin, dass er das Recht hat, aus dem Boot des Elternteils „auszusteigen“ und die übernommene Schicksals-Lasten wieder mit Achtung zurück zu geben. Das ist nicht immer leicht, da der Klient die Symbiosemuster als „Liebe“ miss-versteht, und das „Aussteigen“ aus dem Symbiosemuster als lieblos und undankbar – „Unbewusstes Abgrenzungsverbot“. Er konnte bisher nicht sehen, dass er dadurch an Achtung verloren hat, für den Elternteil, aber auch für sich selbst! Archaische Lösungs- und Rückgabe-Rituale können, da sie direkt auf einer unbewussten Ebene wirken, diesen Lösung-Prozess erleichtern. Meist spürt der Klient nach diesem Lösungsschritt erstmals Verbindung und Interesse zu seinem „Selbst“. Aber er kann sich ihm noch nicht nähern.
Grenze und innerer Raum Durch die symbiotische Verschmelzung mit dem Elternteil gab es keine Grenze. Im Kontakt zu dem Elternteil war der innere Raum, wenn überhaupt vorhanden, eingenommen von den Themen des Elternteils. Für eigene Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, für das eigene „Selbst“ gab es buchstäblich keinen – oder zu wenig – Raum. Offensichtlich fühlt sich auch das „Selbst“ (Stellvertreter) beim Klienten erst dann „sicher“, wenn dieser den Raum schützen kann, auch und besonders gegenüber dem Elternteil!
Abgrenzungsritual In einem Ritual „schiebt“ der Klient den Repräsentanten des Elternteils über eine symbolische Grenze, aus seinem eigenen Raum heraus. Er mobilisiert seine blockierte Aggression und setzt sie konstruktiv in der Abgrenzung ein. Meist wird hier erneut das „unbewusste Abgrenzungsverbot“ sichtbar, der Kern des Symbiosekomplexes? Wenn es dem Klienten gelingt, sich selbst diese Abgrenzung zu erlauben, dann geschieht ein erstaunlicher Wandel: Haltung und Gesichtsausdruck wandeln sich wie mit einem Schlag, Lächeln und Würde und Gelassenheit entstehen, der Klient gewinnt seine Handlungsfähigkeit zurück. Anscheinend kommt es hier zu einer entscheidenden Richtungs-Umkehr der Aggression: statt destruktiv gegen das Selbst nun konstruktiv gegen das Gegenüber, um den inneren Raum und das eigene Selbst zu schützen. Der verlorene „Selbstschutz-Reflex“ ist wieder installiert. Das destruktiv gewordene Aggressions-Potential wird entlastet, dadurch, dass der „konstruktive“ Kanal in der Abgrenzung wieder eröffnet ist. Bei jedem Lösungsschritt wird der Klient gefragt, ob er dazu bereit ist. Das fordert und stärkt die Instanz in ihm, die sich entscheiden und Verantwortung übernehmen kann.
Diese Verfahrensweise hat eine hohe therapeutische Effizienz, die sich z.B. mit Hilfe des VEI/PAI Fragebogens testpsychologisch nachweisen liess.4
Zusammenfassung Die Verwendung von Repräsentanten mit ihrer stellvertretenden Wahrnehmung erlaubt es, die prägenden Kindheitsbeziehungen zu rekonstruieren und zu erforschen. So konnte das sich gegenseitig verstärkende Zusammenwirken von Symbiosetendenzen und Selbst-Entfremdung entdeckt werden, das Symbiose zu einer Falle macht, zu dem DILEMMA führt, das Mentzos in seinem Bipolaritäts-Modell beschreibt! Diese Sichtweise ermöglicht auch eine Lösung des DILEMMA’s, und zwar an der Wurzel! Die Annäherung an das „Selbst“ und das Lösen aus der Symbiose und der Aggressionshemmung sind einzeln nur schwer zu bewältigen. Mit dem Konzept der SYSTEMISCHEN SELBST-INTEGRATION lassen sich alle drei Aspekte in einem einzigen Prozess lösen, das ist wahrscheinlich der „Trick“ zur Lösung dieses Dilemma’s?! Der Stellvertreter für das „Selbst“ erweist sich dabei als wichtige Ressource und gleichzeitig als Katalysator für den Prozess. Die Betroffenen lernen, sich auch in einer Beziehung abzugrenzen, bei sich selbst zu bleiben, ohne Schuldgefühle. Freiheit und Bindung schliessen sich nicht mehr aus! So kann es in Beziehungen zu Begegnung, zu Auseinandersetzung, Veränderung und Wachstum kommen. Die Verbindung zu abgespaltenen Selbstanteilen ermöglicht wieder eine eigene autonome Orientierung, Selbst-Organisation, Identität.
Es wird deutlich, dass neben der Nähe und Bindung an die Eltern eine weitere Kraftquelle existiert: das eigene autonome Selbst, das auch dann da ist, wenn es abgespalten wurde. Diese Ressource ist vor allem dann wesentlich, wenn die Eltern so extrem verwirrt oder gewalttätig waren, dass eine Nähe zu ihnen für den Klienten nicht mehr möglich ist. Das eröffnet auch für die Traumatherapie neue Perspektiven.5
Solange Familiensteller nach Hellinger, das Symbiosethema und die Ressource des „Selbst“ systematisch ausblenden, laufen sie Gefahr, die Spaltungs-Tendenzen ihrer traumatisierten Klienten durch Versöhnungs-Strategien noch zu verstärken, sie erneut zu traumatisieren, bis hin zur suizidalen oder psychotischen Krise.
Das hier beschriebene therapeutische Konzept bedarf weiterer Differenzierung. Es ermöglicht ein umfassenderes Verständnis des Symbiose-Komplexes und eröffnet neue Lösungs-Strategien.
Dr.med. Ernst Robert Langlotz, Praxis für Psychiatrie und Systemtherapie, München, 03.07.08
Literatur:
1Stavros Mentzos, Psychotherapie in der Behandlung von chronisch schizophrenen Patienten, Psychotherapie im Dialog, September 2003, S. 223-229
2Nerin, Wiliam F. (1989) Familienkonstruktion in Aktion. Virginia Satir’s Methode in der Praxis, Paderborn
3Bert Hellinger (1994) Ordnungen der Liebe, Carl-Auer-Verlag, Heidelberg.
4Ernst R. Langlotz, “Zur Theorie der Aufstellungsarbeit, zur Effizienz des Familienstellens”, Praxis der Systemaufstellung, 2005; Heft 1 (S. 91)
5Ernst R. Langlotz, “Destruktion und Autonomieentwicklung – Ein Beitrag zum Verständnis und zur Behandlung destruktiven Verhaltens”, Praxis der Systemaufstellung, 2006, Heft 1 (S. 46)
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Vom „Falschen Selbst“ zur Selbst-integrierenden Trauma-Aufstellung
Fassung 14.8.24
Falsches Selbst Donald Winnikott, ein bekannter englisch-amerikanischer Psychoanalytiker behandelte vor 60 Jahren Kinder, und später die Kinder dieser Kinder. Für mich sympathisch: Er orientierte sich mehr an seiner Wahrnehmung, als an den analytischen Theorien. So beobachtete er bei seinen kleinen Patienten, dass manche Kinder in ihren ersten Beziehungen zu ihren Eltern mit ihren Bedürfnissen und Gefühlen nicht wahrgenommen wurden, ja dass sie dafür abgelehnt oder – mehr oder weniger subtil bestraft wurden. Diese Kinder passten sich an diese widrige emotionale Realität an – um zu überleben, um weitere Verletzungen zu vermeiden. Sie lernten schon als Baby, also unbewusst, diejenigen „spontanen Gesten“ – Ausdruck ihres „wahres Selbst“ – zu unterdrücken, die nicht erwünscht waren, und stattdessen ein „falsches Selbst“ zu entwickeln, das besser den Erwartungen und Bedürfnissen der Eltern entsprach. Offensichtlich identifizierten sie sich später mit diesem falschen Selbst, sodass es ihr eigenes Selbstbild, aber auch ihre Verhalten gegenüber den eigenen Kindern bestimmte – ohne dass ihnen das zunächst bewusst war. Obwohl sie es ja eigentlich „besser“ machen wollten als die eigenen Eltern! Das war das für manche sehr schmerzlich. Wenn sie dann erkannten, dass sie ihre eigenes Verhalten nur schwer ändern konnte, belastete das ihr ohnehin schon gemindertes Selbstwertgefühl, und sie holten sich therapeutische Hilfe. Warum konnte das Überlebensprogramm des Kleinkindes später das Erleben und Verhalten des Erwachsenen bestimmen?
Die Mandelkerne-Teil des limbische Systems Josph LeDoux, ein US-amerikanischer Hirnnforscher, erkannte vor 30 Jahren, dass es einen entwicklungsgeschichtlich sehr frühen Gehirnanteil gibt, der diese Erfahrungen (Traumata) und das daraus entstandene Programm speichert: die Amygdala (deutsch die Mandelkerne), ein Teil des so genannten limbische Systems. Diesen Gehirnanteil haben wir gemeinsam mit allen Säugetieren, sogar mit den Reptilien! Hier sind auch die angeborenen instinktiven Verhaltensmuster gespeichert, die für das Überleben einer Spezies wichtig sind. Zu diesem Überlebens-Instinkt gehört es, Reflexartig diejenigen Verhaltens Impulse, Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken, die von Bezugspersonen abgelehnt oder bestraft werden, und stattdessen Verhaltensweisen zu entwickeln für die man Zuwendung oder Belohnung erhält. Und wenn sich diese erlernten Verhaltensweisen über Generationen als überlebenswichtig zeigen, dann werden auch sie so „sicher“ gespeichert, wie die angeborenen Instinkte, in den Amygdala. Diese Gedächtnis-Instanz des Wolfes machte es der Spezies Mensch möglich, ein Wildtier wie den Wolf so zu zähmen, zu domestizieren, dass er heute als Hund für viele ein treuer Gefährte ist. Die gleiche Gedächtnis-Instanz, welche die Domestikation des Hundes ermöglicht, finden wir auch beim Menschen: die Amygdala – oder das „Körpergedächtnis“ - steuert auch die Entwicklung des falschen Selbst beim Menschen.
Daher sind diese belastenden Erfahrungen gespeichert, aber zugleich dem Bewusstsein nicht zugänglich (abgespalten). Das Programm wirkt sozusagen am Bewusstsein vorbei. Die Betroffenen erleben das als Zwang. Die Auswirkung dieses Programms beziehen sich daher mehr auf den Körper. Wird dies Programm durch äussere Reize (Trigger) aktiviert, dann können körperliche Symptome auftreten, wie Stress, Panikattacken, aber auch psychosomatische Erkrankungen. Der Körper – nicht das Bewusstsein! - ist sozusagen Projektionsfläche oder Resonanzkörper für die Amygdala. Umgekehrt können körperorientierte Behandlungen (Körperspür-Übungen, Osteopathie) den Stress mindern. Bisweilen werden dabei auch bisher abgespaltene Details der Traumata bewusst. So entstand die Vorstellungen und der Begriffe eines „Körpergedächtnis“. (Und einer Körperorientierten Therapie.) Obwohl dieser Begriff anatomisch nicht korrekt ist und zudem geeignet ist, die zentrale Instanz der Amygdala zu verschleiern, verwende auch ich diesen Begriff in Anführungszeichen.
Gedächtnis-Rekonsolidierung Bis vor 20 Jahren galt noch als Dogma „Die Amygdala vergessen nichts“. In zwischen trat ein Paradigmenwechsel ein. Die neuere Gedächtnisforschung hat herausgefunden, dass und wie diese frühen Programme aus dem Gedächtnis buchstäblich gelöscht werden können. Diese angeborene Fähigkeit der Selbstheilung bis ins hohe Alter wird als Gedächtnis-Rekonsolidierung bezeichnet. Neuere Therapiekonzepte wie EMDR (Thomas Hensel) und die Kohärenztherapie (Ecker et al.) benutzen dies Prinzip und beschreiben die Vorgehensweise.
Das Grundprinzip ist relativ einfach. Wenn es gelingt, den Zusammenhang des Problems von heute mit dem verursachenden Beziehungstrauma von damals bewusst zu machen, dann kann der Klient erkennen, dass seine Strategien damals sinnvoll waren. So wie es für einen Nichtschwimmer sinnvoll ist, sich an einen Rettungsreifen zu klammern. Dann wird ihm auch klar, dass er diesen lebensrettenden Rettungsreifen heute nicht mehr braucht – weil er ja schwimmen kann. Dann kann er sich bewusst und angstfrei von diesen alten Strategien verabschieden. Ohne sich selber dafür abzuwerten – sie waren ja damals überlebenswichtig. Und ohne sie festhalten zu müssen – z.B. Perfektionismus, Helfer-Syndrom oder Über-Empathie – weil sie ihm vielleicht - bis zuletzt - Anerkennung und Bewunderung einbracht haben.
Beziehungstraumen in Systemaufstellungen Symbiosemuster . . Vor 10 Jahren beschrieb ich in „Symbiose in Systemaufstellungen“ ein systemisches Konzept der destruktiven Symbiose, die ich bei allen meinem psychiatrischen – aber bei mir selbst! - als krankmachendes Beziehungsmuster entdeckte. Offensichtlich landet man bei bestimmten Traumata immer in der Psychiatrie! Wenn man Glück hat „im weissen Psychiatermantel“. (Langlotz) Die Aufstellungsmethode half mir, dies Muster genauer zu beschreiben und zu verstehen, als Folge früher Beziehungstraumen. Inzwischen arbeite ich nicht mehr mit Personen (Seminarteilnehmern) als Repräsentanten, sondern nur noch mit kleinen farbigen, unterschiedlich geformten Holzklötzchen. Sie erwiesen sich als hervorragend geeignet, nicht nur um Beziehungen zu Personen zu klären, sondern auch um frühe Beziehungstraumen und die damals entwickelten Anpassungsreflexe symbolisch zu rekonstruieren. . . als Überlebensprogramm bei Beziehungstrauma Ich beobachtete, dass in belastenden Beziehungen der unbewusste Überlebenswille von Kindern sie dazu veranlasst, diejenigen „spontanen Gesten“, diejenigen Äusserungen ihres wahren Selbst zu unterdrücken und zu verleugnen oder abzuspalten, die von ihren Bezugspersonen abgelehnt oder sogar durch seelische oder körperliche Verletzungen bestraft werden. Dieser unterdrückte Teil des wahren Selbst beinhaltet emotionale und vitale Aspekte eines gesunden Kindes. Daher bezeichnete ich das als kindlich-emotionales Selbst (KieS). Da durch die Abspaltung die Orientierung an eigenen Gefühlen – sozusagen der eigene innere Kompass – ausgeschaltet ist, orientieren sich die Betroffenen an den Bedürfnissen und Erwartungen anderer. Um so mehr, wenn sie dadurch das Gefühl bekommen, beachtet, oder sogar wertgeschätzt – da nützlich zu sein. Das nennen wir die magisch-grandiosen Anpassungsstrategien eines Kindes. Das dadurch gewonnene Selbstwertgefühl ist extrinsisch – durch Leistung bedingt. Und es ist brüchig. Da es durch Selbstüberforderung (Tendenz zu Perfektionismus und Kontrolle) entsteht (Selbsterhöhung), die nur scheitern kann, folgen Erschöpfung und Selbstabwertung. Klienten rekonstruieren diese Strategie mit den Symbolen folgendermassen: zu unterst liegt (unterdrückt) ihr KieS (grüner Quader) darauf liegt das belastende frühe Trauma (ein roter Würfel) und zusätzlich die Traumata der Bezugsperson (blauer Würfel). Wenn ein Kind von einer Bezugsperson verletzt wird, spürt es die Ursache dafür: das eigene Trauma dieser Person. Das Alltags-Ich des Klienten („Fokus“ Symbol: roter Quader) stellt sich dann in die „erhöhte Position“. Das symbolisiert „magisch-grandiose“ Bewältigungsstrategien, mit folgenden Aspekten (ein Vorteil der Symbolsprache!): • Unterdrücken der eigenen Gefühle und Bedürfnisse, • Verantwortlich für die Probleme Anderer (Helfer-Syndrom), • Abspaltung der eigenen Gefühle (Verlust des eigenen Kompass). Statt dessen • Antennen nach aussen gerichtet, um sich nach den Bedürfnissen der anderen zu orientieren. („Extrinsischer“ Selbstwert durch Leistung für andere) • Überlegenheitsgefühl ( perfekter, selbstloser als die anderen) • brüchiges Selbstwertgefühl, weil Selbstüberforderung erkannt wird, folgt Selbstausbeutung (Erschöpfung) und Selbst-Abwertung.
Das Programm des falschen Selbst Diese in sich widersprüchlichen Strategien (Selbstverleugnung, magisch-grandiose Strategien mit brüchigem Selbstwertgefühl) sind erstaunlich stereotyp (archaisch). Sie konkretisieren und differenzieren das, was Donald Winnikott als falsches Selbst beschrieb. Dem Klienten sind diese Aspekte nicht bewusst, aber dennoch irgendwie vertraut. Offensichtlich versteht sein „Körpergedächtnis“ die Symbol-Sprache der Klötzchen, die man ja auch anfassen kann, sodass er auch die sprachliche Umschreibung nachvollziehen kann. Dann kann er erkennen, dass er sich unbewusst mit diesem Programm identifiziert hat. Bisweilen hält er es irrtümlich für einen Teil seiner Identität, seines Charakters. Wenn die magisch-grandiosen Aspekte zu sozialem Ansehen geführt haben, dann ist er darauf bisweilen sogar stolz, den andere überlegen, und kann dadurch zum bösartigen Narzissten werden – abgeschnitten von jeder Empathie, für andere, aber auch für sich selbst. Häufiger jedoch leiden die Betroffenen unter der Selbstverleugnung, der Selbst-Überforderung mit Erschöpfung und Burnout und massivem Selbstwertverlust. Und sie werten sich selber dafür ab – als wären sie selber Schuld an ihrem Leid, als hätten sie selber dies Leid verhindern können. Wenn die Betroffenen diese Zusammenhänge erkennen, dann können sie sich heute von diesem „toxischen“ Überlebensprogramm verabschieden. Wenn sie ihren inneren Raum befreien von diesem Trauma-Introjekt, dann können sie heute das Glück der Selbstverbindung erleben. Das ist unsere Variante der Gedächtnis-Rekonsolidierung:
Trauma-Aufstellungen als Zugang zum „Körpergedächtnis“ Oben habe ich erklärt, dass das in den Amygdala gespeicherte Trauma mit dem dazu gehörigen Überlebensprogramm dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Das ist ja der Grund dafür, dass die Überlebensstrategie des Kleinkindes für den Erwachsenen nur noch Stress erzeugt, und zum Verlust der Selbstachtung führen kann, weil er sich selber dafür abwertet. Offensichtlich besteht der Wert der Aufstellungsmethode darin, dass sie dem Klienten – und dem Therapeuten – einen unmittelbaren Zugang zu den Amygdala ermöglicht, und zwar über den Körper: Körpergefühl und „Körpergedächtnis“. Das „Körpergedächtnis“ wirkt bei dem • Aufstellungsbild, sowohl bei Beziehungsklärung als auch bei Trauma-Aufstellungen: der Klient stellt es spontan auf, orientiert an seinem (Körper-) Gefühl. • Abgrenzung: Der Klient spürt beim Abgrenzen körperlich eine Hemmung, ein Verbot. Das entspricht dem als Kind gespeicherte Verbot, das eigene Trauma, seine Bewältigungsstrategien oder das „falsche Selbst“ der Bezugsperson abzugrenzen. • Selbst-Verbindung. Wenn er als Erwachsener es wagt, das Verbotene von damals heute zu tun, dann erlebt er eine Freiheit, dann spürt er – auch körperlich! - wieder seine Kraft, die durch das Programm „verboten waren“. Dann spürt er wieder Verbindung mit seinem gesunden Wesenskern, seine wahren Selbst.
Orientierung am (erwachsenen) wahren Selbst (ES) Mit Donald Winnikott nehmen wir an, dass die kindlichen Anpassungsstrategien bzw. das falsche Selbst die Auswirkung eines Lebenswillens sind, den wir im gesunden Wesenskern verorten, das wir als „erwachsenes wahres Selbst“ bezeichnen. Dieses wahre Selbst ist unsere Essenz, unser Potential – unverlierbar und unzerstörbar. Allerdings muss dies Potential erst „geweckt“ werden durch die absichtslose Liebe der Bezugspersonen. Häufig ist es jedoch überlagert oder verdrängt durch eigene oder fremde Traumen, die irrtümlich als Introjekt abgespeichert sind. Dennoch haben die meisten Klienten eine tiefe Sehnsucht nach diesem wahren Selbst - nach dieser inneren Würde. Viele haben das Glück der Selbstverbindung auch schon erlebt – in der Natur, im Ausland oder bei spirituellen Übungen. In der Trauma-Aufstellung vollzieht der Klient schrittweise eine Abgrenzung aller „toxischer“ Trauma-Introjekte. Parallel dazu erlebt er eine schrittweise Annäherung an sein wahres Selbst. Beide Vorgänge, die sich gegenseitig verstärken, verändern sein Körpergedächtnis. Der Klient spürt - nicht selten zum ersten Mal – das Glück der Selbstverbindung: ein bisher unbekanntes Körpergefühl der Ruhe und Freiheit. Und er spürt seine Kraft, die nicht mehr durch das „Ertragen des Unerträglichen“ gebunden ist, sodass er sie gezielt für sich selber einsetzen kann. Für den Klienten, der bisher von seinem Trauma-Programm fremdgesteuert wurde, ist dies Neue ist noch nicht vertraut. Ja die Unberechenbarkeit – eigentlich das „Gewürz des Lebens“ - kann ihn verunsichern. Um einem Rückfall in das alte Muster vorzubeugen, bietet sich die „Gegenabgrenzung“ an: Er stellt sich vor, dass er – symbolisiert durch den roten Quader – „aus alter Gewohnheit“ zurück geht, zu den Aspekten des Trauma-Konglomerates, beginnend mit dem eigenen Trauma von damals. Und sein wahres Selbst – der gelbe Quader, in der anderen Hand – stoppt ihn kraftvoll: “das ist vorbei! Das gehört nicht mehr zu dir!“ Diese Aktivierung der eigenen Kraft ist sehr wirksam. Das lässt uns annehmen, dass sie, verbunden mit dem körperlich spürbaren STOPP über das „Köpergedächtnis“ wahrgenommen und in den Amygdala gespeichert werden. Sodass das alte Programm gelöscht wird?
„Körpergedächtnis“ als Zugang zu einem unbekannten Trauma Wenn ein Klient mit einem quälenden Problem kommt, und ihm ist kein verursachendes Trauma bekannt, dann hat sich zur Lösung ein besonderes Aufstellungs- Format bewährt. Wir nennen es das Format „Blockierendes Element“. Es setzt zwei Annahmen voraus: • Wenn der Klient mit seinem Selbst verbunden wäre, gäbe es kein quälendes Problem. • Wenn er das Problem hat, dann muss in diesen Situationen seine Verbindung mit seinem Selbst blockiert sein. Dieses „blockierende Element“ kann der Klient durch die Aufstellung erkennen, es benennen und auf die bewährte Weise auflösen. Meist handelt es sich um ein eigenes – oder ein übernommenes Trauma.
Aufstellungsprozess „blockierendes Element“ Der Klient stellt das blockierende Element in Bezug zu seinem Fokus und den beiden Selbst-Anteilen (ES und KieS), wie es seinem „Körpergedächtnis“ entspricht (Aufstellungsbild). Er legt einen Finger auf den Fokus und spürt nach, wie es diesem in dieser Konstellation geht. Meist entspricht das, was er körperlich spürt, genau seinem Gefühl in dieser Situation. Nun legt er ein Symbol für eine Grenze seines Raumes, und setzt das blockierende Element beherzt aus seinem Raum heraus, und spürt noch einmal nach. Das Gefühl kann unterschiedlich sein: „befreiend“, „jetzt fehlt etwas“, oder beides zugleich. Als nächstes legt er einen Finger auf das blockierende Element (roter Würfel) und benutzt sein „Körpergedächtnis“ indem er in seinen Körper hineinspürt. „Was taucht auf: ein Körpergefühl, ein Gefühl, ein Bild, eine Person, ein Satz. Alles was auftaucht, kann wichtig sein.“ Wenn nicht gleich ein frühes Trauma auftaucht, sondern z.B. Körper-Gefühle von Druck, Angst, Übelkeit, dann gibt es die Frage: Gehört das ursächliche Ereignis für diese Gefühle zu ihrer Biografie – oder in das System von Mutter oder Vater? Wenn das ursächliche Ereignis in ihr Leben gehört: wie alt waren sie da? Und fällt ihnen zu dieser Zeit ein Ereignis ein, das solche Gefühle auslösen kann?
Meist taucht dann ein eigenes – oder übernommenes Trauma auf, dass erstaunlich gut passt, zu dem quälenden Problem bzw. zu der jeweils auslösenden Situation (Trigger). Hier benützen wir die unbewussten Verbindungsbahnen von den Amygdala zum Körper in der umgekehrten Richtung, um ein vergessenes abgespaltenes Ereignis erkennen, benennen und bearbeiten zu können.
Das „Körpergedächtnis“ als Zugang zu vorgeburtlichen Traumen
Als mir das Thema verlorener Zwilling zum ersten Mal begegnete – vielleicht vor 25 Jahren? - da konnte ich es als Arzt und Naturwissenschaftler mir nicht vorstellen, dass der frühe Verlust eines Zwillings-Geschwisters in der 8.-12. Woche so gravierende Folgen haben könnte, für ein Kind und später für einen Erwachsenen. Inzwischen aber bin ich davon überzeugt, dass 30-40% von uns zu Beginn der Schwangerschaft nicht alleine im Mutterleib waren, sondern zusammen mit einem Zwilling – seltener auch mit zwei Drillingen. Und dass die Betroffenen diesen „Zwillingsmodus“ - diese harmonische Zweisamkeit – so gespeichert haben, als wäre das ihre eigentliche Identität. Daher war der frühe Verlust dieses Zwillings ein existenziell bedrohliches Trauma, wie Amputation ohne Narkose.
Körpergedächtnis und Zwillingsverlust Die Aufstellungsmethode ist besonders gut geeignet, dieses vorgeburtliche – und daher auch vorsprachliche Trauma zu überprüfen, da sie sich der „Symbolsprache“ der Klötzchen bedient, die dem „Körpergedächtnis“ verständlich ist. Da dies Verlusttrauma den Betroffenen – Mutter und Kind – meistens nicht bewusst ist, ist der „Zugang“ zu diesem Trauma über das Körpergedächtnis der einzig mögliche. Der Klient stellt nach seinem „Körpergedächtnis“ – nicht nach seinem Verstand! - für den vermuteten Zwilling und für seinen eigenen Wesenskern (sein „Wahres Selbst“) Stellvertreter oder Symbole auf. Meist steht er dann dem vermuteten Zwilling näher als seinem wahren Selbst! Nicht selten ist er selber davon überrascht! Dann überprüfe ich - sozusagen experimentell - durch die Aufstellung, ob die Begegnung und dann der Abschied von diesem vermuteten Zwilling eine emotionale Reaktion auslöst. Wenn dann sehr heftige Gefühle, Schmerz, und Trauer den Klienten überfluten, wenn er dann „Rotz und Wasser heult“ – zu seiner eigenen Überraschung! - dann ist auch für einen zunächst skeptischen Klienten die Hypothese eines verlorenen Zwillings bewiesen.
Der „Zwillingsmodus“ als Identität Um dies Phänomen zu erklären, muss man annehmen, dass die Existenz eines Zwillingswesens im Mutterleib vom Klienten bereits als Embryo im „Körpergedächtnis“ abgespeichert wurde, so als gehöre dies Wesen unverlierbar zu ihm. So als könne er nur in diesem „Zwillingsmodus“ glücklich und vollständig sein. Denn den Modus „vollständig alleine im Mutterleib“ konnte er in seinem“Körpergedächtnis“ nicht abspeichern.
Zwillingsverlust wie Amputation Dann wird nachvollziehbar, wie sehr der frühe Verlust dieses Zwillings dessen Identitätsgefühl bedroht hat. Daher die Sehnsucht nach einer verschmelzenden Beziehung. Aber auch der existentiell bedrohlichen Schmerz, wie bei einer Amputation „ohne Narkose“, wurde im „Körpergedächtnis“ gespeichert, ohne dass das dem Klienten bewusst werden konnte.
Vorgeburtliche Erfahrungen sind vorsprachlich und werden daher im Körper abgespeichert Da dies Ereignis pränatal, also in einer vorsprachlichen Entwicklungsstufe stattfand, konnte es nur als Gefühl im Körper abgespeichert werden. Die Hirnrinde, die sprachliche Inhalte speichern kann, war noch nicht entwickelt. Spätere Erfahrungen von Trennung oder Verlassen-werden können offensichtlich dieses Verlusttrauma „triggern“, sodass der Klient überflutet wird von den damaligen Gefühlen: einer tiefen Trauer, nicht selten verbunden mit Schuldgefühlen, Verzweiflung und Wut.
Die Symptome des „überlebenden“ Zwillings habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben 1)
„Körpergedächtnis“ – als „High-Tech“- Forschungsobjekt
Frau Dr. Esther Kühn, Magdeburg versucht, psychologische Vorgänge mit biologischen Methoden zu beschreiben. Mit Ihrer Forschung zum „BodyMemory“, dem Körpergedächtnis, untersucht sie die Frage, wie man körperliche Erfahrungen, beispielsweise Berührungen, abspeichert und wie diese die Psyche beeinflussen. Dazu verwendet die Forscherin hochmoderne Technik, wie eine 7-Tesla-Magnetresonanztomographen (MRT) am DZNE, um tief ins Innerste des Gehirns ihrer Probanden schauen.
Wir haben kein High-Tech-Labor zu Verfügung. Wir arbeiten online im „Home-Labor“. Der Klient benennt sein Anliegen. Wir stellen ihm das Instrument „Aufstellungen mit Symbolen“ zu Verfügung. Die Symbolsprache der Aufstellung ermöglicht es seinem Körpergedächtnisses, die eigentliche Ursache seines aktuellen Problems erkennen, zu benennen. Mit Symbolen kann er sein damaliges Trauma und die der Bezugspersonen rekonstruieren, zusammen mit seinen damals gespeicherten Anpassungs-Reflexen.
Jetzt kann er erkennen, dass sein Überlebensprogramm für das Kind von damals lebensrettend war. Daher muss er sich heute dafür nicht schämen oder abwerten. Wenn er erkennt, dass dies Programm für ihn als Erwachsenen mit Selbst-Überforderung, Erschöpfung und Selbst-Abwertung verbunden ist, kann er es löschen.
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
liebe Freunde liebe Kolleginnen und Kollegen, der gerade veröffentlichte Beitrag zum zwillingsthema hat bei mir Überlegungen angestoßen zur Rolle des Körpergedächtnis bei unserer Art von Systemaufstellung. Das beginnt ja schon damit wenn Klienten mit Klötzchen ihr Thema aufstellen dass sie da nach ihrem Körpergefühl diese Klötzchen zueinander in Beziehung Stellen. offenbar gibt es ein im Körper abgespeichtertes Gefühl für die Nähe oder Ferne zu den einzelnen Elementen: zum eigenen Selbst, zum Elternteil, zum Geschwistert. Da taucht im Grunde dieses Körpergedächtnis schon auf, dies Körpergefühl. Und weiter verwenden wir es dann wenn wir z.B testen bei Beziehungs Klärung , welche Rollen der Klient im Raum der Mutter z.B übernommen hat. Wenn er dann dieses Klötzchen stellt hinter die Mutter so als müsste er der Mutter das ersetzen was der als Kind gefehlt hat. Dann kann er spüren wenn er ein Finger auf dieses klötzchen legt ob er diesen Platz kennt das heißt er hat in seinem Körper abgespeichert dieses Gefühl für die Mutter verantwortlich zu sein, wie ihr den Rücken zu stärken, oder wenn die Mutter den Partner real oder emotional gar nicht an ihrer Seite hatte dann ist es ja gar nicht selten dass ein Klient der Mutter versucht diesen Partner zu ersetzen. Das kann man auf dieser Symbolebene überprüfen. Auch da spielt das Körpergefühl eine Rolle. Das hat aber noch ganz andere Aspekte. Wenn eine Mutter z.B früh selber ein Geschwister verloren hat und diesem Geschwister noch nachtrauert so als wäre es eigentlich ein Teil von ihr. Wenn sozusagen dieses verlorene Geschwister sie daran hindert mit ihrem eigenen SELBST verbunden zu sein - dass sich vollständig fühlt auch ohne dieses Geschwister - dann kann man auch das überprüfen indem man ein Klötzchen an die Stelle von diesem verlorenen Geschwister der Mutter stellt . Dann spürt der Klient ob er diesen Platz einnimmt oder nicht. Da spielt vielleicht ein persönliches eigenes Thema eine Rolle: wie meine Mutter mit mir schwanger war verlor sie ihren geliebten Bruder Robert und sie nannte mich nach ihm!und ihr könnt euch vorstellen was für ein "Programm" damit verbunden war und erst nach und nach ist mir das bewusst geworden. Also: etwas was verbal zunächst mal gar nicht so leicht zugänglich ist kann man auf diese Art und Weise in der Aufstellung körperlich spüren und dann auch lösen. Das ist eben das Wichtige. Auf diese Art und Weise können wir uns auch erklären warum z.B eine Mutter die einen Zwilling verloren hat dann manchmal zu einem Kind eine besondere besonders enge Beziehung findet umso mehr wenn dieses Kind möglicherweise selber einen Zwilling verloren hat. Dieses Phänomen zu beschreiben ist noch ein bisschen ungewohnt. Man könnte es so versuchen dass man sagt der Mutter fehlt ihr verlorener Zwilling und dann projiziert sie auf ein Kind diesen verlorenen Zwilling. Und dieses Kind das spürt diese Projektionen. Es spürt dass es in dieser Rolle des verlorenen Zwillings der Mutter für die Mutter eine besondere Wertigkeit hat! Und diese besondere Wichtigkeit hindert vielleicht dieses Kind daran seine eigene Identität zu entwickeln, es selber zu sein. Aber es hat halt, dadurch diese Illusion für die Mutter besonders wichtig zu sein und so eine sehr besondere Beziehung zu dieser Mutter zu haben. Man könnte diese Art von Trauma auch als Projektionstrauma bezeichnen: Die Mutter projiziert sozusagen den fehlenden Bruder auf das Kind und das Kind identifiziert sich mit dieser Projektion und macht es sozusagen zu seiner Identität. Das ist natürlich eine falsche Identität. Da erinnern wir uns an Winnikot mit seinem Vorstellung von dem falschen Selbst. So bezeichnet er ja dieses bekannte Phänomen, das sehr verbreitet ist. Wenn ein Kind spürt dass bestimmte Seiten von ihm gar nicht wahrgenommen werden von den Eltern oder gar nicht erwünscht sind dann lernt es diese Aspekte zu unterdrücken. Wenn es spürt dass andere Aspekte von den Eltern sehr erwünscht sind dann entwickelt es eben Antennen um diese Erwartungen der Eltern zu spüren, um diese Projektion der Eltern zu spüren, um sich dann damit identifizieren zu können Damit es auf diese Art und Weise zumindestens die Illusion hat wichtig für die Elter zu sein. Auch wenn das natürlich dann die eigene Identität die eigene wahre Identität die eigene Authentizität beeinträchtigt. Diese Gedanken wollte ich mit euch teilen und ich fordere euch auf mir entweder als Kommentar oder auch auf meinem Forum dazu eure Beobachtungen oder eure Überlegungen mitzuteilen!
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
VORGEBURTLICHES TRAUMA (ZWILLINGSVERLUST) UND DAS KÖRPERGEDÄCHTNIS Selbst-integrierende Auflösung eines Pränatalen Verlusttrauma´s Ero Langlotz, 2.8.2024
Als mir das Thema verlorener Zwilling zum ersten Mal begegnete – vielleicht vor 25 Jahren? - da konnte ich es als Arzt und Naturwissenschaftler mir nicht vorstellen, dass der frühe Verlust eines Zwillings-Geschwisters in der 8.-12. Woche so gravierende Folgen haben könnte, für ein Kind und später für einen Erwachsenen. Um so mehr als die Tatsache eines solchen Geschehens im Nachhinein nicht bewiesen werden kann. War das nicht alles esoterische Verwirrung, ähnlich wie die Vorstellung einer „Seelenverwandschaft“? Zumal sich ja in der Regel weder die Mutter-und schon gar nicht das Kind an dies Ereignis erinnern können! Inzwischen aber bin ich davon überzeugt, dass 30-40% von uns zu Beginn der Schwangerschaft nicht alleine im Mutterleib waren, sondern zusammen mit einem Zwilling – seltener auch mit zwei Drillingen. Und dass die Betroffenen diesen „Zwillingsmodus“ - diese harmonische Zweisamkeit – so gespeichert haben, als wäre das ihre eigentliche Identität. Daher war der frühe Verlust dieses Zwillings ein existenziell bedrohliches Trauma.
Zwillingsverlust...zunächst nur eine Hypothese Wenn heute ein Klient mit diesem Thema kommt, bzw. wenn ich auf Grund bestimmter, weiter unten erläuterter „Indizien“ einen frühen Zwillingsverlust annehme, dann behandle ich das zunächst als Hypothese. Die Aufstellungsmethode ist besonders gut geeignet, diese Hypothese zu überprüfen, da sie die Phänomene Raum und Grenze unmittelbar symbolisiert, und daher körperlich spürbar machen kann.
Der Klient stellt nach seinem Gefühl – nicht nach seinem Verstand! - für den vermuteten Zwilling und für seinen eigenen Wesenskern (sein „Wahres Selbst“) Stellvertreter oder Symbole auf. Meist steht er dann dem vermuteten Zwilling näher als seinem wahren Selbst! Nicht selten ist er selber davon überrascht! Das ist für mich der erste Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um einen verlorenen Zwilling handeln könnte. Dann überprüfe ich - sozusagen experimentell - durch die Aufstellung, ob die Begegnung und dann der Abschied von diesem vermuteten Zwilling eine emotionale Reaktion auslöst. Wenn dann sehr heftige Gefühle, Schmerz, und Trauer den Klienten überfluten, wenn er dann „Rotz und Wasser heult“ – zu seiner eigenen Überraschung! - dann ist für mich die Hypothese eines verlorenen Zwillings bewiesen.
Der „Zwillingsmodus“ als Identität Um dies Phänomen zu erklären, muss man annehmen, dass die Existenz eines Zwillingswesens im Mutterleib vom Klienten bereits als Embryo im Körper abgespeichert wurde, so als gehöre dies Wesen unverlierbar zu ihm. So als könne er nur in diesem „Zwillingsmodus“ glücklich und vollständig sein. Denn den Modus „zufrieden alleine im Mutterleib“ hatte er ja nie kennen gelernt!
Zwillingsverlust wie Amputation Dann wird nachvollziehbar, wie sehr der frühe Verlust dieses Zwillings dessen Identitätsgefühl bedroht hat. Anscheinend löste der Verlust einen existentiell bedrohlichen Schmerz aus, wie bei einer Amputation „ohne Narkose“. Und dieser Schmerz wurde im Körper gespeichert, ohne dass das dem Klienten bewusst werden konnte. Zusammen mit einer tiefen Trauer, dem Gefühl, alleine gelassen worden zu sein. Nicht selten auch mit großen Schuldgefühlen. Betroffene Klienten kennen diese bisher unerklärlichen Schuldgefühle und können sie heute sprachlich formulieren: „als hätte ich ihn retten müssen.“ „Als hätte ich sein Ende verschuldet“ oder „Als hätte ich ihm in den Tod folgen müssen – damit wir beide nicht getrennt werden durch den Tod!“
Bisweilen können Klienten im Aufstellungsprozess spüren, ob der Zwilling ein Bruder oder eine Schwester war. Der Verlust eines Zwillingsbruders kann dann für eine Klientin besonders belastend sein, wenn deren Eltern sich so dringend einen Sohn gewünscht hätten. Dann kann sich – unbewusst!! - eine Vorstellung einprägen: „besser wäre ich an seiner Stelle gestorben!“ Oder „dann muss ich für meine Eltern diesen gewünschten Sohn ersetzen!“ Das Wieder-Erkennen dieser vorsprachlich entstandenen Glaubenssätze heute ist für die Klienten sehr bewegend – und entlastend. Endlich versteht er diese Gefühle, diese Glaubenssätze, die bisher für ihn selber – und für andere – so unverständlich waren, ja vielleicht sogar „verrückt“ erschienen.
Vorgeburtliche Erfahrungen sind vorsprachlich und werden daher im Körper abgespeichert Da dies Ereignis pränatal, also in einer vorsprachlichen Entwicklungsstufe stattfand, konnte es nur als Gefühl im Körper abgespeichert werden. Die Hirnrinde, die sprachliche Inhalte speichern kann, war noch nicht entwickelt. Spätere Erfahrungen von Trennung oder Verlassen-werden können offensichtlich diesen Schmerz „triggern“, sodass der Klient überflutet wird von den damaligen Gefühlen: einer tiefen Trauer, nicht selten verbunden mit Schuldgefühlen, Verzweiflung und Wut.
Symptome des „überlebenden“ Zwillings Kinder mit diesem vorgeburtlichen Verlust-Trauma schreien oft – anscheinend ohne Grund : „Schreikinder“. Sie klammern sich ängstlich an ihre Bezugspersonen – um sie nicht zu verlieren? Und sie suchen den nahen Hautkontakt. Oft können sie alleine gar nicht einschlafen. Sie fühlen sich oft unsagbar alleine und verlassen. Bisweilen spüren sie unerklärliche Schuldgefühle, so als hätten sie selber nicht das Recht zu leben, als hätten sie den Zwilling retten sollen - oder als hätten sie vielleicht sogar selber sein Verschwinden verursacht. Sie spüren eine tiefe Sehnsucht nach einer verschmelzenden und ausschliesslichen Beziehung zu einem anderen Wesen, um den früheren „Zwillingsmodus“ wieder herzustellen. Das kann die Mutter betreffen, ein Geschwister, oder eine Freundin. Später den Partner, ein eigenes Kind. Nicht selten tritt auch ein innig geliebtes Tier an die Stelle des verlorenen Zwillings! Selbst dann, wenn die Betroffenen endlich diese verschmelzende Bindung gefunden zu haben glauben, kann nicht selten eine heftige Verlustangst auftreten. Diese – zusammen mit dem Bedürfnis nach Ausschliesslichkeit der Beziehung – kann dann heftige Eifersuchtsgefühle auslösen.
Diese Gefühle können in unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlichen Kombinationen auftreten. Besonders intensiv sind sie bei sensiblen und sehr Fantasie-begabten Menschen.
Bisweilen haben Betroffene auch das Gefühl, ihren richtigen Platz nicht zu finden, in der Familie, in der Gesellschaft – vielleicht aus einer unbewussten „Identifizierung“ mit dem verstorbenen Zwilling, der auch keinen Platz in der Familie und in der Welt finden konnte?
Da sie sich nur mit dem Zwilling vollständig und glücklich gefühlt haben („Zwillingsmodus“) konnten sie keine Wahrnehmung für eigene aber auch für fremde Grenzen entwickeln. Sie konnten auch ihr wahres Selbst, das sich alleine vollständig fühlen kann, nicht kennen lernen. Sie haben sozusagen den (sterblichen) Zwilling verwechselt mit ihrem (unverlierbaren!) Selbst. Das erklärt ihr symbiotisches Beziehungsmuster, mit Tendenzen zu Übergriffigkeit (Helfersyndrom) oder der Bereitschaft, sich von anderen benutzen zu lassen. In traumatisierten Familien kann das bewirken, dass die Betroffenen sich für die Probleme der belasteten Familienmitglieder zuständig fühlen.
Diese unterschiedlichen Gefühle können das Selbstwertgefühl und die Fröhlichkeit der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Umso mehr, da sie scheinbar grundlos auftreten, bzw. da den Betroffenen die eigentliche Ursache ihrer Gefühle unbekannt ist. Daher tendieren sie dazu, diese widersprüchlichen Gefühle als Teil ihrer Identität zu verstehen, so als gehöre das zu ihrem Charakter dazu.
Die Stärken der überlebenden Zwillinge Manche Betroffene entwickeln ausgeprägte mediale Fähigkeiten - auch das eine Folge einer eingeschränkten Abgrenzungsfähigkeit? - und wenden sich dann einem Heil(er)-Beruf zu. Nicht selten fühlen sie sich angezogen von „Parallelwelten“, von Spiritualität oder von der geistigen Welt, oder von der Welt der Verstorbenen. Zuvor wurden von mir die leidvollen Symptome ausführlich dargestellt. Daher möchte ich ausdrücklich auf positive Aspekte hinweisen, die ich regelmässig bei überlebenden Zwillingen gefunden habe. Trotz ihrer offensichtlichen tiefen Verwirrung: • Sie sind sehr ehrlich und offen. • Sie haben etwas sehr Redliches, sie möchten nichts falsch machen. • Sie haben ein sicheres Gefühl, für das, was stimmig ist. • Sie haben „ein Gespür für Qualität“. Und • sie geben nicht auf-trotz heftigster Widrigkeiten! Vielleicht weil sie so früh schon eine Zweierbeziehung erlebt haben, die damals NUR beglückend war?
Bewältigungsstrategien, um das Getriggert-werden zu vermeiden Die bisher aufgezählten Symptome könnte man als „primäre“ Symptome bezeichnen. Wenn mehrere dieser Symptome vorhanden sind, verstehe ich das als ein Indiz für einen vorgeburtlichen Zwillingsverlust. Auch deshalb habe ich versucht, sie so präzise wie möglich zu beschreiben! Dazu kommen dann „sekundäre“ Symptome, die durch Bewältigungsstrategien entstehen. Die primären Symptome verstärken sich, wenn sie „getriggert“ werden durch Aspekte des frühen Verlusttrauma´s: Trennung, Abschied, Verlassen werden. Auch wenn die Betroffenen selber weniger beachtet werden, z.B. weil eine andere Person Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bisweilen kann sogar das „Glück“ einer ausschliesslichen Zweisamkeit massive Verlust-Ängste auslösen. Das ist für die Betroffenen – und deren Beziehungspartner – völlig unverständlich und verwirrend. Und es belastet zunehmend die soziale Beziehungen.
Verständlich, dass gerade intelligente Betroffene Vermeidungsstrategien entwickeln, um sich - und ihrer Umgebung - diese Gefühlsausbrüche zu ersparen. Sie versuchen daher, die Situationen, die sie triggern, zu vermeiden, durch Kontroll-Tendenzen, durch Rituale, die bizarre Formen annehmen und wie Zwangs-Symptome erscheinen können. Sie entstehen unbewusst, und daher können sie auch durch rationale Erörterungen wenig oder gar nicht beeinflusst werden.
Primäre und sekundäre Symptome haben eine Tendenz, sich zu verstärken. Das belastet die sozialen Beziehungen, und kann bis zum emotionalen und sozialen Rückzug führen. Daher suchen die Betroffenen bisweilen Hilfe bei Fachleuten.
Zusätzliche Taumatisierung durch eine Diagnosen-orientierte Therapie Leider ist es immer noch so, dass die meisten Therapeuten vorgeburtliche Traumen und damit auch den frühen Zwillingsverlust nicht kennen, da es dafür lange keine wissenschaftlichen Beweise gab. Diesen Standpunkt hatte ja ich selber früher vertreten. Daher können sie nicht eine Therapie anbieten, die an den Ursachen orientiert ist. Umso mehr, da bis vor 20 Jahren das „Dogma“ verbreitet war: gespeicherte Traumata können nicht gelöscht werden, selbst wenn sie bewusst sind. Unter „Therapie“ wurde daher allgemein verstanden, • die richtige Diagnose zu finden (orientiert an den Symptomen – etwaige verursachende Traumen waren irrelevant), und dann • geeignete Massnahmen anzuwenden, um die störenden Verhaltensweisen zu unterbinden. Dabei gab es im Wesentlichen • zwei Methoden: die tiefenpsychologische, und die Verhaltenstherapeutische.
Für die Betroffenen konnte das sehr belastend sein: ihr bereits bestehendes Gefühl, irgendwie „falsch“ zu sein wurde zusätzlich verstärkt, indem ihnen eine – meist „psychiatrische“ Diagnose zugeordnet wurde. Wenn dann die Therapie keine Wirkung zeigte – weil ja die eigentliche Ursache ihrer Probleme nicht erkannt und schon gar nicht aufgelöst wurde - dann erlebten die Betroffenen das als erneutes „Versagen“, das ihr negatives Selbstbild noch weiter verstärkte.
Eine Trauma-orientierte Therapie Inzwischen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Gedächtnisforscher haben vor ca. 20 Jahren ein angeborenes Selbstheilungspotential entdeckt: auch früh gespeicherte Traumen können „gelöscht“ werden, bis ins hohe Alter – durch Aktivierung dieses Potentials der REKONSOLIDIERUNG. Seitdem haben sich mehrere Therapiemethode entwickelt, die mit Hilfe dieses Prinzips rasche und anhaltende Wirkungen erzielen. Dazu gehören unter anderem GEDÄCHTNIS-REKONSOLIDIERUNG ( Bruce Ecker, Robin Ticic, Laurel Hulley) und EMDR (Thomas Hensel, „Stressorbasierte Therapie“). Unabhängig davon habe ich seit ca. 15 Jahren unter Verwendung des Aufstellungs-Settings das Konzept der „Systemischen Selbst-Integration“ entwickelt. Es gelang mir ein gemeinsames Grundmuster hinter der verwirrenden Vielfalt psychischer und somatischer Störungen zu erkennen und zu beschreiben: das Beziehungsmuster der destruktiven Symbiose. Weiter zeigte sich, dass dies Muster immer durch ein Selbstwert-beschädigendes Trauma ausgelöst wird – meist durch mehrere. Das von mir verwendete Aufstellungs-Setting war dazu besonders geeignet,da es den Klienten ermöglichte, unmittelbar körperlich spüren, wie verwirrend sich fehlende Grenzen auswirken: Ohne Grenzen kein eigener Raum. Ohne eigenen Raum keine Selbstverbindung, kein Selbstbestimmtes,kein authentisches Leben. UND die Klienten konnten körperlich spüren, wie aktive gezielte Abgrenzung sich zunächst verboten anfühlte – „Abgrenzungsverbot“ als Verwirrung durch das Trauma. Wenn sie sich dennoch die Abgrenzung erlaubten, dann erlebten sei eine bisher unbekannte Befreiung. Endlich konnten sie ihre „gesunde“ Kraft konstruktiv für sich selber einsetzen. Wenn sie alles „Ich-Fremde“ aus ihrem Raum entfernten, konnten sie das Glück der Selbst-Verbindung erleben.
Schon früh erkannte ich – wie oben angedeutet – dass sich dies Konzept auch zur Abklärung und zur Behandlung vorgeburtlicher Traumata einsetzen lässt. Beim frühen Zwillings-Verlusttrauma sind dazu folgende Schritte für den Klienten erforderlich: • Den Zwilling – den er sich unbewusst quasi „einverleibt“ hatte - wahrzunehmen als eigenständiges und in sich vollständiges Wesen, das sein eigenes Schicksal hatte. • Es würdigen, dass er den Klienten auf diese Welt begleitet hatte, sodass dieser nicht alleine war, sondern schon so früh eine wunderbare Beziehung erleben konnte. • Erkennen, dass das bisherige unbewusste „Festhalten“ des inzwischen verstorbenen Zwillings für beide belastend ist. Den Zwilling hindert es daran, seinen Frieden zu finden. Den Klienten hat es daran gehindert, in sein eigenes unbeschwertes Leben zu gehen. • Der Abschied vom Zwilling, und ihn loslassen – „dahin wo er endlich seinen Frieden findet.“ Dieser Schritt kann heftigen Trennungsschmerz auslösen – aber dieser Abschiedsschmerz ist doppelt heilsam: • Der Klient lernt, seine Grenzen und seinen eigenen Raum wahrzunehmen. • Das ist die Voraussetzung, um wieder mit seinem Wesenskern zu verschmelzen – statt wie bisher irrtümlich mit seinem Zwilling.
Diese aktuelle Vorgehensweise – inzwischen nur noch online, mit Symbolen statt mit Repräsentanten – können sie in diesem Video erleben: https://youtu.be/Qe3GSo6tljQ
Thema von ero langlotz im Forum ZUKUNFTSORIENTIERT - S...
Deutschland hat gerade 1:2 gegen England verloren. Die Deutschen sind enttäuscht und werfen dem Schiri vor, ein Handspiel nicht gewertet zu haben. Nagelsmann, der Trainer der Nationalmannschaft betont mit Recht: entscheidend sei doch das hervorragende Zusammenspiel unserer Mannschaft gewesen. Und diese „Symbiose“ wäre auch in anderen Lebensbereichen sehr wertvoll. Wir verstehen in unserem Gebiet Symbiose als etwas negatives, als das Fehlen von Autonomie. Diese unterschiedlichen Bewertung von „Symbiose“ ist sehr verwirrend – das erlebe ich jeden Tag. Daher versuche ich heute, möglichst knapp die unterschiedlichen Formen von Symbiose zu definieren. Hilfreich für diese Differenzierungen sind zwei Gesichtspunkte: 1. handelt es sich um ebenbürtige Partner oder besteht ein naturgegebenes „Autonomie-Gefälle“ (z.B.Mutter-Säugling) 2. nützt diese Beziehung beiden Partnern, oder nur einem? Schadet sie vielleicht beiden, oder zerstört sie sogar den anderen?
1. Symbiose als Win-Win Wenn Nagelsmann von Symbiose spricht, dann meint er das weit verbreitete Beziehungs-Phänomen, bei dem alle Beteiligten einen Gewinn haben, und keiner benachteiligt wird. Auf „Neudeutsch“ eine Win-Win-Situation. Diese Form finden wir zum Beispiel, im Verhältnis der Ameisen zu den Blattläusen. Sie legen „Blattlauskolonien“ an und nähren sich von derem Sekret. Oder unser Verhältnis zu bestimmten Bakterien, die unseren Darm besiedeln, und uns beim Aufschliessen von Nahrungsmitteln wertvolle Dienste leisten.
2. Mutter-Kind-Symbiose Hier besteht ein ausgeprägtes Autonomie-Gefälle. Da das Neugeborene alleine nicht lebensfähig ist, orientiert sich die Mutter nach den Bedürfnissen des Kindes – und muss dabei eigene Bedürfnisse zurückstellen. Je mehr das Kind eigene Fähigkeiten entwickelt – und diese auch anwenden will – desto mehr kann und muss die Mutter sich wieder nach den eigenen Bedürfnissen orientieren. Diese naturgegebene Autonomie-Entwicklung des Kindes könnte zur Auflösung der Mutter-Kind-Symbiose führen. Wir alle wissen, dass das heutzutage nicht immer gelingt. Manche Mütter, die selber wenig Selbstwert und Autonomie entwickeln konnten, halten diese „Überfürsorge“ irrtümlich für „Liebe“ zu der sie sich verpflichtet fühlen - um sich als „gute Mutter“ wertvoll zu fühlen. Sie reagieren gekränkt und vorwurfsvoll auf die – bisweilen ungestümen – Autonomiebewegungen des Kindes. Dadurch kann es zu Kontakt-Abbruch kommen – oder auch zu lebenslanger Unterwerfung und Abhängigkeit des Kindes.
3. Autonomie Als Autonomie wird die Fähigkeit bezeichnet, sein Leben SELBST-bestimmt – statt FREMD-bestimmt führen zu können. Entscheidend sind die ersten „prägenden“ Beziehungen. Wenn ein Kind gelernt hat, dass es wert ist, beachtet, versorgt und geliebt zu werden, einfach weil es da ist – unabhängig davon, ob es nützlich ist durch Leistung oder Gehorsam, dann entwickelt es ein Selbstwert-Gefühl. Dazu gehört das Recht, sich immer mehr nach der eigenen Wahrnehmung, nach eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu orientieren. Durch diesen Selbstwert, durch diesen eigenen „Kompass“ kann sich auch eine Struktur entwickeln: Die Wahrnehmung für den eigenen Raum und die eigenen Grenzen, die geschützt werden dürfen, wenn sich Fremde ungebeten einmischen wollen. Die Wahrnehmung und der Respekt für fremde Grenzen, Räume und Interessen, die verletzt werden, wenn man sich ungefragt einmischen zu müssen glaubt. Diese Struktur ermöglicht es, die gesunde Kraft- auch die gesunde Wut – gerichtet einzusetzen, statt sie zu unterdrücken und destruktiv gegen sich und andere zu lenken. Der eigene Selbstwert, die eigene Würde erlaubt auch, absichtslose Liebe von anderen anzunehmen – und selber zu schenken. Das Selbstwertgefühl macht es möglich, sich zu zeigen, wie man wirklich ist. Das macht authentisch und das wirkt anziehend auf andere – die genau das schätzen. So entsteht gegenseitige Anziehung, und dadurch Bindung. Diese „erwachsene“ Bindung ist primär unabhängig von Leistung oder Gehorsam.
4. Wenn ein Beziehungstrauma die Autonomie-Entwicklung blockiert . . .
Der frühe Verlust einer wichtigen Bezugsperson – z.B. Eltern oder Geschwister – aber auch die Erfahrung, ignoriert, abgelehnt – oder benutzt zu werden, kann die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls blockieren oder verhindern. Um dennoch zu überleben, aktivieren die Betroffenen angeborene Anpassungs-Reflexe. Sie erkennen, welche eigenen Gefühle, Bedürfnisse oder Wahrnehmungen ignoriert oder gar als „falsch“ abgelehnt werden, um diese dann selber zu unterdrücken oder zu verleugnen. Ohne diese „innere Orientierung“ entwickeln sie eine spezielle Wahrnehmung („Antennen“) für die Bedürfnisse, Gefühle und Überzeugungen anderer, um von ihnen geduldet, oder vielleicht sogar als „nützlich“ anerkannt zu werden. Diese „magisch-grandiosen“ Tendenzen vermitteln ein „extrinsisches“ Selbstwertgefühl, begründet auf Leistung und Gehorsam. Aber dies Selbstwertgefühl ist brüchig, es schwankt zwischen grandioser Selbst-Überschätzung und brutaler Selbstabwertung.
5. . . entsteht ein „destruktives“ Symbiosemuster Abhängigkeit Die Betroffenen neigen dazu sich nach den Ansichten und Bedürfnissen des jeweiligen Gegenübers zu orientieren, um Konflikte zu vermeiden. Umso mehr, da sie ihre „gesunde“ Wut lieber unterdrücken, als sie an die richtige Adresse zu richten: sie sind wenig konfliktfähig. Sie neigen dazu, sich in fremden Räumen zuständig zu fühlen – ohne Auftrag – und riskieren Erschöpfung und Burnout für die Illusion, wertvoll zu sein für andere.
Lose-Lose-Situation Da sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht spüren, können sie nicht gut für sich selber sorgen. Sie sind angewiesen auf andere, die – so wie sie – sich wertvoll fühlen, wenn sie gebraucht werden. So entsteht die Ko-Abhängigkeit, die symbiotische Beziehung zwischen zwei Abhängigen. Fatal, dass auch sie ihre Bereitschaft, sich vom anderen benutzen zu lassen, irrtümlich für „Liebe“ halten. Dass gibt dieser sehr verbreiteten Verwirrung so etwas Scheinheiliges - wie einen „Heiligenschein“. Verstärkt wird dies Muster noch durch eine (kirchliche) Doktrin, die Gehorsam und Selbstlosigkeit als „Tugend“ verklärt.
6. destruktiver (toxischer) Narzissmus Manche, denen als Kind ihr Selbstwertgefühl so gründlich ausgeprügelt wurde, dass sie sich selber für „böse“ halten, sind davon überzeugt, dass sie nicht liebenswert sind. In ihrer verzweifelten Einsamkeit entwickeln sie perfekte Strategien, um dennoch die ersehnte Nähe zum Gegenüber zu erzwingen, indem sie sich für den anderen unentbehrlich machen, indem sie – fälschlich - vorgeben, nur das Beste für den anderen zu wollen, durch Geschenke und Versprechungen, und/oder notfalls auch durch Androhungen und Gewalt. So entstehen Lose-Win- Beziehungen, bei der nur die eine Partei gewinnt, auf Kosten der anderen. Dieses Beziehungsmuster kann verglichen werden mit einer Krebserkrankung. Alle Zellen eines Organismus sind so programmiert, dass sie das Überleben des Gesamtorganismus sichern. Bisweilen „entarten“ einzelne Zellen, das heisst, sie orientieren sich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Programm, eine bestimmte Funktion zu erfüllen. Sie koppeln sich ab und vermehren sich hemmungslos. Dabei zerstören sie die Nachbarorgane und damit den Gesamtorganismus. Sie nehmen auch den eigenen Untergang in Kauf, und versuchen, bis zum Schluss noch davon zu profitieren! Diese bösartige „karzinomatöse“ Variante des Narzissmus ist gerade dabei, die Schlüsselpositionen der Macht zu erobern, um diese Macht für die eigenen Interessen zu missbrauchen – auf Kosten des Gemeinwohls. Dabei verschleiern sie ihre wahren Ziele, und geben vor, die Interessen der Menschen zu vertreten.
7. Die aktuellen Krisen Dieser – meist perfekt verschleierte – Machtmissbrauch ist die eigentliche Ursache für die aktuellen Krisen, welche die Zukunft unserer Kinder und Enkel bedroht. In der Menschheitsgeschichte gab es mehrmals Krisen - Seuchen, Hungersnöte, Waldsterben - die das Überleben der Spezies homo sapiens gefährdet haben. Doch das Erkennen dieser Zusammenhänge und die nötigen Konsequenzen haben das Überleben der Menschheit bis heute ermöglicht. Immer mehr wird deutlich, dass die Superreichen die Demokratie und damit den sozialen Frieden gefährden. Siehe dazu Bedrohen Superreiche die Demokratie? | 42 - Die Antwort auf fast alles | ARTE https://www.youtube.com/watch?v=fVdS0N3rz6Y
Statt die Aktivisten der letzten Generation zu kriminalisieren und vorbeugend zu inhaftieren, sollte dieser zerstörerische Machtmissbrauch als Verbrechen gebrandmarkt werden und die Betroffenen als Verbrecher vor Gericht gestellt werden. Aber das wird erst geschehen, wenn wir unsere natürliche Vernunft benutzen, um genauer zu unterscheiden zwischen grandiosen Versprechungen und Not-wendenden Zukunfts-Perspektiven – auch wenn sie schmerzlich sind. Dann werden wir andere Politiker wählen als Söder, Merz und Lindner. Dazu sollen diese Überlegungen einen Beitrag leisten!
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Die zahlreichen Aufstellungsbeispielen auf diesem Kanal zeigen eindrücklich unsere Vorgehensweise und deren unmittelbare Auswirkungen. Da diese Vorgehensweise manchen anfangs etwas starr und direktiv erscheint, skizziere ich hier so kurz und knapp wie möglich unseren theoretischen Hintergrund.
In unserer Gesellschaft sind Kinder schon früh Selbstwert-Verletzungen ausgesetzt: subtil durch Ignorieren und Vernachlässigen, oder massiv, durch Abwertung, Ablehnung oder Gewalt. Um dennoch zu überleben, aktivieren sie angeborene, „archaische“ Anpassungsreflexe: sie verleugnen ihr authentisches, wahres Selbst: Gefühle, Bedürfnisse, Wahrnehmungen. Dadurch verlieren sie ihr „intrinsisches“ Selbstwertgefühl, verlieren auch ihre innere Orientierung, ihren „Kompass“. Stattdessen orientieren sie sich nach aussen, nach den Erwartungen und Bedürfnissen anderer. Gehorsam und Leistung verhelfen ihnen zwar zu einem „extrinsischem“ Selbstwertgefühl, da sie dann wahrgenommen und geschätzt werden und sich nützlich fühlen. Aber das wahre Selbst wehrt sich immer wieder gegen das „falsche“ Selbst, das erzeugt eine innere Zerrissenheit und Verwirrung.
Dieser Widerspruch zwischen Selbst-Verleugnung und „falschem“ Selbst wird unbewusst als „Notprogramm“ gespeichert, sodass die Betroffenen sich unbewusst damit identifizieren, als wäre das ihre wahre Identität. So entsteht der „Stressor“ der lebenslang ihr Erleben und Verhalten bestimmt.
Die fehlende Orientierung am inneren Kompass erklärt auch die verwirrenden Beziehungsmuster, die wir als Symbiosemuster bezeichnen. Die sichere Unterscheidung zwischen Ich und Du, zwischen eigenem und fremden Raum geht verloren. Die eigenen Grenzen können nicht wahrgenommen und geschützt werden („Abgrenzungs-Verbot“). Aber auch fremde Grenzen werden nicht respektiert (Übergriffigkeit, Helfer-Syndrom). Ohne diese Orientierung kann auch die Kraft nicht gesund eingesetzt werden, um sich zu schützen (mangelnde Selbst-Fürsorge), oder eigene Ziele zu verfolgen. Sie ist blockiert und richtet sich destruktiv gegen sich selbst – oder gegen andere (Selbst-Hass, Depression, Erkrankungen).
Da diese Vorgänge unbewusst ablaufen, können die Betroffenen diese Zusammenhänge nicht erkennen und ihr „Programm“ nicht löschen. Im Gegenteil, je mehr sie spüren, dass dies „Programm“, das sie als Kleinkind gerettet hat, im Erwachsenenalter mit Stress und Leid verbunden ist, desto mehr neigen sie dazu, sich selber dafür die Schuld zu geben. Das verstärkt den Teufelskreis der Selbstabwertung.
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, greifen wir zurück auf uralte Vorstellungen von einem wahren Selbst, das unzerstörbar ist und unverlierbar. Wenn wir uns bewusst machen, dass die Erde uns hervorgebracht hat, dass wir Teil sind eines grösseren schöpferischen Ganzen, das uns trägt und nährt, bedingungslos, dann gibt uns das eine unzerstörbare eigene Würde. Unabhängig von Leistung oder Anerkennung durch andere. Dieses „intrinsische Selbstwertgefühl“ kann zu einem inneren Kompass werden. Dies gibt uns eine Orientierung: Wir können erkennen: das Trauma und die Überlebensstrategien sind unvereinbar mit diesem Selbst. Und: nur durch diese Anpassungsreflexe konnten wir damals überleben. Also gibt es keinen Grund, uns heute dafür abzuwerten!
Durch den Aufstellungsprozess erkennen und würdigen die Betroffenen, dass die frühen Anpassungs-Reflexe des Kleinkindes damals für das Überleben existentiell wichtig waren, aber heute nicht mehr erforderlich sind. Ja dass sie im Gegenteil nur noch hinderlich sind. Dann können sie die früh gespeicherten Trauma-Inhalte „löschen“- ohne sich heute dafür selber abwerten zu müssen. So wird es ihnen wieder möglich, sich nach ihrem inneren Kompass, ihrem gesunden Wesenskern, dem wahren Selbst zu orientieren. Diese Orientierung befreit auch wieder ihre Kraft, die bisher gebunden war durch das Ertragen des Unerträglichen. Nun können sie diese Kraft wieder gezielt einsetzen, für sich, statt gegen sich. Statt dem bisherigen Gefühl der Lähmung nun die Erfahrung wirksam und handlungsfähig zu sein. Und ein „artgerechtes“ Leben zu führen durch Beziehungen, die nicht bestimmt sind durch gegenseitige Abhängigkeit, sondern durch gegenseitige Anziehung.
Inzwischen verstehen wir immer besser, warum diese Vorgehensweise so rasch und tief wirkt. Wir aktivieren ein angeborenes Selbstheilungsprinzip, das die Gedächtnisforschung als Gedächtnis-Rekonsolidierung bezeichnet. Auch andere modernere Therapieverfahren wie EMDR (Hensel, „Stressorbasierte Therapie“) und Kohärenz-Therapie (Bruce Ecker, Der Schlüsse zum emotionalen Gedächtnis) verwenden dieses Prinzip. Unser Konzept – wir bezeichnen es inzwischen als Selbst-integrierende Stressor-Auflösung - ist unabhängig von diesen Methoden entstanden. Wir verwenden das Aufstellungs-Setting mit seiner zweidimensionale Ebene und benutzen Symbole für Personen und deren Traumata. So werden den Betroffenen die komplexen Zusammenhänge zwischen Selbst, Grenzen und Raum unmittelbar sinnfällig. Durch „Probehandeln“ – wir bezeichnen es als „Struktur-Training“ - erlebt der Klient, das Trauma-bedingte Verbotsgefühl, sich abzugrenzen. Wenn er sich dazu entschliesst, sich nicht nach seinem verwirrten Gefühl, sondern nach seinem Verstand zu orientieren, dann setzt er seine bisher unterdrückte, destruktiv gewordene eigene Kraft wieder gezielt ein. Dabei erlebt er sofort eine innere Veränderung. Statt wie bisher gelähmt, fühlt er sich nun handlungsfähig. Und das löst Glücksgefühle aus und stärkt des Selbst-Vertrauen. Wenn so der „Kanal“ für die „gesunde Wut“ wieder geöffnet ist, dann kann sich auch das Herz wieder öffnen, um wahre absichtslose Liebe zu empfangen – und zu geben. Darüber hinaus können auch vorgeburtliche Traumen wie Abtreibungsversuch oder Verlust eines Zwillings geklärt werden. Werden diese frühen Traumen symbolisiert, dann zeigt sich, das bereits vor der Geburt Anpassungsreflexe aktiviert und gespeichert werden. Diese zu erkennen und zu löschen ist besonders wertvoll, da sie meist unbewusst sind, und – deswegen? - umso stärker wirken: Die eingeschränkte Abgrenzung begünstigt die Tendenz des Betroffenen, sich für die Probleme der Bezugspersonen zuständig zu fühlen und so deren Traumata zu übernehmen. Anders gesagt: Die Vulnerabilität wird erhöht, und damit die Tendenz, weitere Traumata zu erleben. Viareggio 23.6.24
Thema von ero langlotz im Forum ZUKUNFTSORIENTIERT - S...
I Individuelle Beziehungsmuster I.1.Wahres – und falsches Selbst der Eltern Um die frühen Beziehungstraumen mit ihren Auswirkungen besser zu verstehen ist die Unterscheidung wichtig, zwischen einem wahren Selbst der Eltern, das dem Kind bedingungslose Liebe geben kann und so die Entstehung eines intrinsischen Selbstwertgefühls ermöglicht – und einem durch Traumata bedingten „falschen“ Überlebens-Selbst der Eltern, das die Ursache war für Verletzungen des Kindes: emotionales Verlassen, Benutzen und Überfordern, seelische oder körperliche Gewalt: Ignorieren, Ablehnen, Bestrafen.
2. Machtgefälle und Anpassungsreflexe Dieses destruktive Beziehungsmuster wird unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben. Täter waren immer früher selber Opfer. Kinder - seelisch und physisch abhängig von diesen Eltern (Machtgefälle) - entwickeln Überlebensreflexe, die als Programm gespeichert werden und unbewusst ihr Selbstbild, ihr Erleben und Verhalten bestimmen, einschliesslich der Wahl des Partners. Unbewusst suchen sie sich Partner, die ähnlich belastet sind wie die eigenen Eltern.
3. Selbstwert und Beziehungsmuster So wird das Muster des Macht-Missbrauchs über Generationen weiter gegeben und vergiftet die Beziehungen: Ohne Selbstwertgefühl entwickeln die Betroffenen ein extrinsisches Selbstwertgefühl durch Leistung, um die ersehnte Zuwendung und Anerkennung ihres Gegenübers gewinnen zu können. Das ist die depressive Variante: Workoholic, Helfersyndrom, depressive Erschöpfung. Oder sie versuchen mit allen Mitteln Macht zu entwickeln, um andere durch Versprechungen, Geschenke- aber auch durch Drohungen oder Gewalt zu manipulieren und von sich abhängig machen. Das ist die destruktiv-narzisstische Variante. Die Ursache ist immer das fehlende gesunde intrinsisches Selbstwertgefühl, das unabhängig macht von der Anerkennung durch andere. Ein Bewusstsein der eigenen Würde, das es erlaubt, sich dem Gegenüber echt und authentisch zu zeigen. So wird Bindung möglich durch gegenseitige Anziehung.
Diese Unterscheidung zwischen „wahrem“ und „falschen“ Selbst ermöglicht einen Lösungsprozess: Wenn die bisher unterdrückten „negativen“ Gefühle von Schmerz, Ohnmacht und Wut wieder zugelassen und gegen das „falsche“ Selbst „entladen“ werden können, dann wird der Blick frei auf das „wahre“ Selbst des Elternteils, von dem das Kind - in kostbaren seltenen Augenblicken – auch die so ersehnte und benötigte bedingungslose Liebe erleben konnte. Erst nachdem der Kanal für die gesunde Wut geöffnet wird kann sich auch der Kanal für die Liebe öffnen. Das Herz öffnet sich für die bedingungslose Liebe eines anderen.
II. Zur Entstehung der globalen Krisen II.1. Die Erfahrungen mit frühen Beziehungstraumen haben meinen Blick geschärft für kollektive Konflikte und Krisen. Unsere Gesellschaft ist immer noch – bzw. immer mehr - bestimmt von extremen Gegensätzen von Arm und Reich, von Macht und Ohnmacht. Über Jahrhunderte waren 90% unserer Vorfahren Leibeigene die kein eigenes Land und keine Rechte hatten. Nur die „Herren“ – der Adel und der Klerus – durften Land besitzen. Dies offensichtliche Unrecht war zur Gewohnheit geworden, sanktioniert durch die Macht der Gewalt. Die Besitzlosen – denen ein intrinsischer Selbstwert ausgeprügelt worden war, lernten sich unterzuordnen, fleissig und gehorsam zu sein. Sie überlebten, indem sie für die anderen nützlich waren. Das entspricht der depressiven Variante. Aber es gab auch die Unangepassten, die sich widersetzten - und dafür kriminalisiert wurden. Und andere, die ihre Intelligenz und alle Mittel nutzten, um selber zu Macht zu kommen, indem sie andere von sich abhängig machten. Narzisstische Variante.
II.2 Machtmissbrauch Die zentrale Ursache der eskalierenden Krisen scheint mir der Machtmissbrauch zu sein: wenn mächtige „Eliten“ ihre Machtmittel nicht für das Gemeinwohl einsetzen sondern ausschliesslich für die Vermehrung der eigenen Macht. Als Arzt erkenne ich sofort die Parallele zum „Programm“ einer Krebszelle. Jede Zelle im Organismus hat zunächst eine bestimmte Funktion, um das Leben des Organismus zu ermöglichen. Wenn eine Zelle sich vom Organismus abkoppelt und nur noch das eine Programm kennt: „Wachsen um jeden Preis“, dann wird sie zur Krebszelle. Dabei zerstört sie die Nachbarorgane, reisst alle Ressourcen an sich, sodass der Organismus stirbt, und damit auch das Krebsgeschwulst. Die Parallele zu dem ausschlieslich Profit-orientierten Verhalten der Konzerne und Einzelpersonen (wie gerade Rene Benko) ist offensichtlich.
II.3. Selbstheilungstendenzen Ein gesunder Organismus hat durch die Immunabwehr die Fähigkeit, Krebszellen im Frühstadium zu erkennen und unschädlich zu machen. Daher sehe ich das als hoffnungsvolles Zeichen, dass auch in der Gesellschaft die Kräfte zunehmen, die Machtmissbrauch als solchen benennen und ächten, offensichtlich ausgelöst durch die Krisen. Ich denke an die Missbrauchsskandale in den Kirchen, die nach jahrhundertelangem Vertuschen endlich wahrgenommen werden. Ebenso die Me-too-Bewegungen, welche den Machtmissbrauch in anderen Bereichen, in der Lehr, im Sport und in den Kulturorganisationen bewusst machen und zu Recht anprangern. Schon länger gibt es die Friedensbewegung und die Klimabewegung, welche durch gewaltfreie Aktionen das öffentliche Bewusstsein für das Unrecht schärfen möchte. Ghandi war es durch sein Beispiel des gewaltlosen Widerstand möglich, Indien von der britischen Kolonialmacht zu befreien. Dass die Mächtigen und die von ihnen abhängigen Gruppen das bekämpfen durch Verleumdung, Unterstellungen oder – wie in Bayern - durch Kriminalisierung, macht immer mehr Menschen bewusst, dass es Zeit wird, sich aus der Komfortzone herauszuwagen, wenn sie für sich und ihre Kinder eine lebenswerte Zukunft wünschen. Das zeigt nur, wie berechtigt und wie wichtig diese Auseinandersetzungen sind.
III Der Konflikt Israel-Palästina Auch die aktuellen Debatten über das Verbot Pro-palestinensischer Demonstrationen verstehe ich als dringend erforderlichen Klärungsprozess. Über Jahrzehnte ist ein Konflikt zwischen Israel und den Palestinensern eskaliert, angetrieben von extremen Fanatikern auf beiden Seiten, unterstützt durch Grossmächte, die sich so einen Stellvertreterkrieg leisten. Beide Seiten haben grobe Menschenrecht verletzende Verbrechen begangen. Und es ist gut, wenn gerade junge Menschen dagegen protestieren, weltweit, aber auch bei uns. Deutschland ist da wegen des monströsen Holocaust-Verbrechens an Millionen von Juden in einem Dilemma. Wenn aber eine israelische Regierung berechtigte Kritik an den eigenen Menschenrechtsverletzungen als „Antisemitismus“ zu diffamieren und abzubügeln versucht, dann erscheint mir das als zynisch und obszön. Auch Israel muss die Menschenrechte achten, es steht nicht über den Gesetzen. Oder pointiert formuliert: der erlittene Holocaust bedeutet keine Lizenz zum Töten Unschuldiger. Aus meinen Erfahrungen mit frühen Traumata weiss ich, dass aus Opfern nicht selten Täter werden. Daher ist es so wichtig, bei einer Person, aber auch bei einer Regierung zu unterscheiden zwischen dem „gesunden Wesenskern“ und einem Trauma-bedingten Fehlverhalten, das natürlich benannt und verurteilt werden darf. Auch und gerade von uns Deutschen, die durch unsere Geschichte eine besondere Beziehung zu Israel haben. Daher erscheinen mir eine nüchterne Debatte extrem wichtig, ohne sich von den aufgepeitschten Emotionen der Fanatiker auf beiden Seiten einschüchtern zu lassen.
IV Ein allmächtiger, männlicher Schöpfergott – ein toxisches Konstrukt? Es gab schon lange berechtigte Kritik an der Vorstellung eines männlichen Vatergottes, der die Welt erschaffen haben soll. Die Aufklärung und die Frauenbewegungen haben dazu zahlreiche Argumente beigetragen. Die Frau ist es doch, die seit Jahrtausenden täglich sich und ihren Körper für das neue Leben zu Verfügung stellt. Und da soll ausgerechnet ein männlicher Gott diese Welt erschaffen haben? Angesichts der grassierenden Zerstörung der Natur und der Umwelt erscheint auch der „Auftrag“ dieses Schöpfergottes: „Macht euch die Erde untertan!“ sehr merkwürdig. Und statt dem Satz: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde – und Eva aus Adams Rippe! - wäre es stimmiger zu sagen: „Der Mann, der sich den Frauen unterlegen fühlte, schuf sich einen Gott, nach seinem Bilde!“ Es scheint, dass dieses Gottesbild entstand, um den männlichen Machtmissbrauch – „von Gottes Gnaden“ – zu legitimieren. Und der Klerus – natürlich männliche Priester - durfte diese angemasste Macht teilen, weil die Amtskirche durch ihre Doktrin den Menschen eine angebliche Erbsünde zuschrieb. Damit sprach sie ihm seine „intrinsische Erb-Würde“ ab, und die Fähigkeit einer natürlichen Religiosität, die unmittelbar mit dem Transzendenten in Verbindung kommen kann. Diese Doktrin stellte zwar die Botschaft Jesu auf den Kopf, aber sie war ein Erfolgsrezept und wurde zum Modell für den Kapitalismus. Durch indoktrinierte Schuldgefühl ein Bedürfnis nach Erlösung zu wecken, und gleichzeitig selber ein Monopol zu besitzen für diese „Gnadenmittel“. Das hat über Jahrtausende eine Macht begründet. Wir bewundern die geistigen Errungenschaften und die grossartigen Kunstwerke, die von Menschen geschaffen wurden, die sich in den Dienst dieser Macht gestellt haben. Wir sind dankbar für die Dienste der Nächstenliebe, die von Menschen geleistet werden, die sich oft mehr dem Geist Jesu verpflichtet fühlen, als der Doktrin der Amtskirche. Und wir erleben gerade, wie diese Macht beginnt zu bröckeln, je deutlicher der Machtmissbrauch mit seinen krankmachenden Wirkungen sichtbar wird. Auch hier gilt: je deutlicher wir diese verwirrende destruktive Seite der kirchlichen Doktrin erkennen und benennen, umso deulicher wird die wahre Botschaft von Jesus, der zu den Benachteiligten und Ausgestossenen ging und ihnen die Liebe predigte: Ihr seit Gottes Kinder! Kann man einem Menschen eine grössere Würde zusprechen? Dieser Jesus wehrte sich gegen den Machtmissbrauch der Priester und der römischen Besatzer, und wurde deshalb kriminalisiert, verurteilt zum Foltertod am Kreuz! Die Umdeutung von Paulus, der Tod am Kreuz sei eine Heilstat Gottes, um uns Menschen von unserer Erbsünde zu erlösen entpuppt sich als geniale FAKE NEWS, um Menschen zu verwirren und zu Unterordnung und Gehorsam zu erziehen. Dank dieser Verfälschung konnte sich das Unrecht der Mächtigen für 2 weitere Jahrtausende halten. Diese Erkenntnis kann Kräfte freisetzen!
V Pfingsten ist das Fest des „heiligen Geistes“. Dieser Geist weht, wo er will und er richtet sich - mit Sicherheit! - nicht nach der kirchlichen Doktrin. Das ist der Geist Jesu, der Geist der Wahrheit, der die Verwirrungen der Gegenwart vertreibt. Möge dieser Geist uns alle erfassen, und uns helfen besser zu unterscheiden zwischen wahr und falsch. Vielleicht sind es ja gerade die Krisen, die diesen Geist in uns wecken.
Im Idealfall durchläuft eine gesunde Beziehung Phasen der Nähe und Distanz, die sich wie Ebbe und Flut abwechseln und eine Beziehung zu einem Tanz machen. Das schafft Freiraum und Verbundenheit und gibt eine Beziehung etwas Lebendiges, Organisches und Wachstumsfähiges.
Das bedeutet aber auch, Abgrenzung ist nichts Starres, sie "unduliert" flexibel zwischen Nähe und Distanz. Analog scheint es mir jetzt sehr stimmig, auch die Selbst-Verbindung nicht als etwas Starres, Festes zu verstehen, sondern ebenfalls als undulierend. In den Anforderungen des Alltags ist es ja unmöglich, ständig mit seinem Selbst verbunden zu sein?! Mir scheint jetzt eine andere Vorstellung viel stimmiger: zu wissen, dass es dies wahre Selbst gibt, und wie ich jederzeit mit ihm Verbindung bekommen kann. Z.B. indem ich in mir einen Raum schaffe für dieses Selbst - durch Meditation, durch Yoga oder TaiChi oder durch Autogenes Training - oder indem ich z.B. in die Natur gehe, um da mein Selbst zu spüren, dass sich als "Teil eines grösseren Ganzen" weiss.
Lieber Phil, danke für den Beitrag. Besonders wichtig scheinen mir die Sätze: Im Idealfall durchläuft eine gesunde Beziehung Phasen der Nähe und Distanz, die sich wie Ebbe und Flut abwechseln und eine Beziehung zu einem Tanz machen. Das schafft Freiraum und Verbundenheit und gibt eine Beziehung etwas Lebendiges, Organisches und Wachstumsfähiges. Voraussetzung für ein Selbst-bestimmtes Leben (Autonomie) ist ja die Verbindung mit dem eigenen Selbst – mit der „Essenz“ oder mit dem "göttlichen Funken" nach Jung. Wir wissen ja dass dazu die Fähigkeit zur Abgrenzung erforderlich ist, um ein Gefühl für einen eigenen Raum zu bekommen. Die Voraussetzungen dazu werden in den ersten Beziehungserfahrungen eines Kindes gelegt. Wenn die Mutter zu Kind eine sichere Bindung hat, dann kann das Kind spielerisch ausprobieren, wie es ist, sich zu entfernen, und dann wieder zurück zur Mutter zu kommen. Dein Beitrag macht mir bewusst, dass dazu offensichtlich auch gehört, dass ein Kind selber Nähe oder Distanz zu den Bezugspersonen bestimmen kann, ohne dafür durch Ablehnung oder Schuldgefühle belastet zu werden!
In unseren Ausbildungskursen berichten uns Teilnehmer von ihren unbefriedigenden Erfahrungen mit anderen Trauma-Therapiekonzepten. Das veranlasst mich zu den folgenden Überlegungen.
1. „Die Amygdala vergisst nichts?“ Traumatisierte Personen sind regelmässig mit dem früheren Trauma noch so identifiziert („verklebt“), als wäre es auch heute noch ein Teil ihrer Identität. Das ist die eigentliche Ursache ihrer Probleme. Viele anerkannte Trauma-Therapie-Konzepte gehen daher davon aus, dass das gespeicherte Trauma nicht mehr gelöscht werden kann. Sie vermuten, dass es in den Mandelkernen (Amygdala) gespeichert wurde – getreu der Maxime: „Die Amygdala vergisst nichts!“ Um dennoch das Leid der Betroffenen zu lindern, wird ihnen empfohlen, das Trauma zu „integrieren“, und den damaligen „Tätern“ zu verzeihen. Oder die Betroffenen werden angehalten, Kompensationsstrategien zu trainieren. Diese Vorgehensweise wird – etwas irreführend – als „Extinctions-Lernen“ bezeichnet (lateinisch Extinction bedeutet Löschen). Da jedoch das ursprüngliche Trauma – und das dadurch bedingte „Programm“ – nicht wirklich gelöscht wurde, kann diese Strategie den mentalen Stress der Betroffenen sogar noch erhöhen. 2. Rekonsolidierung Bereits seit einigen Jahrzehnten hat die Gedächtnisforschung die Fähigkeit unseres Gehirns erkannt, bis ins hohe Alter gespeicherte Traumen zu löschen: Rekonsolidierung. Allerdings muss dieser Selbstheilungsprozess, wenn er nicht spontan gelingt, erst aktiviert werden.
Thomas Hensel, psychologischer Traumatherapeut, arbeitet selber nach dem Konzept der EMDR. Basierend auf dem Phänomen der Rekonsolidierung hat er ein neues Traumatherapie-Konzept beschrieben: die „Stressor-basierte Psychotherapie“. Er beschreibt die Schritte (den „Algorithmus“), die erforderlich sind, um die Rekonsolidierung zu aktivieren: 1. Problemaktualisierung: Symbolische Repräsentierung der „belastenden Erfahrung“ (des Traumas) 2. Diskrepanzerfahrung durch Ressourcenaktivierung. Als Kontrast wird eine „Ressource“ aktiviert, eine Erfahrung der eigenen Stärke. 3. Duale Aufmerksamkeit: der duale Fokus oder „bifokale Blick“ nimmt gleichzeitig beide Erfahrungen in den Blick. So sind dem Klienten weitere Schritte möglich, Hensel bezeichnet sie als: Disidentifikation („Du bist nicht dein Problem“), die Einsicht, die Belastung und das resultierende Problem ist nicht „Ich-synton“, das heisst sie sind inkompatibel mit der erwachsenen Person von heute. Distraktion („Du hast Kontrolle“). Es entsteht eine Distanz zwischen dem Ich des Betroffenen heute und den Problemen, die durch die damaligen Belastungen bedingt waren. Das nimmt dem Problem seine Wirkung. Nicht-Tun, („sieh dem Gehirn bei der Arbeit zu“). Hier ist eine „nicht wertende Grundhaltung“ gefordert, die interessiert und mitfühlend die inneren Klärungs-Prozesse beobachtet, ohne sie manipulieren zu wollen.
3. Symbiose in Systemaufstellungen In meiner psychiatrischen Praxis entwickelte ich in den letzten 20 Jahren das Konzept der „Systemischen Selbst-Integration“ (SSI). Das Setting der Systemaufstellung ermöglicht den Betroffenen die Einsicht, dass alle ihre aktuellen Probleme bedingt sind durch das symbiotische Beziehungsmuster, ohne dass ihnen das bewusst ist. Das Symbiosemuster beinhaltet ein unbewusstes Verbot, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu schützen, aber auch fremde Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Ohne diese „Struktur“ jedoch bekommen die Betroffenen kein Bewusstsein für einen eigenen Raum. Ohne eigenen Raum ist aber eine sichere Verbindung mit dem eigenen Wesenskern, dem eigenen Selbst gar nicht möglich. Daher können die Betroffenen nicht sicher unterscheiden zwischen Ich und DU, zwischen eigener und fremder Zuständigkeit. Diese Verwirrung blockiert ihr Selbstwertgefühl. Es blockiert auch ihre Orientierung. Aus Angst, ihre Kraft destruktiv einzusetzen, ist ihre konstruktive Kraft blockiert. Da sie ja immer noch da ist, wird diese Kraft destruktiv und richtet sich gegen sich selbst, oder gegen andere Unschuldige.
3.1. Das Trauma-Introjekt . . . Diese symbiotische Verwirrung ist sehr verbreitet, und betrifft – in einer stärkeren Intensivität - psychiatrischen Patienten. Dies Muster erscheint in unterschiedlicher Ausprägung und in einer verwirrenden Fülle von Variationen. - Diese verwirrende Buntheit hat möglicherweise das Erkennen dieses relativ einfachen Musters erschwert? Das Symbiosemuster kann verursacht werden durch frühe Erfahrungen von Verlust einer geliebten Person oder durch Gewalt. Die wirkende Dynamik wird durch eine Aufstellung mit Symbolen sofort erkennbar: Die Betroffenen stellen die geliebte verlorene Person – oder die belastende Trauma-Erfahrungen samt dem Täter von damals – auch heute noch in die Mitte ihres Raumes. Sodass ihre Verbindung zu ihrem Wesenskern, zu ihrem wahren Selbst dadurch blockiert ist. Diese „Introjektion“ einer geliebten Person – oder eines Traumas – war also die Ursache für ihre Probleme. (Diese Begriffe hat bereits der Freud-Schüler Ferenczy für die von ihm 1910 und 1930 beschriebenen Phänomene verwendet.)
. . . ist reversibel! Das Setting der Systemaufstellung ermöglicht mir ein experimentelles Vorgehen. Wenn der Betroffenen, auf dieser symbolischen Ebene dieses Element als Ich-fremd erkennt, dann wird ihm die Ursache seines aktuellen Problems bewusst. Er spürt – mehr oder weniger – einen Impuls, dieses Introjekt gezielt abzugrenzen, das heisst aus dem eigenen Raum zu entfernen. Er bemerkt dabei innere Hemmungen: erlernte unbewusste Verbote der Kindheit. Wenn er spürt, dass sein Gefühl verwirrt ist, dann empfehle ich ihm, sich an seinem heutigen Verstand zu orientieren. Entschliesst er sich dann zur Abgrenzung, verspürt er sofort ein bisher ungekanntes Gefühl von Freiheit, eigener Kraft und Selbstwert bzw. innerer Würde.
[b4. Frühe Beziehungstraumen[/b] Seit drei Jahren erforsche ich – inzwischen gemeinsam mit Philipp Kutzelmann – die Dynamik früher belastender Beziehungs-Erfahrungen: emotionales Ignoriert-Werden, Ablehnung, Verurteilung. Häufig verbunden mit emotionaler Überforderung, mit emotionalem Benutzt-werden. Diese Belastungen mögen dem Erwachsenen als banal oder unvermeidbar erscheinen. Für ein Kleinkind sind sie existentiell bedrohlich. Das Aufstellungs-Setting – seit der Corona-Pandemie mit Holzklötzchen als Symbolen – ermöglicht den Klienten, ihr frühes Beziehungstrauma zu „rekonstruieren“. Und es zeigte sich, dass sie nicht nur ihr Trauma unbewusst als Introjekt – als „Stressor“ gespeichert hatten, sondern auch die beteiligten Bezugspersonen und deren Traumata, und dazu noch ihre eigenen „Anpassungsreflexe“ die das Überleben des hilflosen Kindes von damals ermöglicht haben. 4.1. Anpassungsreflexe Diese Anpassungsreflexe folgen dem einfachen Prinzip der Konditionierung. Ein Kind hat das Grund-Bedürfnis, wahrgenommen und geliebt zu werden. Seine angeborenen Überlebensreflexe bewirken, dass es die Einstellungen Gefühle und Verhaltensweisen, unterdrückt, die von den Eltern ignoriert oder abgelehnt werden. Statt dieser „spontanen Gesten“ übernimmt es die Einstellungen, Gefühle und Verhaltensweisen, die von den Eltern erwünscht sind und mit deren Zuwendung „belohnt werden“. So entstehen folgende stereotype Überlebensreflexe, die sich durch farbige Klötzchen- Symbole darstellen lassen: Selbst-Abwertung/Selbstverleugnung – um sich vor Verletzungen zu schützen, oder um andere zu schonen, unterdrückt der Klient (Fokus) sein emotional-kindliches Selbst (seine spontanen Gefühle: grüner Quader). Magisch-grandiose Tendenzen – um von den Eltern wahrgenommen und geliebt zu werden, geht der Klient (Fokus) auf eine höhere Ebene, entwickelt „Antennen“ nach aussen – statt nach innen – um sich besser an den Erwartungen und Einstellungen der Eltern orientieren zu können. Das ist verbunden mit Selbst-Überforderung (Perfektionismus, Helfer-Syndrom) und Kontrolle. So entsteht ein extrinsisches brüchiges Selbstwertgefühl, schwankend zwischen Selbst-Erhöhung und -Selbst-Abwertung.
Diese Überlebens-Reflexe werden offensichtlich zusammen mit dem eigenen Trauma, den Bezugspersonen und deren Trauma als „Stressorkomplex“ im Hirnstamm so fest gespeichert, dass die Betroffenen es für einen Teil ihrer Identität halten. Das hat für die Betroffenen gravierende Konsequenzen: Ihr Selbstbild, ihr Erleben und ihr Verhalten, ja sogar ihre Partnerwahl wird unbewusst durch dieses „Programm“ gesteuert, wie durch Zwang. Auch wenn sie erkenen, wie unpassend und leidvoll ihr Verhalten ist, sie konnten es allenfalls abschwächen mit mentalem Kraftaufwand. Es erweist sich als weitgehend „Therapie-resistent“. Die Therapien machen ihnen dieses „unangepasste“ Verhalten mental noch mehr bewusst. Und die wiederholte Erfahrung, das eigene Verhalten trotz dieser mentalen Einsichten nicht ändern zu können, verstärkte die bereits bestehende Resignation und Selbst-Abwertung.
4.2. Den Stressorkomplex rekonstruieren – und lösen.
Ausgehend von unseren bisherigen Erfahrungen, dass eine Trauma-Introjektion reversibel ist, d.h. entfernt werden kann, entwickelte ich zusammen mit Philipp Kutzelmann - ein Konzept, um diese frühen Beziehungstraumen zu lösen. Theoretisch scheint die Lösung einfach: das Ich-fremde Trauma-Introjekt muss ersetzt werden durch das Ich-syntone SELBST. Praktisch jedoch zeigten sich dabei grosse innere Widerstände. Die Entfernung des Trauma-Introjektes kann sich verboten oder gefährlich anfühlen. Hier könnten magische Fantasien wirksam sein, so als könne man sich vor einem erneuten Trauma nur dadurch schützen, dass man das alte Trauma „fest im Blick“ hat? Der Abschied von vertrauten Überlebensstrategien fällt manchen sehr schwer. Hatten sie doch bisher dem Klienten die Illusion von Wertigkeit und Orientierung gegeben. Aber auch die Identifizierung mit dem wahren Selbst erscheint vielen gefährlich, so als sei es „falsch“. War es doch in der Vergangenheit von der Umgebung, und dann auch von den Betroffenen selber als falsch oder gar gefährlich abgewertet worden. Diese Widerstände zu verstehen war entscheidend, um den Klienten aus diesem verwirrenden Labyrinth seiner Gefühle heraus zu begleiten. Um diese Verwirrungen zu erkennen und zu lösen entwickelten wir eine Abfolge von Lösungsschritten: den Algorithmus der Selbst-integrierenden Stressorauflösung (SISTA).
Die Aufstellungsvideos auf unserem Kanal zeigen, wie differenziert und angepasst an die jeweilige Problematik dieser „Algo“ angewendet werden kann.
Warum ist dies Prinzip der Rekonsolidierung, das u.a. Thomas Hensel und wir anwenden, nicht schon lange bekannt und findet breite Anwendung? Als ich begann, mit Beziehungstraumen zu arbeiten, habe ich vor ca. 4 Jahren den Sammelband „Komplexe Traumafolgestörungen“ gekauft. Er enthält detaillierte Erörterungen von 30 Trauma-Experten zu komplexen Behandlungsstrategien für die unterschiedlichsten Trauma-Folgestörungen. Ich fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass das Trauma von damals als reversibles Introjekt verstanden werden kann, das relativ einfach entfernt werden kann. Daher teilte ich den 30 Autoren dieses Bandes meine Beobachtung mit. Und keiner antwortete! - Ausser Thomas Hensel! Daher schliesse ich mit einer provozierenden Frage: Kann es sein, dass die Forschungs-Institute von heute immer noch geprägt sind von verkrusteten hierarchisch-patriarchalem Beziehungs-Strukturen? Wird auch heute noch innovative Entwicklung gebremst durch eine emotionale Abhängigkeit von den Vorgesetzten – die ja auch die Karriere ihrer Mitarbeiter massgeblich beeinflussen?!
Ich erinnere: Vor 180 Jahren wurde in Wien der Geburtshelfer Ignaz Semmelweis angefeindet für seine Publikation zum damals häufigen Tod im Kindbett. Er hatte beobachtet, dass bei Entbindung durch einen Arzt die Sterberate höher war als bei Entbindung durch eine Hebamme. Er vermutete - zu Recht – die Ursache darin, dass die Ärzte oft vorher in der Pathologie Verstorbene seziert hatten und so unbewusst ein gefährliches Element – die Bakterien waren damals noch nicht entdeckt! - in die Kreißsäle gebracht haben. Oder vor 60 Jahren wurde Stanley Milgram wegen seiner bahnbrechenden Experimente zum Autoritätsgehorsam angefeindet und ausgegrenzt. Beide Forscher starben früh, Semmelweis in der Irrenanstalt, Milgram am Herzinfarkt.
Wenn diese Mechanismen noch heute wirksam sind, dann konnten diese innovativen Konzepte nur von Einzelpersonen entwickelt werden, z.B. in einer psychiatrischen Kassen-Praxis!?
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
L hat seit Jahren mehrere Aufstellungen gemacht, und kürzlich noch einmal eine belastende Partnerbeziehung aufgestellt , die dieser schon lange beendet hatte, und berichtet über das, was sie danach erlebt hat. DIESE RÜCKMELDUNGEN SIND SO KLAR, DASS SIE AUCH FÜR ANDERE HEILSAM SEIN KÖNNEN. DAHER BIN ICH L DANKBAR DAFÜR, DASS ICH SIE HIER VERÖFFENTLICHEN DARF!
Sie hat mit diesem Mann einen Sohn, F. Meine antwort darauf in kursiv. Am 07.04.2024 um 17:44 schrieb L
l. Was ich festgestellt habe, dass es erst eine Erstverschlimnerung gab.
Ich wollte F.s Vater dazu bewegen F mal zu besuchen (erfolglos) und es war ein sehr schmerzhafter Prozess für mich den ganzen Schmerz noch einmal zu durchfühlen. Das grauenhafte und unmenschliche Verhalten zu akzeptieren. Mir wurde viel bewusst über die letzten 15 Jahre und dass es nicht förderlich war, auf seine Präsenz zu bestehen. Bzw. Immer zu denken es sei wichtig und ich müsse mich und meine Wahrheit opfern, weil ich mich schuldig fühlte mich getrennt zu haben. Und zu glauben es sei wichtig um den lieben Frieden willen mich mit Themen, Menschen und Ereignissen zu beschäftigen die mit meinem wahren Wesen nicht vereinbar sind.
Ero: das schmerzliche verdrängen-um den schmerz nicht spüren zu müssen - bewirkt, dass der schmerz nie aufhört!! L. Jetzt, nachdem ich es so akzeptiert habe nehme ich wahr dass mehr Ruhe einkehrt bei uns zu Hause, obwohl es herausfordernd ist. Die Themen gehen wir an (konstruktiver), es gibt Konflikte die allerdings dazu führen dass die Verbindung tiefer wird. Ich lerne gerade meine Wut und meine Meinung auszudrücken und kund zu tun und sie nicht mehr zu unterdrücken- auch nicht gegenüber meinen Sohn bzw. Weniger gegenüber meinem Sohn weil ich ihn jetzt nicht mehr so schonen muss sondern ihn auch was zumuten kann. Mich zumuten kann, als Mutter.
Ero: Super! so wirdt du zur tigermutter! Nur so hat dein sohn die chance, selber tiger zu werden!
L: Und ich merke dass ihm das gut tut. Und mir zeigt es, dass sich dann auch was bewegt und verändert. Ich merke dass ich mich die ganze Zeit kleiner gemacht habe, abhängig gemacht habe obwohl ich viele Dinge einfach besser mache und habe wenn ich sie selbst in die Hand nehme.
Mir wird jetzt erst bewusst wie belastend der Kontakt zu meinem Exmann war, seitdem er ihn abgebrochen hat.
Natürlich war das hart, verstossen und allein gelassen zu werden, weil ich Gewalt nicht befürworte und Grenzen setze. Hart war es die Gefühle zu fühlen, dein Kind über Monate leiden zu sehen, krank zu sehen, selbst krank zu sein und somit geschwächt und zu merken da ist kein Vater der sich für ihn noch für mich interessiert, mich blockiert und ich komplett allein bin mit allem und zudem zusehen muss wie F diese harte Erfahrung macht komplett ignoriert zu werden.
Soviel Wut, Trauer, Schmerz v.a. aber extreme Wut und Hass hab ich gespürt. Ich wollte einfach diese Gefühle nicht fühlen und dachte wenn ich nur genug tue dann wird alles gut, die Wunschvorstellung, die Illusion.
Ero: diese "negativen" - aber gesunden! - gefühle zu unterdrücken, um eine illusion aufrecht zu erhalten, hat soviel kraft gekostet!
L: Langsam verstehe ich, dass das vollkommen gesund war und ist und dass da meine Kraft verborgen liegt und mein Selbstvertrauen.
Gerade merke ich, dass es so viel ruhiger und schöner ist und es macht mich sehr glücklich und entspannt zu wissen dass so etwas nie wieder passieren wird.
Ich verstehe jetzt auch was mit der "höheren" - z.B. der rationaler - Ebene gemeint ist, denn diese rationale Ebene (drüber stehen) (erklären) inklusive das flüchten in Fantasiewelten / Illusion statt einmal die schrecklichen Gefühle zu fühlen durch das Akzeptieren der Realität ist ausschlaggebend gewesen für einen Teufelskreis über 15 Jahre. Und dieser ist nun beendet. Ich möchte gar keinen Frieden mehr im Außen der sowieso nie möglich war und auch keinen ständigen Krieg. Ich schließe Frieden mit der Situation, so wie sie ist. Und ich bin dankbar für unseren Sohn und dafür dass jetzt der Kontakt und somit das Gift beendet ist. Ero: wie klar du das beschreiben kannst! Bert Hellinger - dem ich viel verdanke - nannte das "Anerkennen, was ist!"
L: Ich merke dass sich dadurch ein neuer Raum öffnet, für mich.
Ich kann jetzt mehr ich sein. Muss mich nicht mehr verstellen. Und das befreit und stärkt meinen zutiefst angekratzten Selbstwert von über Jahrzehnten narzisstischen Missbrauch.
Keine emotionale, psychische und physische Gewalt mehr.
Ich bin frei.
Und dank SSI hab ich gelernt zu unterscheiden.
Eine Resilienz und Authentizität entwickelt ohne die ich heute nicht mehr da wäre und nicht die Möglichkeit hätte ganz anders in Verbindung zu gehen.
Es ist ein Weg, ein Prozess, mit Rückschlägen. V.a. weil es ein pionierhafter Weg ist, zumindest da wo ich lebe und herkomme... ;) Ero: das stimmt. Sich aus der kollektiven verwirrung einer traumatisierten familie zu befreien ist ZUNÄCHST immer PIONIER-ARBEIT!
l. Doch langsam fange ich an ihn (diesen Weg) zu lieben und merke dass er auch und vor allem in die Beziehung zu meinen Eltern sehr viel Heilung gebracht hat. Dass wir uns heute so begegnen können, dafür bin ich sehr dankbar.
Vorgestern war ich mit meiner Mutter im Wald, und sie erzählte mir von ihr, von ihren Kindheitserfahrungen durch bis hin zu meinen Ururgrosseltern...
Und plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen, sie waren, v.a. meine weibliche Ahnenlinie alle Freiheitskämpferinnen... jede auf ihre Art und Weise mit ihrem Schicksal... und mich erfüllte Demut und eine tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung und auch das Fühlen des Wunders dass ich heute hier sein darf und so frei leben kann. Das hab ich ihnen zu verdanken. Mir wurde klar dass ich das Gute nicht sehen konnte. Und spürte Frieden in mir.
Ero: das ist die Transformation. Sobald du mit deinem eigenen SELBST verbunden bist, kannst du auch in dieser traumatisierten Familie die gesunden, selbst-verbundenen Angehörigen wahrnehmen – statt zwanghaft fokussiert zu sein auf eigenes und fremdes Leid! Das sind die „hilfreichen Ahn*innen, von denen Phil immer spreicht.
L:Jetzt ist für mich dran, mich beruflich und finanziell wieder neu aufzustellen und ich vermute das gelingt mir jetzt leichter, weil ich mich sicherer fühle in mir, mich bereit fühle Entscheidungen neu zu treffen und jetzt auch weiss, was mich Glücklich macht.
Ero : L, ich spüre den Impuls in mir, dich herzlich zu umarmen!
Antwort L: Unser Austausch berührt mich immer sehr und wirkt bestärkend.
Du kannst, gerne meine Rückmeldung zugänglich machen.
Mit der Veröffentlichung der Aufstellung bin ich nicht einverstanden.
Thema von ero langlotz im Forum ZUKUNFTSORIENTIERT - S...
Liebe Freunde, liebe Kolleginnen, Heute möchte ich mit euch über den gesunden Instinkt meditieren. Anlass dazu gibt mir ein neues Buch des bekannten Försters Peter Wohlleben: Unser wildes Erbe, Wie Instinkte uns steuern und was das für unsere Zukunft bedeutet-faszinierende Einsichten für ein Leben im Einklang mit der Natur.
Eindrucksvoll, wie kenntnisreich er Bespiele für frühere Krisen in der Entwicklungsgeschichte des Lebens schildert, um dann die heutigen Menschen gemachten Krisen und den entscheidenden Unterschied zu den früheren Krisen prezise zu beschreiben. Seine Schlussfolgerung: die entscheidende Ursache für diese aktuell eskalierende Selbstzerstörung bestehe darin, dass der Mensch sich nicht mehr nach seinem gesunden Instinkt orientiert, der das Überleben der Spezies als Ziel hat, sondern nach einem Verstand, der insofern verwirrt ist, da er zulässt, dass eine Macht-Elite rücksichtslos die Natur, die Tiere, andere Menschen benützt und ausbeutet, um die eigene Macht zu vergrössern, auf Kosten aller Anderen.
Das Verhalten von Tieren wird durch Instinkte bestimmt, die vom Stammhirn gesteuert werden, Reflex-artig und natürlich unbewusst. Diese Instinkte sind in der Regel angepasst an die jeweilige Umwelt und ermöglichen ein Überleben auch unter extremen Umweltbedingungen. Diese Instinkte sind zum größten Teil angeboren, man könnte sie als primäre Instinkte bezeichnen. Veränderungen der Umwelt bewirken jedoch eine Anpassung dieser Instinkte, um das Überleben der Spezies zu gewährleisten. Diese erlernten Instinkte könnte man als sekundäre Instinkte bezeichnen. In der Regel ergänzen oder modifizieren sie die primären Instinkte.
Die Spezies Homo sapiens fühlt sich den Tieren überlegen, in der Annahme, sie würde sich nicht nach unbewussten Instinkten, sondern nach ihrer Einsicht, nach ihrem Verstand orientieren. Ein Blick auf die aktuellen Krisen zwingt uns zu der Vermutung, dass es sich hier um eine magisch-gigantische (!) Fehleinschätzung handelt.
Hat auch der Mensch einen angeborenen gesunden Instinkt? Wenn ja wieso hat er ihn verloren?
In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder das Glück meiner Klienten, wenn sie sich von ihrem alten Trauma-bedingtem Stressmuster befreien. Sie erkennen alles ICH-Fremde, nach dem sie sich bisher orientiert haben, als unvereinbar mit der eigenen Würde, und entfernen es entschieden aus ihrem Identitätsraum. So wird ihre „Innere Mitte“ frei, und sie können sich mit ihrem Wesenskern verbinden. Wenn sie dann – bisweilen schon bei der ersten Sitzung - spüren, dass sie veschmelzen können mit diesem inneren Wesenskern dass sie eins werden mit diesem „göttlichen Funken in uns“ (C.G.Jung) dann erleben sie körperliche Veränderungen: sie richten sich auf, sie fühlen sich frei, eine innere Weite wird spürbar, eine Wärme, bisweilen ein Licht, auch eine innere „Leere“ – die für manche ungewohnt, vielleicht sogar ängstigend sein kann. Sie spüren Ruhe, Stille, eine ungewohnte innere Sicherheit. Manche drücken es so aus: ja so ist das endlich in Ordnung, jetzt bin ich zuhause angekommen. Die meisten haben dieses Glücksgefühl – oder zumindest eine Ahnung davon – schon einmal erlebt, in der Natur oder weit weg von zuhause, in Indien oder im australischen Outback. Es ist meist flüchtig, aber unbewusst ahnen sie von diesem Glück, und sehnen sich danach, es zu erleben.
Was hat das mit Instinkt zu tun? Ein Kind ist existentiell angewiesen auf die Liebe der Eltern, unabhängig von Bedingungen oder Absichten, um sich selber als liebens-wert zu erleben. Nur so kann es einen „intrinsischen“ Selbstwert entwickeln. Diese existentielle Bedürfnis ist wie ein angeborener Instinkt. Er bewirkt unbewusst, dass es verzweifelt versucht, die Liebe der Eltern zu erfahren, koste es was es wolle.
In der Tierwelt sehen wir, dass Tiereltern instinktiv ihren Jungen diese bedingungslose Zuwendung und Fürsorge schenken. In der menschlichen Familie ist dieser Instinkt der bedingungslose Liebe jedoch unterdrückt oder überformt, und das seit Jahrtausenden. Bereits vor 2300 Jahren formulierte der griechische Dichter Menander: „Der Mensch wird nur erzogen, indem er geschunden wird!“ Die angebliche „Liebe“ ist nicht frei von Absicht und Bedingungen, sie wird missbraucht, um ein „erwünschtes Verhalten“ zu erzeugen. Dressur zu Gehorsam und zu der Bereitschaft, sich benutzen zu lassen. Die meisten Eltern haben eine derart autoritäre Erziehung zu Gehorsam und Leistung erlebt und konnten daher kein gesundes, „intrinsisches“ Selbstwertgefühl entwickeln. Da sie selber als Kind keine bedingungslose Liebe erlebt haben, können sie diese auch nicht ihrem Kind geben. Statt dessen versuchen sie, auch ihr Kind zu Gehorsam und Leistung zu erziehen, damit es später Erfolg hat in dieser Gesellschaft. Zusätzlich belasten sie das Kind durch eigenes Trauma und durch die Traumen ihrer eigenen Eltern.
Wenn ein Kind spürt, dass es diese bedingungslose Liebe nicht bekommt, wenn es sich spontan zeigt, so wie es ist, erzeugt das einen tiefen Schmerz und ein Gefühl, nicht „richtig“, sondern „falsch“ zu sein. Diesen Schmerz darf es jedoch nicht zeigen. Sein instinktives Bedürfnis, geliebt, oder zumindest wahrgenommen zu werden, um zu überleben, bewirkt reflexhaft, dass es ein „falsches Selbst“ entwickelt. (Winnikott) Dazu lernt es, dies angeborene instinktive Bedürfnis nach Liebe zu unterdrücken, dazu auch andere Bedürfnisse, sein Gefühle, auch seine Überzeugungen, sobald diese von den Eltern ignoriert, abgelehnt oder gar als falsch oder böse abgewertet werden. Statt dessen lernt es unbewusst die Bedürfnisse und Erwartungen der Eltern zu erspüren, und sich selber dafür verantwortlich zu fühlen. So hat es die magisch-grandiose Illusion, wertvoll zu sein, indem es für die Eltern nützlich oder unentbehrlich ist. („Helfer-Syndrom“ oder „Retter-Rolle“)
Dieses Überlebensprogramm ermöglichte die Anpassung an eine existentiell bedrohliche Familie und wurde daher unkorrigierbar gespeichert, im Stammhirn. Man könnte das als sekundären Instinkt bezeichnen, der unbewusst auch später das Erleben und Verhalten des Erwachsenen bestimmt. Aber dieser sekundäre Instinkt wird zum Stressor. Anders als bei den Tieren ist dieser sekundäre Instinkt unvereinbar mit dem gesunden primären Instinkt. Dieser wurde ja nur unterdrückt und nicht gelöscht. Dass erzeugt inneren Stress: Zerrissenheit, Schuldgefühle, Verwirrung, Resignation und Lähmung.
Zum anderen war dieser sekundäre Instinkt angepasst an die emotional- defizitäre Realität eines hilflosen, bedürftigen Kindes. Er ist starr und unkorrigierbar, und ungeeignet, die Herausforderungen eines Erwachsenen zu bewältigen. Die dadurch bedingte „Anpassungsstörung“ (das ist eine psychiatrische Diagnose!) ist die Ursache vieler Probleme, ist die Ursache für einen „äusseren Stress“.
Der Betroffene fühlt sich dafür noch schuldig und entwickelt Vermeidungs- oder Kompensations-Strategien. So entsteht eine „Stresskaskade“ (Hensel). Dem Betroffenen selber ist der Zusammenhang mit seinen frühen Beziehungstraumen nicht bewusst. Das verstärkt noch seine Tendenz zur Selbst-Abwertung. Abgeschnitten von seinem „gesunden Kompass“ – dem primären Instinkt – und immer wieder enttäuscht von seinem „falschen Kompass“ (Überlebensprogramm) suchen die meisten Halt, indem sie sich an „Autoritäten“ orientieren : vorauseilender Gehorsam. Milgram hat in seinem bekannten Experiment die Verbreitung des Autoritätsgehorsams nachgewiesen. Er beschreibt auch das Phänomen der inneren Zerrissenheit durch moralische Schuldgefühle bei den „Gehorsamen-Reagierenden“- das sie jedoch nicht an ihrem „Gehorsam“ hindern konnte. Narzisstische Populisten Eine Minderheit der Betroffenen perfektioniert ihre magisch-grandiosen Strategien so sehr, dass es ihnen gelingt, wenn schon nicht die Liebe so zumindest den Respekt von vielen zu erwerben. Durch (unhaltbare) Versprechungen, durch (fragwürdige) „Geschenke“ gewinnen sie zunehmend an Macht. Und diese angemaßte Macht missbrauchen sie, um noch mehr Menschen zu gewinnen, abhängig zu machen, zu benutzen, sie auszubeuten. So vergrößern sie die eigene Macht- auf Kosten der Anderen, auf Kosten der Natur und der Umwelt. Diese „malignen Narzissten“ geraten gerade an immer mehr Schalthebel der Macht, unterstützt von den resignierte und verzweifelten Mehrheiten. Diese orientieren sich - enttäuscht von den Regierungen - an anderen,Autoritäten, z.B. an diesen narzisstischen Populisten, die es demagogisch verstehen, Ängste und Zweifel zu schüren, und sich selber als „Retter“ zu inszenieren.
Als Arzt und Naturforscher sehe ich da eine verblüffende Parallele zu dem Prozess der Krebs-Entstehung: einzelne Zellen verlieren ihre Funktion für den Gesamtorganismus. Statt dessen folgen sie einem anderen „Programm“: sie wachsen, buchstäblich unheimlich, indem sie alle Ressourcen an sich reißen, auch wenn dadurch der Gesamtorganismus zugrunde geht. Bis zum Schluss haben sie die Illusion, am Untergang – der auch ihr eigener ist - zu profitieren.
Zugegeben, diese Sichtweise ist nicht tröstlich. Aber sie kann die Augen öffnen und Gegenkräfte wecken – entsprechend einer gesunden Immunantwort eines Körpers gegen entartete Krebszellen.
Rekonsolidierung Diese optimistische Aussicht ist mir möglich, weil ich – wie oben bereits angedeutet – täglich erfahre, dass der gesunde Instinkt, der wahre Kompass nicht verloren ist, sondern nur überlagert wurde. Die neuere Gedächtnisforschung hat beobachtet, dass es ein angeborenes Selbstheilungspotential des Gehirns gibt, welches erlaubt, frühe gespeicherte Traumen mit ihren Überlebensprogrammen gezielt zu löschen. Allerdings scheint dies Potential nicht spontan zu wirken. Aber es kann aktiviert werden durch gezielte Interventionen in einer bestimmten Abfolge, die Thomas Hensel beschreibt, und die auch unerer Vorgehensweise entspricht: SYMBOLISIERUNG des damaligen Traumas UND GLEICHZEITIG einer gesunden Ressource ( dem GESUNDEN INSTINKT, Aspekt des eigenen „SELBST“. Der „BIFOKALE BLICK“ erlaubt dem Klienten, Beides gleichzeitig zu spüren. Wenn er erkennt, dass ersteres mit Stress und Abwertung, und zweiteres mit Frieden und Selbst-Achtung verbunden ist, dann kann er sich entscheiden, zur DESIDENTIFIKATION: er erkennt das Trauma als unvereinbar mit seinem Selbst, und identifiziert sich nun mit seinem Selbst. Dazu ist dann DISTRAKTION erforderlich: er vergrößert den inneren Abstand zu diesen toxischen Elementen, z.B. indem er diese symbolisch abgrenzt. Dadurch befreit er seinen Inneren Raum für sein Wahres Selbst. Er ersetzt den falschen Kompass (die Trauma-Introjektion) durch den wahren Kompass, sein wahres Selbst. Das entspricht der von uns entwickelten SELBST-integrierenden Stressorauflösung (SISTA). Die neu gewonnene Selbstverbindung ist mit einem neuen Selbstwertgefühl verbunden. Dies erlaubt es, absichtslose Liebe annehmen - und geben zu können. Der unterdrückte Schmerz kann zugelassen werden. Die unterdrückte Wut („Wutbombe“) kann sich wieder gesund gegen einen Verletzer entladen.
Dazu die Rückmeldung einer Schülerin, die in einer narzisstischen Familie früh ihre gesunden Instinkte verleugnen musste: Als ich mich endlich diesem tiefen Schmerz in mir stellen und komplett durchfühlen konnte, änderte sich plötzlich was. Ich habe komplett losgelassen und war bereit zu sterben. In meiner Erinnerung war ich ein kleines verlassenes Baby und auf einmal am tiefsten Punkt des Schmerzes, wurde es plötzlich leicht und in dieses Baby floß ein Licht und eine Wärme... der kleine Körper wurde komplett durchflutet und die Gestalt der Mutter ging in den Schatten und ich hatte aber keine Angst mehr und konnte sie gehen lassen, weil die Liebe IN mir war. Das Ende der Abhängigkeit!!
Das ist jetzt 8 Monate her und seitdem fühle ich mich anders.. ich gestehe mir zu glücklich zu sein. Ich habe mir ein schönes Leben geschaffen. Ein schöner Wohnort mit Naturgarten, der Traum eines Campers, eine liebevolle Beziehung auf Augenhöhe (seit 2 Jahren), ein neuer Job und auch nebenberuflich Menschen in ihrem Prozess zu begleiten. Eine Mutter für meine 3 Kinder sein, die sie in ihrem selbst sieht und die riskieren dürfen sich von mir abzugrenzen, ohne die Liebe zu verlieren. Ich fühle gerade so eine demütige Dankbarkeit und Würde in mir. Wie eine Kriegerin die eine Schlacht gekämpft hat, viele Opfer gebracht hat, aber jetzt verstanden hat, dass der Krieg vorbei ist. Ja es ist vorbei.. das wollte und konnte mein Nervensystem lange nicht begreifen. War doch die vertraute Hölle sicherer als das unbekannte Paradies. Und ich wachse immer mehr in das neue Leben hinein und die Schatten der Vergangenheit verblassen immer mehr. Die alten Dämonen haben an Kraft verloren, weil ich sie mit Mitgefühl betrachte und sie nicht mehr bekämpfe. Sie wollen auch nur gesehen werden..dann werden sie ganz weich und klein und verlieren ihren Schrecken.
Ich traf vor ein paar Tagen das erste mal seit dem Bruch vor 4 Jahren auf meine Familie, weil mein Neffe Geburtstag hatte und ich meine Kinder vorbei gebracht habe.
Ich war komplett entspannt und bei mir. Es gab keinen Trigger. Ich war dort als Erwachsene und nicht als Kind und dadurch konnte ich selbst auch meine Familie zum ersten Mal wirklich sehen. Abseits meiner Bedürftigkeit nach Liebe konnte ich sie in ihrem eigenen Schmerz und ihren Themen sehen und das sie ebenfalls Strategien entwickelt haben um zu überleben. Und das dies alles überhaupt gar nichts mit mir zu tun hatte. Sie wollen sich nur schützen. Ich spürte in mir.. ja da ist jetzt Frieden, es gibt keinen Krieg mehr, weil ich aufgehört habe um Liebe und Anerkennung zu kämpfen. Ich brauche diese Menschen immer noch nicht in meinem Leben, weil ich Menschen bevorzuge mit denen man auch über das wahre selbst verbunden sein kann und nicht nur über die Traumatisierung. Und trotzdem spürte ich ein wortloses Übereinkommen. "Ich lebe mein Leben und ihr lebt euer Leben und es steht mir nicht zu, mich da einzumischen. Es ist eure Art zu überleben und ich kann das jetzt achten". Ein so unbekanntes Gefühl abseits des bekannten Dramas. Ich möchte mich hiermit so sehr bei dir und Philipp bedanken, dass ihr mich auf diesem Weg begleitet habt. Das Autonomietraining und die Grenze, war neben der Körpertherapie der entscheidende Schlüssel. Ohne diese Hilfe wäre ich noch immer in meinem falschen Selbst und der Trauma Dunkelheit gefangen.
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Lebender Zwilling-Trennungstrauma durch die Geburt? (A. St. 27.1.24)
Petra hat eine lebende Zwillingsschwester. Sie hat bereits umfangreiche therapeutische Erfahrungen gemacht. Gerade hat sie das dramatische Ende einer sehr verschmelzenden, aber auch verletzenden Partnerbeziehung hinter sich. Das Autonomie-Diagramm zeigt deutliche Einschränkungen bei A Abgrenzung und C Integration der gesunden Aggression, und erhöhte werte bei E Übergriffigkeit und F Auto-Aggression.
In einer Aufstellung suchen wir nach einem „Blockierenden Element“, das Petra daran gehindert hat, mit ihrem wahren Selbst verbunden zu sein, der „wahren Petra“, die diese Erfahrungen besser hätte verarbeiten können. Oder die sich erst gar nicht darauf eingelassen hätte.
Aufstellungsbild: Das Symbol für das BE steht nahe bei ihrem Fokus, wahres und kindlich-vitales Selbst sind entfernt. Es fällt ihr nicht leicht, das Symbol aus ihrem Raum zu stellen. Wenn sie ihren Finger auf diesen roten Würfel legt, spürt sie ganz frühen Trennungs-Schmerz, Einsamkeit und Trauer.
Diese Gefühle finden wir oft bei dem frühen Verlust eines Zwillings, etwa in der 8.-12. Schwangerschaftswoche, von dem Mutter und Klientin meist gar nichts wissen. Petra hat jedoch eine lebende Zwillingsschwester, mit der sie während der gesamten Schwangerschaft zwangsläufig eine sehr enge Verbindung hatte. Hypothese: Könnte es sein, dass es sein, dass es auch bei einem lebenden Zwilling ein frühes Trennungstrauma gibt? Sodass Petra – gefühlsmässig – immer noch in dieser engen, „verschmelzendem“ Verbindung mit dieser Schwester „stecken geblieben“ ist? Dass die – unvermeidbare Trennung nach der Geburt – für sie immer noch so schmerzhaft ist, dass sie das gar nicht „wahrhaben“ möchte?
Wie üblich erfolgt nun die Rekonstruktion der damaligen Überlebensstrategie, eine Kombination aus Selbst-Verleugnung und magisch-grandiosen Strategien: das Trauma-Konglomerat, unbewusst entstanden durch den „Anpassungsreflex“ an das Trauma. Fokus und KiS werden aus dem Traumakonglomerat herausgelöst und ersetzt durch Symbole für die Überlebensstrategien Selbstverleugnung und magisch-grandiose Tendenzen. Der Rest des Konglomerates ist inkompatibel mit dem wahren Selbst und kommt hinter eine Sichtblende. Die Annäherung an das eigene wahre Selbst erweist sich für ihr Gefühl als schwierig – obwohl Petra ihr Selbst und seine Bedeutung kognitiv bekannt ist. Die üblichen Widerstände werden überprüft und auf der symbolischen Ebene gelöst: • Starke Kontrolltendenzen („der Kontrolletti“), welche die Annäherung an etwas Unbekanntes blockieren. • Ein „Verklebtsein“ mit dem Zwilling und dem gemeinsamen Trennungstrauma. • Die Überlebensstrategie Selbst-Verleugnung – um sich zu schützen, oder um für andere wertvoll sein zu können. • Die verbreitete Einstellung Betroffener, sich selber die Schuld für ihre Probleme zu geben – statt diese Probleme als Folgen des Traumas und der damaligen unbewussten Anpassungs-Reflexe zu verstehen. Die Petra spürt immer noch eine Blockierung beim Versuch einer Verbindung zu ihrem wahren Selbst. Hypothese: Ist ihre Bindung an die Zwillingsschwester so stark, dass sie ihm den zentralen Platz in ihrer Mitte freihält, der eigentlich ihrem Selbst zusteht? Das überprüfen wir so: Petra hält das Symbol für die Zwillingsschwester an ihr Herz. Kann es sein dass sie immer noch diese verschmelzende Verbindung zu ihr spürt, die sie in den ersten 8 Monaten ihres Lebens im Uterus hatte? Petra ist sehr berührt, glücklich und traurig zugleich. Ihr wird bewusst, dass sie diese verschmelzende Beziehung immer noch sucht, so als hätte sie sich noch nicht von ihrer Zwillingsschwester verabschiedet. So als könne sie ohne sie – oder einen Ersatz – nicht vollständig sein. Diese Sehnsucht hatte offensichtlich bisher ihre Selbst-Verbindung blockiert. Petra sind auch vorbewusste Fantasien vertraut, als ob sie durch die Selbst-Verbindung den Zwilling verraten, oder für immer verlieren könnte.
Lösungsprozess In einem Dialog mit dem Zwillings-Symbol kann sie zunächst würdigen, dass sie 8 Monate lang eine so besondere Beziehung mit ihr haben durfte. Danach fällt es ihr leichter, sich von ihr zu verabschieden, sodass jeder von ihnen sich alleine vollständig fühlen kann, indem beide sich mit ihrem wahren selbst verbindet. Gefühlsmässig fällt ihr das immer noch sehr schwer, so als müsse sie auf etwas Vertrautes verzichten, und sich auf etwas Unbekanntes einlassen. Aber ihr Verstand bestärkt sie darin, dass das so richtig ist.
Nachdem Petra in dieser Weise bewusst sich von ihrer Schwester verabschiedet hat, spürt sie eine ganz andere selbstverständlichere Verbindung zu ihrem wahren Selbst. So verbunden mit ihrem Selbst kann sie sich jetzt auch ihrem kindlichen Selbst zuwenden. Sie hat es lange unterdrückt, jetzt kommt es schnell wieder zu seiner alten Kraft und Lebendigkeit zurück.
Kommentar Das Thema verlorener Zwilling und dessen Lösung entsprechend einem frühen Verlusttrauma ist bekannt.
Auch lebende Zwillinge sind häufig noch sehr symbiotisch verbunden. Bisher war meine Vermutung, dass sie durch die Verbindung im Mutterleib einen „Zwillingsmodus“ entwickelt hatten: sie fühlten sich vollständig nur mit einem anderen Wesen, das ihnen gleich oder zumindest sehr ähnlich war.
Durch die Aufstellung mit Petra erkannte ich, dass auch lebende Zwillinge ein frühes Trennungstrauma haben. Mit ähnlicher Dynamik und ähnlichen Lösungsstrategien. Mit einem entscheidenden Unterschied: der verstorbene Zwilling muss entlassen werden ins „Licht“, der lebende Zwilling kann entlassen werden „in sein eigenes selbstbestimmtes Leben“. Da Petras Zwillingsschwester lebt ist auch weiter Kontakt mit ihr möglich. Nach diesem Trennungs-Prozess fühlen sich beide vollständig ohne den anderen, und können sich daher auf neue Weise begegnen. Sie müssen nicht sofort wieder in einen „Zwillingsmodus“ geraten. Ist das nicht eine bizarre Parallele zu „siamesischen Zwillingen“?! Die ja auch getrennt werden müssen damit sie sich begegnen können.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
Petra hat eine lebende Zwillingsschwester. Sie hat bereits umfangreiche therapeutische Erfahrungen gemacht. Gerade hat sie das dramatische Ende einer sehr verschmelzenden, aber auch verletzenden Partnerbeziehung hinter sich. Das Autonomie-Diagramm zeigt deutliche Einschränkungen bei A Abgrenzung und C Integration der gesunden Aggression, und erhöhte werte bei E Übergriffigkeit und F Auto-Aggression.
In einer Aufstellung suchen wir nach einem „Blockierenden Element“, das Petra daran gehindert hat, mit ihrem wahren Selbst verbunden zu sein, der „wahren Petra“, die diese Erfahrungen besser hätte verarbeiten können. Oder die sich erst gar nicht darauf eingelassen hätte.
Aufstellungsbild: Das Symbol für das BE steht nahe bei ihrem Fokus, wahres und kindlich-vitales Selbst sind entfernt. Es fällt ihr nicht leicht, das Symbol aus ihrem Raum zu stellen. Wenn sie ihren Finger auf diesen roten Würfel legt, spürt sie ganz frühen Trennungs-Schmerz, Einsamkeit und Trauer.
Diese Gefühle finden wir oft bei dem frühen Verlust eines Zwillings, etwa in der 8.-12. Schwangerschaftswoche, von dem Mutter und Klientin meist gar nichts wissen. Petra hat jedoch eine lebende Zwillingsschwester, mit der sie während der gesamten Schwangerschaft zwangsläufig eine sehr enge Verbindung hatte. Hypothese: Könnte es sein, dass es sein, dass es auch bei einem lebenden Zwilling ein frühes Trennungstrauma gibt? Sodass Petra – gefühlsmässig – immer noch in dieser engen, „verschmelzendem“ Verbindung mit dieser Schwester „stecken geblieben“ ist? Dass die – unvermeidbare Trennung nach der Geburt – für sie immer noch so schmerzhaft ist, dass sie das gar nicht „wahrhaben“ möchte?
Wie üblich erfolgt nun die Rekonstruktion der damaligen Überlebensstrategie, eine Kombination aus Selbst-Verleugnung und magisch-grandiosen Strategien: das Trauma-Konglomerat, unbewusst entstanden durch den „Anpassungsreflex“ an das Trauma. Fokus und KiS werden aus dem Traumakonglomerat herausgelöst und ersetzt durch Symbole für die Überlebensstrategien Selbstverleugnung und magisch-grandiose Tendenzen. Der Rest des Konglomerates ist inkompatibel mit dem wahren Selbst und kommt hinter eine Sichtblende. Die Annäherung an das eigene wahre Selbst erweist sich für ihr Gefühl als schwierig – obwohl Petra ihr Selbst und seine Bedeutung kognitiv bekannt ist. Die üblichen Widerstände werden überprüft und auf der symbolischen Ebene gelöst: • Starke Kontrolltendenzen („der Kontrolletti“), welche die Annäherung an etwas Unbekanntes blockieren. • Ein „Verklebtsein“ mit dem Zwilling und dem gemeinsamen Trennungstrauma. • Die Überlebensstrategie Selbst-Verleugnung – um sich zu schützen, oder um für andere wertvoll sein zu können. • Die verbreitete Einstellung Betroffener, sich selber die Schuld für ihre Probleme zu geben – statt diese Probleme als Folgen des Traumas und der damaligen unbewussten Anpassungs-Reflexe zu verstehen. Die Petra spürt immer noch eine Blockierung beim Versuch einer Verbindung zu ihrem wahren Selbst. Hypothese: Ist ihre Bindung an die Zwillingsschwester so stark, dass sie ihm den zentralen Platz in ihrer Mitte freihält, der eigentlich ihrem Selbst zusteht? Das überprüfen wir so: Petra hält das Symbol für die Zwillingsschwester an ihr Herz. Kann es sein dass sie immer noch diese verschmelzende Verbindung zu ihr spürt, die sie in den ersten 8 Monaten ihres Lebens im Uterus hatte? Petra ist sehr berührt, glücklich und traurig zugleich. Ihr wird bewusst, dass sie diese verschmelzende Beziehung immer noch sucht, so als hätte sie sich noch nicht von ihrer Zwillingsschwester verabschiedet. So als könne sie ohne sie – oder einen Ersatz – nicht vollständig sein. Diese Sehnsucht hatte offensichtlich bisher ihre Selbst-Verbindung blockiert. Petra sind auch vorbewusste Fantasien vertraut, als ob sie durch die Selbst-Verbindung den Zwilling verraten, oder für immer verlieren könnte.
Lösungsprozess In einem Dialog mit dem Zwillings-Symbol kann sie zunächst würdigen, dass sie 8 Monate lang eine so besondere Beziehung mit ihr haben durfte. Danach fällt es ihr leichter, sich von ihr zu verabschieden, sodass jeder von ihnen sich alleine vollständig fühlen kann, indem beide sich mit ihrem wahren selbst verbindet. Gefühlsmässig fällt ihr das immer noch sehr schwer, so als müsse sie auf etwas Vertrautes verzichten, und sich auf etwas Unbekanntes einlassen. Aber ihr Verstand bestärkt sie darin, dass das so richtig ist.
Nachdem Petra in dieser Weise bewusst sich von ihrer Schwester verabschiedet hat, spürt sie eine ganz andere selbstverständlichere Verbindung zu ihrem wahren Selbst. So verbunden mit ihrem Selbst kann sie sich jetzt auch ihrem kindlichen Selbst zuwenden. Sie hat es lange unterdrückt, jetzt kommt es schnell wieder zu seiner alten Kraft und Lebendigkeit zurück.
Kommentar Wir wissen, dass der frühe Verlust eines Zwillings ein Symbiosemuster bedingen kann. Und dass die Lösung durch die Bearbeitung dieses Verlusttraumas möglich ist. Auch lebende Zwillinge sind häufig noch sehr symbiotisch verbunden. Bisher war meine Vermutung, dass sie durch die Verbindung im Mutterleib einen „Zwillingsmodus“ entwickelt hatten: sie fühlten sich vollständig nur mit einem anderen Wesen, das ihnen gleich oder zumindest sehr ähnlich war.
Durch die Aufstellung mit Petra erkannte ich, dass auch lebende Zwillinge ein frühes Trennungstrauma haben. Mit ähnlicher Dynamik und ähnlichen Lösungsstrategien. Mit einem entscheidenden Unterschied: der verstorbene Zwilling muss entlassen werden ins „Licht“, der lebende Zwilling kann entlassen werden „in sein eigenes selbstbestimmtes Leben“. Da Petras Zwillingsschwester lebt ist auch weiter Kontakt mit ihr möglich. Nach diesem Trennungs-Prozess fühlen sich beide vollständig ohne den anderen, und können sich daher auf neue Weise begegnen. Sie müssen nicht sofort wieder in einen „Zwillingsmodus“ geraten. Ist das nicht eine bizarre Parallele zu „siamesischen Zwillingen“?! Die ja auch getrennt werden müssen damit sie sich begegnen können.
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
II. Online Aufstellungen mit Symbolen (farbigen Holzklötzchen)
II.1. Covid-Pandemie und die Entwicklung der Online-Aufstellungen! Durch Covid waren Präsenz-Aufstellungen unmöglich geworden. Früher untersuchten wir belastende Beziehungen durch Aufstellungen in Präsenz, einzeln oder in Gruppen. Als Repräsentanten für Familienmitglieder und Selbst-Anteile verwendeten wir Teilnehmer, für ein Trauma nahmen wir einen Hocker, und Steine dienten als Symbol für ein übernommenes schweres Schicksal. In Einzelsitzungen vertraten Stühle die Personen und farbige Kissen die bisher abgespaltene Selbst-Anteile.
Bei Online-Aufstellungen (über Skype oder Zoom) erfolgen die Sitzungen einzeln – für die Betroffenen bedeutet das weniger Aufwand und weniger emotionale Belastung. Die farbigen Klötzchen aus Holz in unterschiedlichen Formen, die als Spielzeug für Kleinkinder überall erhältlich sind, haben sich hervorragend bewährt, da sie als Symbole für alle Elemente des Trauma-Geschehens geeignet sind. Sie bieten den Vorteil, den Klienten nicht zu irritieren durch eigene Emotionen, wie Personen als Stellvertreter in Präsenz-Aufstellungen. Sie eignen sich aber genauso wie diese als Projektionsfläche für Übertragungen des Klienten.
Die Umstellung auf Online-Aufstellungen mit Symbolen war verbunden mit einer Differenzierung der Aufstellungsmethode. Das ermöglichte unerwartete Einblicke in die Dynamiken früher Beziehungs-Traumen, sodass neue und wirksame Lösungsstrategien entstanden, welche das Konzept erweiterten.
II.2. Erweiterung des Konzeptes: Das SELBST und seine Differenzierung Das SELBST gehört zur Grundausstattung eines jeden Menschen. Unser Leben haben wir von unseren Eltern. Aber ist es nicht die Erde, die das Leben und damit auch uns hervorgebracht hat, die uns trägt und nährt – bedingungslos? Wenn wir uns dessen bewusst sind, auf diese Weise Teil zu sein eines größeren, schöpferischen Ganzen, dann gibt uns das einen Wert, eine Würde, die unverlierbar und unzerstörbar ist. Das Selbst ist zunächst angelegt als Potential. Wenn Eltern einem Kind ihre bedingungslose Liebe schenken, wenn es erlebt, dass es wert ist, geliebt zu werden – unabhängig von Leistung, dann wird das SELBST „geweckt. Dann kann es wirksam werden und dem Erwachsenen später Orientierung geben. Traumatisierte Eltern sind aufgrund ihres Traumas nicht „bei sich selbst“ und können daher ihrem Kind diese bedingungslose Liebe nicht geben. Im Gegenteil: sie neigen dazu, einzelne Aspekte des SELBST ihres Kindes zu ignorieren oder abzulehnen. Diese Ablehnung kann den kindlich-vitalen Teil des Kindes betreffen: seine Lebendigkeit und seine Bedürfnisse, wahrgenommen und geliebt zu werden. Oder den „erwachsenen“ Teil des Kindes: seine eigene Wahrnehmung und beginnende Fähigkeit, zu eigenem Urteil. Das kann dazu führen, dass das Kind selber diese jeweiligen Aspekte unterdrückt, bzw. abspaltet. Dem entsprechend unterscheiden wir ein Erwachsenes SELBST (ES) und ein kindlich-vitales SELBST (kiS). Bereits Winnicott beobachtete: Wenn das Kind erlebt, dass sein wahres Selbst abgelehnt wird, entwickelt es ein „falsches Selbst“ – orientiert an den Erwartungen der Eltern. Durch die Differenzierung in ES und kiS und deren Symbolisierung durch Klötzchen wurde deutlich, dass es sich bei dem falschen Selbst genauer um ein Überlebensprogramm handelt, um eine Kombination unbewusster, reflexhafter und stereotype Anpassungs-Strategien an die Eltern. Dieses Überlebensprogramm des Kindes kann in der Aufstellung durch Symbole rekonstruiert werden.
So symbolisieren wir Anteile des Kindes • den Fokus (das „Alltags-Ich“) durch einen roten Quader, • die eventuell abgespaltenen Selbst-Anteile: „wahres Selbst“ durch einen gelben, das kindlich-vitale Selbst durch einen grünen Quader, • eigene frühe belastende Erfahrung (Trauma) durch einen roten Würfel.
Dazu kommen weitere Symbole für die Anteile der Eltern: • für die beteiligten Bezugspersonen: blaue Quader, und • für deren Schicksale (deren Traumen): blaue Würfel. • Für das „wahre Selbst“ der Eltern ein schmaler gelber Quader.
II.3. Erweiterung des Aufstellungs-Settings um eine „dritte Dimension“ Mit Hilfe dieser Symbole konnten auch die Anpassungs-Strategien symbolisiert werden. Die Symbole können nicht nur zweidimensional, auf einer Ebene neben einander angeordnet werden. Sie können auch über einander gelegt werden, sodass ein „unten“ und ein „oben“ symbolisch dargestellt werden kann. Die Unterdrückung der vitalen Gefühle und Bedürfnisse durch eine Belastungserfahrung wird symbolisiert durch den liegenden grünen Quader des kiS, dem die Würfel für die eigenen Verletzungen (rot) und für ein Traum der Bezugsperson (blau) „aufgebürdet“ werden. Wenn das Ich (der „Fokus“) des Kindes die eigenen Gefühle verdrängt, und auf eine „höhere Ebene“ geht (Vernunft-Ebene, Parallelwelten), dann wird das Symbol für das Ich auf die beiden Würfel und das darunter liegende kiS gestellt. Der Klient kann die Bedeutung dieser Anordnung nachvollziehen – die Symbole und ihre Anordnung erscheinen als eine „averbale Sprache“! – und er erkennt seine Tendenz, sich für das eigene Trauma und für das der Bezugsperson zuständig zu fühlen, und gleichzeitig seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken. Die Position der „höheren Ebene“ kann unterschiedliche Tendenzen beinhalten: • die eigenen „Wahrnehmungsantennen“ nach aussen zu orientieren – statt nach innen. • Kontrolle und Perfektionismus. Damit ist verbunden • Selbst-Überforderung. Die unvermeidbare Erkenntnis dieser Illusion erzeugt • Selbst-Abwertung und Schuldgefühlen führt, sodass • ein brüchiges Selbstwertgefühl entsteht.
II.4. Online-Aufstellungen von bekannten Traumen Das Aufstellungsettings macht dem Klient bisher unbewussten Dynamiken sichtbar (diagnostische Funktion). Er erkennt, dass er das Trauma von damals als Introjektion in seinem inneren Raum so gespeichert hat, dass es heute noch seine Verbindung zum Selbst blockiert. Diese Erkenntnis weckt den Impuls, das Introjekt zu entfernen, um die Mitte des eigenen Raumes wieder frei zu machen für sein Selbst. Dabei lernt er sein bisher unbewusstes „Abgrenzungsverbot“ kennen. Wenn er es wagt, trotz innerer Verbote das Trauma-Introjekt zu entfernen und abzugrenzen, dann wird er „belohnt“ durch die bisher unbekannte Erfahrung von Freiheit durch Selbst-Verbindung. Das Trauma-Introjekt erweist sich als reversibel! Das Aufstellungssetting ermöglicht ihm ein „Probehandeln“. So kann er seine Autonomie durch gezielte Interventionen trainieren (therapeutische Funktion). Heftige Traumen wie Trennung oder Gewalterfahrung sind dem Klienten meist bekannt und können mit dieser Methode behandelt werden. Spürt der Klient nach der Bearbeitung eines bekannten Trauma´s keine Erleichterung, ist es möglich, eine oder mehrere weitere bekannte Traumen zu klären. Nicht immer löst sich dadurch sein Problem.
Daher entwickelten wir ein neues Format:
II.3. Das Format „blockierendes Element“ Ausgehend von unserer Erfahrung, dass ein Trauma-Introjekt die Selbstverbindung blockiert, sodass dadurch noch heute Probleme entstehen, nahmen wir an 1. Wenn der Klient mit seinem Selbst verbunden ist, kann es gar kein ernstes Problem geben. 2. Hat er jetzt ein ernstes Problem, kann das so verstanden werden, dass durch die aktuelle Situation ein ganz bestimmtes altes Trauma getriggert wird, das seine Selbst-Verbindung auf eine Weise blockiert, dass dieses Problem entstehen kann. 3. Gelingt es durch die Aufstellung, dieses blockierende Element zu erkennen und zu benennen, kann es anschließend auf die bewährte Art so bearbeitet werden, dass es nicht mehr getriggert wird: das Problem verschwindet Die Vorgehensweise ist einfach; • der Klient stellt mit Klötzchen sich und seine Selbstanteile auf und dazu einen roten Würfel für das, was seine Selbst-Verbindung gerade blockiert. Legt er jetzt einen Finger auf seinen „Fokus“, kann er spüren, „wie es ihm in dieser Konstellation geht“. • Er entfernt das „blockierende Element“ (BE) aus seinem Raum, grenzt es durch das Symbol einer Grenze ab, und positioniert das BE jenseits dieser Grenze. Legt er jetzt erneut einen Finger auf den „Fokus“, spürt er die Veränderung: meist eine Erleichterung. Gelegentlich aber auch Unsicherheit. Hatte er sich irrtümlich nach diesem Element orientiert? • Als nächstes versucht er mit einem Finger auf dem Würfel (BE) nachzuspüren: spürt er ein Körpergefühl (Schwere, Enge, Druck) oder ein anderes Gefühl? Taucht ein Bild, ein Glaubenssatz, oder eine Person auf? • Meist kommt dann ein eigenes, oder ein übernommenes fremdes Trauma ins Bewusstsein. Erstaunlicherweise ist es so fast immer möglich, das spezifische Trauma zu erkennen und zu benennen, welches für die aktuelle Problematik verantwortlich ist, und es in der gleichen Sitzung zu bearbeiten.
Dieses Format erwies sich als unerwartet hilfreich, da dadurch Traumen ins Bewusstsein geholt wurden, die dem Klienten gar nicht bewusst waren – oder die er nicht mit dem Problem in Verbindung gebracht hätte: zum Beispiel Geburtstraumen oder vorgeburtliche Traumen (Abtreibungsversuch oder Zwillingsverlust). Erstaunlich häufig werden durch dies Format die frühen Beziehungs-Traumen bewusst, zu einem Elternteil, oder – noch komplexer und verwirrender – zu beiden Eltern. Anscheinend werden diese frühen Traumen meist „vergessen“, vielleicht um die Illusion einer „glücklichen Kindheit“ aufrecht zu erhalten? Oder weil sie so verbreitet sind, dass sie für „normal“ gehalten werden? Bisweilen können auch Traumen einer geliebten Bezugsperson, z.B. einer Großmutter, übernommen und so verinnerlicht werden, dass sie die Selbst-Verbindung blockieren, sodass dadurch das Problem entsteht.
Verblüffend war immer wieder, wie die Symptomatik des Klienten, oder die Besonderheiten der aktuellen Situation den Aspekten des damaligen Traumas entsprachen. Wir verstehen das als eine indirekte Bestätigung dafür, dass dieses Trauma tatsächlich für das aktuelle Problem relevant war. Dazu kommt weiter, dass der Lösungsprozess häufig sehr emotional war. Die Wucht der bisher unterdrückten und nun befreiten Gefühle von Schmerz, Verzweiflung Scham, aber auch Wut und Hass war für den Klienten oft überraschend und für ihn – wie auch für uns – sehr bewegend. Dem Klienten ging es nach der Aufstellung meist deutlich besser. Auch im Autonomie-Diagramm zeigte sich eine Veränderung durch die Bearbeitung dieses Traumas. Aufstellungsbeispiel bei YT: Verena, Opa´s Trauma https://youtu.be/i_yrMEYwhYI
III Frühe Beziehungs-Traumen in Online-Aufstellungen
III.1. Psychische Probleme und frühkindliche Traumen Es gibt mehrere Untersuchungen, die nachweisen, dass bei bestimmten psychischen Störungen in der Anamnese statistisch gehäuft frühkindliche Traumen (Gewalt- und Missbrauchs-Erfahrungen) nachzuweisen sind. Für eine ätiologische (an den Ursachen) orientierte Psychotherapie sind diese Daten sehr wertvoll. Denn lange Zeit waren diese Zusammenhänge nicht bewusst, sodass Therapie sich nur an Symptomen bzw. an Diagnosen orientierte. Einmalige und sehr heftige Traumen, wie Trennung oder Erfahrung von Gewalt und sexuellem Missbrauch werden meist erinnert und können nach dem Format „bekanntes Trauma“ bearbeitet werden.
III.2. Subtilere Formen von Beziehungs-Störungen Weit verbreitet ist jedoch eine Belastung des Kindes durch Beziehungen die bestimmt sind von emotionaler Vernachlässigung, Abwertung, Überforderung und emotionalem Missbrauch auf seelischer Ebene. Bisweilen waren diese Belastungen zusätzlich verbunden mit Gewalt-Erfahrung. In der Regel waren die Bezugspersonen selber belastet durch familiäre Traumata („Kriegs-Kinder und -Enkel“). Als weitere Belastung kommt dazu ein immer noch verbreiteter autoritärer Erziehungsstil zu Gehorsam und Leistung. Aber auch ein „antiautoritärer“ Erziehungsstil kann Kinder dadurch überfordern, dass Eltern es nicht wagen, liebevoll klare Grenzen zu setzen, sondern glauben, ihnen alle Entscheidungen überlassen zu müssen. Diese Aspekte finden wir meist kombiniert. Ihre Auswirkungen (Traumafolgestörungen) sind weitgehend identisch, bzw. summieren sich.
Anfangs waren wir davon überrascht, wie häufig diese frühen „Beziehungstraumen“ sind. Die ursächliche Rolle dieser frühen Verletzungen für massive Probleme des Erwachsenen hat sich uns immer wieder bestätigt. Uns scheint, dass sie die Ursache fast aller Selbstwert- und Beziehungs-Probleme der Klienten sind. Auch vielen Klienten ist dieser Zusammenhang zwischen einem akuten Problem (z.B. Angst, Depression, Sucht oder Beziehungskonflikt) und den frühen Beziehungs-Traumata unbekannt. Daher neigen sie dazu, sich selber für die eigenen Probleme verantwortlich oder sogar schuldig zu fühlen. Dadurch wird ihre meist schon vorhandene Selbst-Abwertung noch verstärkt.
Daher erscheint es uns erforderlich, unsere Beobachtungen und Überlegungen zu den frühen Beziehungsstörungen so verständlich darzustellen, dass sie auch von den Betroffenen nachvollzogen werden können.
III.3. Angeborenes Potential – und kindliche Anpassungs-Strategien
Wie oben (II.2) ausgeführt: Das SELBST ist zunächst angelegt als Potential. Wenn Eltern einem Kind ihre bedingungslose Liebe schenken, dann erlebt das Kind, dass es wert ist, geliebt zu werden – unabhängig von Leistung. Wenn das SELBST eines Kindes derart „geweckt“ wird, dann kann es wirksam werden. Und dem Erwachsenen als Orientierung dienen: Selbst-Bestimmung (Autonomie) statt Fremdbestimmung.
In der Realität von heute sind Eltern selber oft belastet durch den Leistungsdruck unserer Gesellschaft, und zusätzlich durch eigene frühe traumatische Beziehungserfahrungen, so sehr, dass sie ihren Kindern nicht immer diese bedingungslose Liebe geben können – trotz bester Absichten. Dann erlebt ein Kind schon sehr früh, dass seine „spontanen Gesten“, seine authentischen Lebens-Äußerungen nicht empathisch wahrgenommen und erwidert werden. Das kann beim Kind Schmerz, Verzweiflung, aber auch Ärger und Wut auslösen. Auch diese „negativen“ Gefühle müssen vom Kind unterdrückt werden, da sie von den Bezugspersonen nicht verständnisvoll wahrgenommen, sondern ignoriert oder abgelehnt werden.
Machtgefälle und Anpassungs-Reflex Zwischen Eltern und Kind besteht ein extremes Machtgefälle. Ein Kind ist zunächst schwach und ohnmächtig. Angewiesen auf die körperliche Fürsorge und seelische Zuwendung der Eltern – lernt es schon früh, diese offensichtlich unerwünschten Lebensäußerungen zu unterdrücken – so als wären sie „falsch“. Stattdessen entwickelt es „Antennen“, um die Erwartungen und Bedürfnisse der Bezugspersonen wahrzunehmen und sich nach diesen zu orientieren. Dazu gehört zum Beispiel Gehorsam und die Bereitschaft, für andere nützlich zu sein. Wenn es auf diese Weise Anerkennung und Zuwendung von den Bezugspersonen bekommt, dann lernt es, sich mit diesen erfolgreichen Strategien zu identifizieren, um sich „richtig“ und wertvoll zu fühlen (extrinsischer Selbstwert). Dies Phänomen hatte bereits Winnikott beobachtet, und als „falsches Selbst“ bezeichnet – im Unterschied zu dem wahre authentischen Selbst, mit seinen „spontanen Gesten“. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Anpassung an eine „unfreundliche“ Realität um angeborene unbewusste Strategien des Kindes. Da sie unbewusst erfolgen,und zudem stereotyp und unflexibel sind, können sie als reflexartige entstandene Anpassungs-Programme verstanden werden.
Die Bereitschaft eines Kindes, sich derart anzupassen ist sehr unterschiedlich. Manche sind sehr „sensibel“ – vielleicht bereits durch vorgeburtliche Belastungen geprägt? – andere sind „bockig“, und gelten dann als schwierig. Dann erleben sie bisweilen noch mehr Strenge, bisweilen auch seelische und körperliche Gewalt.
Kindliche Überanpassung – und Anpassungsstörungen des Erwachsenen Zusammenfassend können diese Anpassungs-Strategien beschrieben werden, als Tendenzen, • die eigene Lebendigkeit zu unterdrücken, um sich vor Verletzungen zu schützen, oder die Bezugspersonen zu schonen, oder um für andere wertvoll zu sein, und • und sich nach den Bedürfnissen und Erwartungen anderer zu orientieren, um sich als zugehörig oder sogar als wertvoll für die anderen fühlen zu können. Dies Anpassungsprogramm ist erstaunlich stereotyp und starr. Es ist für das Überleben des Kleinkindes existenziell notwendig. Man nimmt an, dass es daher gespeichert wird in einem Abschnitt des limbischen Systems, den Mandelkernen (Amygdala). Dieser entwicklungsgeschichtlich frühe Anteil des Gehirns steuert auch das instinktive Verhalten und ist dem Bewusstsein nicht zugänglich. Daher der Satz: „Die Amygdala vergisst nichts!“ Das ist der Grund, warum diese starren und stereotypen Überlebensstrategien des Kindes auch das Selbstbild und das Verhalten des Erwachsenen bestimmen, ohne dass ihm dieser Zusammenhang bewusst ist. Er bleibt verhaftet in der emotionalen Realität des hilflosen, abhängigen Kindes, und kann sich nicht auf die veränderte Realität des Erwachsenen einstellen. Diese fixierte Anpassung an die kindliche Realität verhindert eine angemessene Anpassung an die aktuelle Realität. Daher die Diagnose „Anpassungsstörungen“ („maladaptives Verhalten“).
Symbiosemuster Durch diesen fixierten Anpassungsreflex des Kindes neigt auch der Erwachsene zu vorauseilendem Gehorsam und Leistung. Er hat die Einstellung, dass die Ansichten und Bedürfnisse Anderer wichtiger sind, als die eigenen. Statt einer Orientierung am eigenen Selbst, orientiert er sich nach Anderen, nach den „Autoritäten“. Statt einer klaren Wahrnehmung für eigene und fremde Grenzen, nun Verwirrung hinsichtlich eigenem – und fremdem – Raum. Die fehlende Unterscheidung zwischen eigenem – und fremden – Zuständigkeitsbereich hat zur Folge, dass die Betroffenen sich benutzen lassen, für fremde Interessen. Ja sie bieten sich selber dazu an, benutzt zu werden, um sich dadurch wertvoller zu fühlen. Ohne Achtung für sich und für das Gegenüber, ohne Respekt für eigene und fremde Grenzen ist aber eine Ich-Du-Beziehung auf Augenhöhe gar nicht möglich. Stattdessen kennen die Betroffenen nur symbiotische Beziehungen. Bindung entsteht nicht durch gegenseitige Wertschätzung (wahre Liebe) sondern durch Anpassung und Abhängigkeit: sich benutzen lassen und/oder andere zu benutzen. Daher erscheint das Symbiosemuster als Traumafolge, als Kompensation bei einer verhinderten Autonomie-Entwicklung.
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
I.1. Das Symbiosemuster Als junger Psychiater beobachtete ich bei meinen psychiatrischen Klienten, dass ihre Probleme mit sich und mit anderen verursacht waren unter anderem durch folgende Tendenzen: Sich mehr nach den Ansichten und Gefühlen von Anderen, eigenen Angehörigen oder fremden Autoritäten, zu orientieren, statt nach den eigenen > Überanpassung, Selbst-Unsicherheit, vorauseilender Gehorsam, Fremdbestimmung statt Selbst-Bestimmung.
Sich ungefragt für die Probleme und Bedürfnisse anderer verantwortlich zu fühlen – statt für die eigenen > „Helfersyndrom“, mangelnde Selbstfürsorge.
Die gesunde Aggression (Wut) zu unterdrücken und eher gegen sich selbst zu richten – statt sie konstruktiv einzusetzen, um sich gegen Verletzungen zu wehren, oder sich bei Konflikten besser vertreten zu können > Aggressionshemmung, Opferrolle, fehlende Konfliktfähigkeit. Sich selber abzuwerten und zu verstecken, und gleichzeitig (!) sich anderen überlegen zu fühlen, durch Perfektionismus und Kontrolle > Instabiles brüchiges Selbstwertgefühl, schwankend zwischen magisch-grandioser Selbst-Erhöhung und depressiver Selbst-Erniedrigung. Diese Tendenzen zeigten sich in unterschiedlicher Ausprägung und in vielen Variationen und Kombinationen, Sie waren so verbreitet, dass viele Betroffene sie für „normal“ hielten. Traditionelle „sprechende“ Therapieformen bewegen sich in einem „linearen Modus“. Sie machen dem Klienten seine eingeübten problematischen Verhaltensweisen bewusst und empfehlen ihm, andere Verhaltensweisen zu trainieren. Dieses „Extinctionslernen“ kann gewissen Erfolg haben. Es hilft, die problematischen spontanen Impulse zu unterdrücken, jedoch ohne sie aufzulösen. Daher sind diese Verahren „mental anstrengend“ und stressig.
Unzufrieden mit diesen Methoden suchte ich nach einem tieferen Verständnis dieser Phänomene, um andere wirksamere Vorgehensweisen zu erproben. Ich verstand die oben genannten verwirrende Aspekte als Symbiosemuster und konnte sie zurückführen auf eine doppelte Dynamik, die sich selbst verstärkte im Sinne eines Circulus vitiosus:
• die unbewusste Identifizierung mit Ich-Fremdem – statt mit dem Eigenen (dem Wesenskern, dem SELBST), • die unbewusste Distanz zum Eigenen – statt Abgrenzung gegenüber dem Fremden.
Diese doppelte Dynamik des Symbiosemusters verhinderte Selbst-Bestimmung und Autonomie der Betroffenen.
I.2. Aufstellungsmethode und die Einführung des SELBST Um den Zusammenhang zwischen Autonomie und Symbiose besser zu verstehen, und um alternative Lösungsstrategien entwickeln zu können, experimentierte ich mit der Aufstellungsmethode. Während die „sprechenden“ Therapien einen „linearen Modus“ verwenden, stellt die Aufstellungsmethode eine zweidimensionalen Fläche zu Verfügung und ermöglicht es, Repräsentanten oder Symbole für Personen und z.B. für Traumen einzusetzen. So können die komplexen Beziehungen zwischen diesen Elementen präziser verdeutlicht und untersucht werden. Wenn z.B. der Klient ein eigenes Trauma, oder eine verlorene Bezugsperson durch Symbole aufstellte, wurde ihm geradezu körperlich spürbar, wie räumlich nahe ihm diese belastenden Elemente waren. Ihm wurde bewusst wie sehr er sich bisher an Ich-Fremden Elementen orientierte: an Personen (Angehörigen, Autoritäten) oder belastenden Elementen (Traumata, Glaubenssätzen), so als gehörten sie zu seiner Identität. Diese Elemente bildeten ein „Introjekt, welches bisher seine Autonomie, eine Orientierung an eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Bedürfnissen verhindert hatte, ohne dass ihm das bewusst war. Diese Erkenntnis war bereits befreiend, erklärte sie doch die Probleme, für die er sich bisher abgelehnt hatte. Aber es erwies sich als schwierig oder als verboten, sich von den bekannten Elementen zu distanzieren, die ihm bisher Zugehörigkeit zu seinem Kollektiv vermittelten und als Orientierung dienten. Um dem Klienten diese Distanzierung zu ermöglichen, bot ich ihm einen Repräsentanten für das Eigene, für den eigenen Wesenskern: das SELBST.
Exkurs Die Vorstellung von einem SELBST finden wir in den spirituellen Traditionen aller Weltreligionen. C.G. Jung (Individuation als Weg vom Ich zum Selbst) und die Vertreter der „Humanistischen Psychologie“ verwenden diesen Begriff auf ähnliche Weise. Das Recht auf Selbst-Bestimmung steht im Grundgesetz unserer Verfassung. Das Bewusstsein für die menschlichen Grundrechte wurden durch die Aufklärung geweckt und ermöglichte die Ablösung feudaler Machtstrukturen durch demokratische Verfassungen.
Überraschend war für mich, dass die bekannten theoretischen Konstrukte von Selbst und Selbst-Bestimmung in der emotionalen Realität meiner Klienten keine Rolle spielten. Obwohl dem Klienten durch die Aufstellung seine bisherige Verwirrung und Belastung durch Fremdes bewusst wurde, fühlte es sich für ihn verboten an, sich von dem Ich-Fremden zu distanzieren und stattdessen sich mit dem Eigenen zu identifizieren. So als würde er dadurch die Zugehörigkeit zu seiner Familie verlieren. Offensichtlich gibt es in traumatisierten Familien diese Bindung durch Leid. Diese Bindung war zwar belastend und verwirrend, aber dennoch gab sie die Illusion von Sicherheit. Eine alternative Orientierung an eigenen Überzeugungen, Gefühle und Bedürfnissen war dem Klienten fremd. Diese Elemente waren ihm kaum bekannt, oder erschienen ihm als vage, als wenig vertrauenswürdig oder sogar gefährlich. Diese emotionale Verwirrung durch ein verinnerlichtes „Abgrenzungsverbot“ war meist so „in Fleisch und Blut“ übergegangen, dass es durch rationale Belehrungsversuche alleine nicht aufgelöst werden konnte.
I.3. Systemisches Autonomie-Konzept und die Funktion einer Struktur
Die zweidimensionale Ebene der Aufstellung machte dem Klienten – und mir – möglich, zu unterscheiden zwischen einem eigenen Raum – und dem Raum eines Gegenübers. So wurde dem Klienten das Recht auf einen eigenen Raum bewusst, mit einer Grenze zum Gegenüber. Er konnte erkennen, dass die Ich-fremden Elemente die Mitte seines Raumes eingenommen hatten, als „Introjekt“, sodass das Eigene verdrängt wurde. War das der Grund dafür, dass ihm sein Eigenes – irrtümlich! – unbekannt und verboten bzw. gefährlich erschien? Konnte eine bessere Selbst-Verbindung dadurch erreicht werden, dass der Klient die Ich-fremden Elemente erkannte und aus seinem eigenen Raum mit Entschiedenheit entfernte? Sollte sich das als verboten anfühlen („Abgrenzungsverbot“), war es dann hilfreich sich nach seinem klaren Verstand zu orientieren – statt wie bisher nach einem „verwirrten Gefühl“?
I.4. Selbstverbindung durch Abgrenzung Es zeigte sich dass diese „Strategien“ hilfreich waren: Der Klient fühlte sich nach diesen Aktionen besser, seelisch aber auch körperlich. Er spürte die eigenen Füße und den Boden, er spürte eine innere Weite und Wärme. Er richtete sich auf, die bisherige Anspannung liess nach. Er fühlte sich frei und unbeschwert. Und oft erinnerte er sich daran, dass er sich immer gesehnt hatte nach dem Glück dieser Selbstverbindung, und dass er es in kostbaren Augenblicken auch schon früher erlebt hatte: in der Natur, fern von zuhause, oder in der Kunst. Die körperliche Erfahrung dieses Glücks der Selbst-Verbindung erleichterte es ihm, sich entschieden von allen Ich-fremden Elemente anzugrenzen, die ihm bisher dies Glück verhindert, und stattdessen nur Leid, Verwirrung und Erschöpfung gebracht haben. So wurde dank der Aufstellungsmethode die Dynamik von Autonomie und Symbiose sichtbar. Es entstand das Konzept der systemischen Selbst-Integration (SSI). Gezielte Interventionen, unter anderem ein Training der Abgrenzung bewirkten, dass der Klient eine Wahrnehmung für Struktur entwickelte. Die körperliche Erfahrung, seine Kraft wieder für sich – statt gegen sich – einzusetzen, vermittelt ihm sofort ein anderes Selbstwertgefühl. Auf diese Weise konnte er sich befreien aus der bisherigen Fremdbestimmung und Abhängigkeit und die Freiheit der Selbstbestimmung erleben.
I.5. Autonomie-Fragebogen und -Diagramm Durch einen Fragebogen wird die Einschränkung der Autonomie, und die dadurch entstehende Ausprägung des Symbiosemusters gemessen und im „Autonomie-Diagramm“ grafisch dargestellt. Die Einschränkung der • Autonomie-Aspekte: A Abgrenzung, B Selbst-Verbindung und C Integration aggressiver Impulse erzeugt die korrespondierenden • Symbiose-Aspekte: D Überabgrenzung, E Übergriffigkeit (sich mehr in fremden Räumen zuständig zu fühlen als im eigenen Raum) und F auto-aggressive Tendenzen auf seelischer und körperlicher Ebene. So lässt sich mit einem Blick die Ausprägung des Symbiosemusters erkennen, und damit das Ausmass der Traumatisierung. Veränderungen des Diagramms nach einer Aufstellung zeigen, ob die Aufstellung wirksam war, d.h. ob die Autonomiewerte zu- – und die Symbiosewerte abgenommen haben.
Wie dieses Konzept zur Klärung von Beziehungs-Problemen und zur Bearbeitung von Verlust- und Gewalt-Traumen angewendet werden kann, habe ich in meinem Buch "Symbiose in Systemaufstellungen" 2015 beschrieben.
Antwort auf Sylvie SCH. BEZIEHUNGSTRAUMA UND KRISE ÖFFENTLICHMACHEN VON AUFSTELLUNGEN
DISKUSSIONSBEITRÄGE ZU
Sylvia Sch.: Als Therapeutin weiss ich, daß ich Klienten hatte die, wenn ich solch eine Aussage gemacht hätte als Therapeutin, sie zugesagt hätten, weil ja quasi von mir suggeriert wurde, dass sie wenn sie nach einer dritten Sitzung "so weit wären" offener zu sein, nicht mehr unsichtbar, und mir dann auch noch einen Dienst erweisen könnten. Natürlich auch noch anderen helfen,die die Filme sehen. Damit würde ich indirekt meine Klienten formatieren, wie sie zu sein haben. ERO das ist ein wichtiger punkt, der unbedingt berücksichtigt werden muss. aber das leben ist komplexer, als wir es manchmal wahrhaben wollen. für mich geht es da um eine güterabwägung. und um die frage, für wessen freiheit sie sich da einsetzen!? jahrhunderte lang wurden persönliche beziehungstraumen als etwas "privates" angesehen, das mit der gesellschaft nichts zu tun hat. nur so war es möglich, dass die alltäglichen familiären beziehungskonflikte von der öffentlichkeit bewusst ignoriert wurden. das war auch im interesse der täter, die sich dadurch vor kritik oder anzeige schützen konnten. dadurch wurden aber die opfer im stich gelassen. nur so war es möglich, dass die auswirkungen dieser frühen beziehungstraumen auf das individuelle und auf das kollektive verhalten lange zeit nicht erkannt wurden. nur so war es möglich dass wir in diese globalen krisen hineingeschlittert sind, ohne uns der tieferen ursachen bewusst zu werden und diese beherzt anzugehen. haben sie gewagt, in den abgrund der drohenden globalen selbstzerstörung hinabzusehen? erst das gibt uns die entschlossenheit zu entschiedenem handeln. Es gibt dazu wenige möglichkeiten, aber immer hin diese zwei: 1. unser eigenes überlebensmuster , das zu dieser krise beigetragen hat, zu erkennen und zu löschen, 2. und diesen lösungsprozess anderen öffentlich (dem gemeinwohl) zu verfügung zu stellen, als anregung, ihr eigenes muster zu erkennen und zu löschen! es gilt, keine zeit zu verlieren. ich weiss, dass die eigenen traumen für viele mit scham behaftet sind. das können wir berücksichtigen durch austausch des namens durch weglassen individueller details - die für den lösungsprozess gar nicht relevant sind. andrerseits gehört es geradezu zur strategie dieser autoritären, patriarchalische traumatisierenden familien, die kinder zu verletzen und ihnen dann noch einzureden, sie seien schuld daran. mit dieser strategie schützten sich über jahrhunderte - wie bereis bemerkt - diese familien vor kritik und straf-anzeige. sind sie sich bewusst,dass sie diese strategie unerstützen? wollen sie das wirklich? und das noch mit dem zitat einer kommunistin, einer frau, einer jüdin, die ihr leben im kampf gegen diese autoritären strukturen verloren hat??? ist das nicht widersprüchlich? Es gibt einen weiteres argument für veröffentlichung – gerade für therapeutInnen. Ich selber habe als junger psychiater vor 45 jahren als klient an einer gruppentherapie teiilgenommen – auf vorschlag des therapeuten. Das war für mich damals nicht einfach, einmal, mich auf eine stufe zu stellen mit meinen klientInnen (ärzte fühlen sich ihren klientInnen gegenüber gerne überlegen, auch der damals übliche weisse kittel demonstrierte diese äussere distanz – wenn die innere abgrenzung unsicher ist) zum anderen fiel es mir nicht leicht, über meine probleme zu sprechen-in anwesenheit eigener klientInnen. Nachträglich erscheint es mir als eine sehr heilsame übung, um das – meist unbewusste – machtgefälle zwischen arzt und klientIn bewusst zu machen und zu überwinden. Aufgrund dieser eigenen Erfahrung von damals möchte ich auch heute den therapeutInnen unter meinen klienten, die sich scheuen, ihre aufstellung öffentlich zu machen, zu bedenken geben: verlierst du wirklich etwas wesentliches, wenn deine klientInnen sehen, dass auch du probleme hast und dir hilfe holst? Ist es nicht im gegenteil so, dass sie dann dich mehr achten, und der methode vertrauen, die dir selber geholfen hat? wenn eine klientIn darauf besteht, dass ihr video nicht veröffentlicht wird, werde ich das immer berücksichtigen. auch bei ihnen. es ist ihre dritte aufstellung, die beiden anderen sind nicht bei YT gespeichert. und ich mache ein video auch wieder nicht-öffentlich, wenn eine klientIn das wünscht. aber es kann sein, dass ich dann nicht mehr mit ihr arbeite. Danke sylvie, für ihre mail - sie hat mir geholfen, meinen standpunkt klarer zu formulieren! mit freundlichen grüssen ero langlotz Ihre Methode ist gut und wertvoll und ihr Einsatz für ihre Klienten ist exemplarisch! Ich bin sehr dankbar! Auch für ihre unkomplizierte Art und Weise direkte Antworten zu schreiben. Sie helfen sehr viel! Als Tiger, der die Sitzung nicht auf YT haben will, sage ich mit einem Zitat von Rosa Luxemburg: „'Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden‘. Herzliche Grüße Sylvie Sch.