Hallo Ero,
das Fallbeispiel spricht mir sehr aus dem Herzen. Ich war am Freitag beim Psychologen, da ich immer wiederkehrende depressive Phasen in meinem Leben habe und Probleme damit habe, eine Partnerschaft zu finden, obwohl ich es mir sehnlichst wünsche.
Seine Diagnose war ebenfalls Parentisierung und zwar mit meiner Mutter. Sie hat als ich ein Kind war Depressionen gehabt und war auch in therapeutischer Behandlung nachdem sie fast einen Suizidversuch unternommen hätte.
Ich selbst habe schon mehrere Aufstellungen gemacht. Meinen ungeborenen Zwilling habe ich dabei wiedergefunden und meine Beziehung zu meinem Vater aufgearbeitet. Diese war durch die Trennung meiner Eltern sehr schwierig geworden und ich habe mich immer verlassen gefühlt und ihm dafür die Schuld gegeben.
Seit dem Besuch nun beim Psychologen und seiner Schlussfolgerung, dass ich eine Psychotherapie machen sollte, bin ich ziemlich geschockt gewesen, aber auch zum ersten Mal richtig verstanden. Da ich im Ausland lebe und momentan eigentlich eine Rückkehr nach Deutschland plane, erwäge ich nun, dies zu verschieben und die Therapie hier zu beginnen. Ich weiß, dass ein Umzug und Jobwechsel mich viel Kraft kosten würde und ich würde nicht gleichzeitig noch eine Therapie beginnen können. Dies habe ich meinem Vater erzählt und er sagte, dass ich das nicht so strikt sehen solle und man durchaus erst mal anfangen könne und dann die Therapie wechseln. Er hätte das schließlich auch einmal gemacht.
Ich merke, dass es mir schwer fällt mich davon abzugrenzen. Eigentlich hatte ich schon öfter den Eindruck, dass ich vieles in meinem Leben gemacht habe, weil meinen Vater das stolz machen würde. Ich bin Ingenieur – das ist Tradition in unserer Familie, allerdings von den Männern. Auch meine diversen Auslandsaufenthalte waren ursprünglich nicht meine Idee gewesen.
Ich fühle mich zerrissen zwischen zwei Welten. Was ich selbst will, weiß ich eigentlich nicht wirklich. In dem Fallbeispiel kommt mir sehr bekannt vor, dass man weder das eine, noch das andere darf. Nicht zu viele Überstunden, aber auch nicht zu wenig arbeiten. Nicht alles für eine Beziehung investieren, aber keine Beziehung zu haben ist auch nicht akzeptabel. Zu viel Karriere machen und Freunde und Familie vernachlässigen geht nicht, aber keine Karriere zu machen ist auch nicht OK.
Energie ist für mich selbst auch keine übrig. Immer wieder frage ich mich, was ich eigentlich will, aber ich weiß es nicht. Ich hoffe, in der Therapie eine Antwort zu finden und werde auch sicher, das Thema von meinen beiden Eltern noch einmal aufstellen.
Viele Grüße