Ich möchte gerne einen Gedanken als Fragestellung und Denkanstoß formulieren:
Grundlage bildet die von Ero formulierte Aufforderung, nicht immer dem Gefühl zu folgen sondern dem Verstand. Das „Gefühl“ bringe uns immer wieder in die alten Muster, die sich „richtig“ anfühlen, der Verstand (mit Eros Theorien bestückt), helfe uns heraus aus dieser Misere.
Ich würde dem zustimmen, würde es aber nicht so formulieren, denn für mich
wirkt hier die alte Hellinger-These vom Gewissen. (Im Forum-Betrag: „Ich kann Liebe nicht annehmen habe ich dies bereits angedeutet.)
Laut Hellinger ist das Gewissen dafür verantwortlich, dass wir spüren, ob wir noch konform mit der Gruppe gehen, also im Sinne von deren Normen handeln. Auch – oder gerade - traumabeladene Familienstrukturen prägen ihre Mitglieder, im Sinne eines eigentlich dysfunktionalen Systems zu funktionieren: Kinder machen sich z.B. größer, damit es ihren Eltern besser geht (Parentifizierung). So helfen sie, dass das System mehr oder weniger gut funktioniert. Die Eltern sichern unsere Existenz, also muss es ihnen gut gehen, damit sie uns versorgen können und wir überleben.
Dies ist natürlich auf Dauer keine gute Lösung, es entfernt uns von uns selbst und hilft auch den anderen Familienmitgliedern nicht wirklich dabei, in die eigene Kraft zu kommen.
Richtig ist, dass, wenn man in so einem System aufwächst, man quasi konditioniert ist, die Bedürfnisse des Systems/ der anderen zu erfüllen. Es anders zu machen, fühlt sich falsch an. Das ist es wahrscheinlich, was Ero mit „Gefühl“ meint (oder???).
Für mich ist es aber das Gewissen. Wir haben ein „schlechtes Gewissen“, wenn wir es anders machen. In Mutters Raum zu sein fühlt sich richtig an, weil es – zumindest zeitweise – eine gewisse Erleichterung verspricht. Wenn die Mutter ständig jammert, weil sie nicht laufen kann, na dann stütze ich sie halt. Dann jammert sie wenigstens nicht mehr. Ich werde mir aber natürlich über kurz oder lang den Rücken verbiegen und habe keinen Freiraum mehr für meinen eigenen Weg. Aber es klappt halt erst einmal ganz gut. Es kehrt Ruhe ein. Und somit wird aus einer Notlösung eine Gewohnheit, eine Konditionierung…..
Jetzt sagt Ero, der Weg hinaus führt quasi über den Verstand. Finde ich als Übergangslösung nicht verkehrt, denn u. a. hilft uns ja Eros Theorie/ Methode, neue Muster kennenzulernen. Wir spüren vielleicht zum ersten Mal, wie sich unser eigener Raum anfühlt, wie unser Handlungsspielraum ist, wie unser Selbst sich anfühlt.
(siehe auch die Diskussion: Lokalderby Langlotz-Ruppert: eine gewisse Führung scheint bei Trauma-Arbeit sehr hilfreich, sonst ist man verloren...)
Ich würde dies aber nicht als der Weisheit letzter Schluss ansehen. Für mich ist diese (fremde) Theorie nur wieder ein Introjekt, das mir sagt, wie mein Weg für mich besser ist. Es ist aber ein (lebens-)wichtiges Introjekt.
Ich würde es mal als Hilfs-Selbst bezeichnen. Dieses Hilfs-Selbst unterstützt mich bei meinen Übungsschritten auf dem Weg zu mir selbst – hin zu mehr Autonomie.
Ich brauche dieses Hilfs-Selbst solange, bis ich meine eigene Stimme hören kann. Bis ich merke, wann mein Selbst zu mir spricht. Dies ist dann tatsächlich ein Gefühl – diese innere Stimme. Ich denke also, den (eigenen) Gefühlen zu trauen, ist wirkliche Autonomie.
Nur brauchts zu diesem Schritt eben Hilfsmittel.
Ruppert und Langlotz haben beide eine Anhängerschaft. Menschen, die ihnen folgen. Das ist gut – eine Zeit lang. Es ist gut, wenn es dazu führt, dass die Menschen letztlich in die Autonomie kommen.
Es wäre zu prüfen, ob es ihnen tatsächlich gelingt, oder ob sie in der Anhängerschaft und somit in der Abhängigkeit bleiben.
Manch einer braucht immer wieder erneut Aufstellungen, um zu fühlen, wo sein Weg langgeht. Er ist dann noch nicht mit seiner inneren Stimme (seinem wahren Gefühl) verbunden.
Wir suchen immer Vorbilder. Theorien. Autoritäten und Fachleute, die uns sagen, wie das Leben geht.
Meines Erachtens geht es darum, „wirkliche“ Führer zu haben, die uns selbst zu Führern machen. Ich glaube, diese Autonomie-Bewegungen könnten es sein…
Aufpassen sollte man, dass diese „Gruppen“ (Langlotz und Ruppert haben beide eine Parallel-website und explizite „Autonomie-Gruppen“) nicht zu neuen Introjekten und dysfunktionalem Familien-Ersatz werden….
Ich würde sogar noch weiter gehen: Langlotz/ Ruppert etc. sind Ersatz-Vater (Werte), die Gruppen stehen für die Ersatz-Mama (Geborgenheit, Halt). Sie helfen uns dabei, das nachzuholen, was wir bereits in unserer Kindheit hätten lernen sollen: durch Halt und Forderung/ Förderung und Liebe zu wachsen um letztlich eingenständig - also autonom - zu werden. Die Therapie-Gruppen können uns helfen, selbst laufen zu lernen....