Lieber Ero,
gerne gebe ich dir auch meine Sicht auf den Aufstellungsabend mit Ruppert.
1. Ich finde es vorbildhaft, dass ihr es gewagt habt, den Austausch zu suchen, denn es gibt schon viel zu viele loyale Therapie-Gemeinschaften, die alle davon überzeugt sind, das einzig wahre zu sein.
2. Ich finde es mutig, dass Franz Ruppert auch sein eigenes Anliegen aufstellen wollte.
Dann möchte ich zu Bedenken geben:
Nach allem was m.W. die Therapieforschung sagt, ist die Therapie-Methode für die Wirksamkeit weniger entscheidend als die vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeut und Klient, die immer wieder neu überprüft werden sollte. Ohne einen guten Kontakt zwischen Therapeut und Klient nützen die besten Methoden oder Konzepte nichts. Insbesondere gilt es festzustellen, ob der Klient wirklich ein Kunde ist oder nur Beklagender, Besucher oder Co-Therapeut.
Bezogen auf den Abend: Kann es nicht sein, dass ihr als systemische Therapeuten und Experten für Loyalitäten Eure eigene Loyalität zu euren eigenen Konzepten unterschätzt habt? Und dass Euch die Loyalität zu eurem Konzept wichtiger war als die Beziehung zum Klienten in der konkreten therapeutischen Arbeit? War das vielleicht dem Setting des Abends geschuldet? Hättet man vielleicht zuerst eure Loyalitäten mit eure Konzepten aufstellen sollen? Wie sehr seid ihr damit identifiziert, und habt damit "Fremdes" an Bord? Braucht das Selbst überhaupt ein Konzept?
Eine Diskussion, was die bessere Methode ist, find ich in dieser Hinsicht nicht entscheidend, laut Wirksamkeitsstudien auch wissenschaftlich nicht relevant. Relevanter finde ich die Frage, wie es uns in der Praxis gelingt, und uns von unseren Konzepten zu defokussieren, um einen guten Kontakt zum Klienten zu entwickeln und diesen auch zu halten. Denn ohne Kontakt zum Klienten ist die Gefahr, dass der Klient nur zum Schein mitmachen, oder wenn schon autonomer veranlagt, dann einfach aussteigt (wie Franz).
Die Aufstellungsarbeit verführt als Methode natürlich etwas dazu, dass das aufgestellte Klientensystem wichtiger wird als das Beratungssystem zwischen Klient und Therapeut. Darauf wurde in meinen systemischen Fortbildungen immer Wert gelegt, da den Fokus neu zu setzen und sich zu orientieren, ob der Klient als Kunde noch dabei ist. Könnte das nicht auch eine neue Perspektive für die Weiterentwicklung der SSI sein?
Können wir aus den Erfahrungen des Abends daher nicht besser lernen, statt dem "Entweder-Oder" der Methoden ein "Sowohl als Auch" zu machen, und uns eher darauf zu fokussieren, wie wir stets einen guten Kontakt zu Klienten halten können?
Das zumindest finde ich im Interesse der Klienten als auch der Wissenschaft ertragreicher, als die Konzepte gegeneinander auszuspielen.
Herzliche Grüße,
Tom