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Angelika Doerne
Beiträge: 2 | Zuletzt Online: 05.11.2017
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keine Angabe
    • Angelika Doerne hat einen neuen Beitrag "Aufstellungsabend mit Prof. Franz Ruppert Ein Lokalderby mit roter Karte" geschrieben. 05.11.2017

      Lieber Ero, lieber Thomas Latka
      das freut mich zu hören! Sehr gerne stelle ich meine Ansatz auf der Tagung vor. Ich melde mich bei dir.

      Ich kann dem, was Thomas Latka geschrieben hat sehr zustimmen. Meine Erfahrung ist auch, dass die Qualität der therapeutischen Arbeit vor allen Dingen die Beziehung zwischen Therapeut und Klient ausmacht: offen und gegenwärtig, in dem ein echter Kontakt statt finden kann. Sobald der Therapeut ein Ziel oder Konzept verfolgt besteht die Gefahr den Klienten zu verpassen. Die Aufstellungsarbeit ist dafür anfällig.
      Deshalb habe ich mich entschieden, in meiner Ausbildung, die ich anbiete viel wert darauf zu legen zu lernen, wie der Therapeut mit dem Klienten wirklich in Beziehung treten kann, wie sich wirklicher Kontakt zeigt und wlche Anzeichen es gibt, wenn wir den Klienten verpassen.

      Herzliche Grüße,
      Angelika

    • Angelika Doerne hat einen neuen Beitrag "Aufstellungsabend mit Prof. Franz Ruppert Ein Lokalderby mit roter Karte" geschrieben. 03.11.2017

      Lieber Ero,
      ich habe bei dir vor einigen Jahren deine Fortbildung besucht. Seit 12 Jahren arbeite ich psychotherapeutisch, davon einige Jahre in der psychosomatischen Klinik Heiligenfeld. Mein therapeutischer Hintergrund (Aus- und Fortbildungen) reicht von Gestalttherapie, über Aufstellungsarbeit (u.a. bei Albrecht Mahr) bis hin zu verschiedenen traumatherapeutischen Fortbildungen, wie Somatic Experiencing (Peter Levine), NARM - Heilung von Entwicklungstrauma (Laurence Heller), Integrale Somatische Psychotherapie (Raja Selvam) und EMDR. Aufstellungsarbeit biete ich seit 11 Jahren an. Seit kurzem biete ich eine über dreizehn Wochenenden laufende Aus- & Fortbildung in ‚Körper- und bindungsorientierter Traumatherapie’ in München an, die ich selbst entwickelt habe.

      Lieber Ero, deine Offenheit, dich auf diese Diskussion einzulassen, sowie auf das ‚Duell’ mit Franz Ruppert schätze ich sehr! Das motiviert mich, meine Gedanken und Erfahrungen dazu zu teilen.
      Ich verstehe meinen Beitrag nicht als Kritik an dich, sondern als Anregung, weitere, bisher unbekannt Türen zu öffnen und die dahinter liegenden Räume neugierig zu erkunden.

      Deine Intention, Menschen zu unterstützen mehr Autonomie zu entwickeln finde ich als Therapeutin natürlich grundsätzlich richtig. Das ist ja eine gängige Ausrichtung in allen tiefenpsychologisch orientierten Verfahren.

      Meine Erfahrung ist allerdings, dass man Autonomie nicht wirklich ‚machen’ kann, also nicht einfach mit dem Willen entwickeln kann. Probiert man es trotzdem, so besteht die Gefahr, dass sie zu einer Pseudo-Autonomie wird, zu einer unechten, aufgesetzten Autonomie. Dann kann Autonomie jeweils nur unter Anstrengung, also mit Willem erreicht werden und der innere Konflikt, das heißt die Spannung zwischen dem erwachsenem Anteil und dem blockierende Anteil oder innerem Kind werden immer größer. Der blockierende Anteil wehrt sich dagegen und sein Widerstand wird noch größer.
      Das führt dazu, dass jede Autonomie-Bewegung im Leben anstrengend wird bis man irgendwann im Burn-Out landet. Mittlerweile sehe ich die Pseudo-Autonomie (die wir meist schon im Elternhaus gelernt haben) als eine der Hauptursachen für Burn-Out, Depressionen und Ängsten.
      Noch prekärer wird das ganze, wenn das in einem therapeutischen Setting stattfindet. Der Klient will natürlich ein ‚guter Klient’ sein und den Anweisungen des Therapeuten Folge leisten. Und schon haben wir das kindliche Bindungsdilemma, ‚ich muss die Erwartung des anderen erfüllen und meine eigene Autonomie und Bedürfnisse zurück stellen, wenn sie nicht in das System passen’. Das passiert in therapeutischen Settings sehr häufig.

      Der blockierende Anteil hat eine Überlebensstrategie entwickelt, wie z. B. ‚ich muss die Erwartungen des anderen erfüllen, um gemocht zu werden’. In unserem blockierenden Anteil steckt unser inneres Kind. Für dieses war und ist es mitunter heute immer noch so, dass es große Angst davor hat, abgelehnt zu werden. Wenn wir zu diesem Teil wirklich hinspüren, dann merken wir, dass tief unten eine Angst vor Vernichtung sitzt. Denn: als Kind können wir tatsächlich nicht überleben, wenn wir keine Zuwendung bekommen und sich niemand um uns kümmert. Diese tief sitzende existentielle Angst können wir nicht einfach willentlich loslassen. Das wäre ungefähr so, als würde uns jemand auffordern über einen schmalen rutschigen Baumstamm über einer tiefen Schlucht zu balancieren, mit dem Versprechen, dass sich unser Problem lösen wird, sobald wir auf der anderen Seite angekommen sind. Dass wir dabei zu Tode stürzen könnten, wird dann zur Nebensache. Verständlich, dass sich der Teil in uns, der überleben will, dagegen wehrt!


      Auch gehirnphysiologisch lässt sich erklären, warum wir mit dem Verstand und dem Willen unsere eigenen tieferen Schichten nicht einfach verändern können. Wenn es so wäre, dann wäre die ganze Menschheit wahrscheinlich schon längst erleuchtet! Es gibt übrigens interessante Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass die Verhaltenstherapie, die ja klassischerweise vor allen Dingen mit dem Verstand und dem Willen arbeitet bei traumatisierten Menschen langfristig kaum Erfolge aufweisen kann.

      Unsere Prägungen, also unsere Glaubenssätze und unsere Erfahrungen sind im Mittelhirn, dem limbischen Gehirn gespeichert. Sieht das limbische Gehirn eine Gefahr, (dafür ist die Amygdala zuständig), so weist es unser Stammhirn an, unsere Notfallprogramme, also eine Stressreaktion in Gang zu setzen. Handelt es sich um ein Trauma oder eine Retraumatisierung kann die Stressreaktion bis hin zur Erstarrung und Dissoziation gehen. Zwischen dem limbischen System und dem Stammhirn entsteht nach einem Traumata ein Teufelskreis. In abgeschwächter Form entsteht dieser Teufelskreis auch bei unseren Prägungen (Glaubenssätzen und Erfahrungen des inneren Kindes). Unser Gehirn ist so konzipiert, dass unser Verstand und unser Wille, die wiederum im Frontalhirn sitzen auf das limbische System (wenn dieses eine Gefahr meldet) keinen Einfluss haben! Sie bekommen einfach keine Fuß in die Tür. Auch auf den Teufelskreis, der sich zwischen limbischem Gehirn und Stammhirn bildet, können wir mit unserem Verstand und dem Willen kaum einwirken. Das ist ein Grund, warum wir unser Angstgefühl und die entsprechende Stressreaktion, wenn wir zum Beispiel unserem autoritären Chef begegnen, der uns an unseren Vater erinnert kaum willentlich beeinflussen können. Unsere Notfallprogramme reagieren viel schneller als unser Wille und unser Verstand.

      Was bedeutet das für die therapeutische Arbeit?

      Das bedeutet, dass wenn wir mehr echte Autonomie entwickeln wollen, wir unser limbisches System und unser Stammhirn, sprich unsere Gefühle und am besten noch unseren Körper mit in die Arbeit einbeziehen müssen. Wenn wir uns nur auf der Ebene des Willens bewegen, so spalten wir unser Gefühl und unsere Körperreaktionen ab und fördern somit die Verdrängung und schließlich die Dissoziation.
      Das bedeutet nicht, dass wir zum inneren Kind regredieren und uns voll mit ihm identifizieren; was meistens zu einer Retraumatisierung führt und nicht zu einem Wachstum. Sondern dass wir mit unserem erwachsenen Anteil einfühlsam und mitfühlend mit unserem inneren Kind (also mit dem blockierenden Anteil) in eine wirkliche Verbindung, in einen echten und spürbaren Kontakt gehen müssen. Dann können wir spüren, was unser inneres Kind braucht: Aufmerksamkeit, Gesehen werden, Nähe, Ermutigung, Schutz etc. Erst wenn die Bedürfnisse unseres inneren Kindes erfüllt sind, kann es wachsen und dann entsteht ganz natürlich ein Bedürfnis nach mehr Autonomie. Nicht selten geht es auch darum, die zurückgehaltenen Aggressionen zu spüren und aus diesen Kraft für die eigene Autonomie-Impulse entstehen zu lassen. Dann wird die Autonomieentwicklung zu einem natürlichen und organischen Prozess und wir brauchen uns nicht anzustrengen, um autonom, also eigenständig zu sein.

      Ich mache oft die Erfahrung, dass Menschen sich für ihre noch nicht gelösten Glaubenssätze abwerten und sich unter Druck setzen, diese endlich lösen zu wollen. Das ist ein Ausdruck davon, dass sie mit ihrem inneren Kind nicht wirklich in Kontakt sind, sondern sie verhalten sich wie ihre eigenen Eltern sich damals zu ihnen als Kind verhalten haben. Es ist wichtig, die Not und den inneren Konflikt, die wir als Kinder erlebt haben tief anzuerkennen und zu würdigen. Solch ein Prozess hat immer seine ganz eigene Geschwindigkeit, seinen ganz eigenen Rhythmus und seine ganz eigene Entfaltungslogik. Auch ich erinnere mich in meiner Arbeit immer gerne an den Satz: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

      Auch wenn es noch viel dazu zu sagen gäbe, möchte ich es aus Platzgründen erst einmal hier belassen.

      Noch kurz zu Franz Ruppert: Ich habe die Arbeit von Franz Ruppert vor einigen Jahren kennen gelernt. Mein Eindruck war, dass die Stellvertreter (in seiner Gemeinde) die einzelnen Rollen ziemlich dramatisch bis hysterisch und mit viel Ladung ausagieren. Das schien mir eher wie eine Retraumatisierung, bestenfalls ein Ausagieren. Auf den ersten Blick scheint dabei aufgrund der hohen Ladung, Spannung und Dramatik viel zu passieren. Was fälschlicherweise zu dem Eindruck führen kann, dass es sehr lebendig ist und im Prozess viel passiert. Aber auch das ist eine Falle, in die traumatisierte Menschen mit einem chronisch übererregten Nervensystem oft tappen: Sie fühlen sich nur dann lebendig, wenn sie hoch erregt sind und werden dann zu Intensiv-Seminar-Junkies, Bunjee-Jumper, Rasern auf der Autobahn oder zu Sexsüchtigen.
      Meinem Eindruck nach findet eine echte Integration und ein wirkliches inneres Wachsen bei den Aufstellungen bei Franz kaum statt. Als Therapeut ist er dabei nicht präsent, er lässt die Stellvertreter ausagieren und betrachtet all das als lebendes Experiment. Noch dazu hat eine Anhängerschaft, die (das ist mein Eindruck) ihn schon fast zu einem Guru macht. Auch das hat natürlich wenig mit reifer Autonomie zu tun, sondern eher mit dem kindlichen Wunsch endlich einen Retter zu finden. Und auch da sind, wie immer zwei Seiten beteiligt.

      Nun hoffe ich, dass ich mit meinen Gedanken und Erfahrungen die ein oder andere Tür einen Spalt öffnen konnte.
      Gerne bin ich bereit für einen weiteren Austausch,

      Ganz herzliche Grüße,
      Angelika

Empfänger
Angelika Doerne
Betreff:


Text:
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